Soziales

25 Jahre Ökosoziales Forum Niederalteich

Yvonne Haderer am 19.12.2019

Dezember19 manifest ösfn1 Foto: Mareen Maier
Sie hoffen, dass das Manifest dazu anregt, den Blick bewusst auf die gemeinsame Erde und die Ressourcen, die allen Menschen gemeinsam zur Verfügung stehen, zu lenken (v.l.): ÖSFN-Mitbegründer Sepp Rottenaicher, Agrar- und Bildungsreferentin Annette Plank sowie Umweltbeauftragter Josef Holzbauer.

Ein Jubiläum – eigentlich ein willkommener Grund zum Feiern. Nicht so beim Ökosozialen Forum Niederalteich. Zum 25-jährigen Bestehen richten sich die Protagonisten mit einem Manifest an die Öffentlichkeit – denn von gesetzten Zielen ist man weit entfernt.

Das Öko­so­zia­le Forum Nie­der­al­t­eich, kurz ÖSFN, wur­de 1994 als Ideen­schmie­de aus der Tau­fe geho­ben. Ich war vor­her schon in Bau­ern­ver­bands­gre­mi­en und im poli­ti­schen Bereich tätig und habe da immer ein Defi­zit fest­ge­stellt: Dass die Denk­wei­se der Ver­ant­wort­li­chen zu kurz­sich­tig, zu wenig in Zusam­men­hän­gen und zu wenig vom Gemein­wohl getra­gen ist. Des­halb habe ich mir gedacht, dass wir ein Gre­mi­um, eine Art Denk­werk­statt brau­chen, um nach vor­ne zu schau­en und in Gene­ra­tio­nen zu den­ken“, erin­nert sich Mit­be­grün­der Sepp Rot­te­nai­cher zurück. Aus die­ser Visi­on ent­stand mit dem ÖSFN ein Netz­werk der Hoff­nung“, in dem sich Per­sön­lich­kei­ten aus der Agrar­po­li­tik, ‑ver­wal­tung, ‑wis­sen­schaft, Theo­lo­gie, Phi­lo­so­phie, Erwach­se­nen­bil­dung und der land­wirt­schaft­li­chen Pra­xis zusam­men­ge­fun­den haben. Sie stam­men aus Deutsch­land, Öster­reich und der Schweiz, das ÖKSF ist zudem Teil einer euro­pa­wei­ten Bewe­gung sowie der Initia­ti­ve des Glo­bal Mar­shall-Plans“. Ange­sie­delt ist es seit jeher an der Land­volks­hoch­schu­le in Nie­der­al­t­eich. In den ver­gan­ge­nen Jah­ren wur­den immer wie­der Bücher, Sym­po­si­en, Stel­lung­nah­men und Weck­ru­fe zu den The­men, die den Mit­glie­dern des ÖSFN ganz beson­ders unter den Nägeln bren­nen, ver­öf­fent­licht. Nun, 25 Jah­re nach der Grün­dung, haben sie ein Mani­fest aus­ge­ar­bei­tet, mit dem sie kurz und nüch­tern Bilanz zie­hen, aber zugleich den Blick auf zukunfts­fä­hi­ge, schöp­fungs­ge­rech­te und enkel­ver­träg­li­che Wege in Land­wirt­schaft, Agrar­po­li­tik, länd­li­chen Räu­me, Wirt­schaft und der Gesell­schaft richten. 

Das Mani­fest umfasst ins­ge­samt zehn Punk­te, die Sepp Rot­te­nai­cher gemein­sam mit Josef Holz­bau­er, der auch als Umwelt­be­auf­trag­ter der Diö­ze­se Pas­sau wich­ti­ge Impul­se in das ÖSFN ein­bringt, sowie Annet­te Plank, Agrar- und Bil­dungs­re­fe­ren­tin an der Land­volks­hoch­schu­le, prä­sen­tier­ten. Der ers­te Punkt legt dar, war­um es aus Sicht der Mit­glie­der des Öko­so­zia­len Forums kei­nen Grund zum Fei­ern gibt. Zur Grün­dung 1994 habe man sich fol­gen­de Zie­le gesetzt: Die viel­fäl­ti­ge bäu­er­li­che Land­wirt­schaft als bedeu­ten­des Kul­tur­gut Euro­pas sichern, die länd­li­chen Räu­me als lebens- und lie­bens­wer­te Hei­mat gestal­ten, die Nach­hal­tig­keit in allen Berei­chen wirt­schaft­li­chen Han­delns ver­an­kern sowie das rich­ti­ge Gleich­ge­wicht zwi­schen Markt­wirt­schaft, sozia­ler Fair­ness und öko­lo­gi­scher Ver­ant­wor­tung her­stel­len. Wenn wir auf die heu­ti­ge Situa­ti­on schau­en, stel­len wir aber fest: Das Höfester­ben geht dras­tisch wei­ter. Die Viel­falt der länd­li­chen Räu­me nimmt ab. Die Spe­zia­li­sie­rung der Land­wirt­schaft bedingt, dass länd­li­che Räu­me anders aus­se­hen. Mit der groß­struk­tu­rier­ten Land­wirt­schaft wur­den öko­lo­gi­sche Pro­ble­me geschaf­fen“, schil­der­te Holz­bau­er. Die ehr­li­che Bilanz nach 25 Jah­ren fal­le dem­entspre­chend nüch­tern aus. Im Fol­gen­den greift das Mani­fest unter­schied­li­che öko­lo­gi­sche und sozia­le Leit­plan­ken auf. Unter ande­rem wird betont, dass die Natur kein unend­li­ches Wachs­tum und auch kein Ver­schwin­den ken­ne. Natur­frem­de Stoff­ver­bin­dun­gen, die in den Natur­kreis­lauf ein­ge­bracht wer­den, wür­den sich zumin­dest in Spu­ren in irgend­ei­ner Form in Boden, Was­ser, Luft, Pflan­ze, Tier und letzt­lich im Men­schen wie­der­fin­den. Als Bei­spiel führ­te Sepp Rot­te­nai­cher das Pes­ti­zid­mit­tel Gly­pho­sat an. Was nicht in uns drin sein soll, darf vor­her nicht in den Natur­kreis­lauf gebracht wer­den“, fol­ger­te Rot­te­nai­cher. Das Mani­fest schil­dert zudem, dass die Art, wie der­zeit pro­du­ziert, kon­su­miert und sich über den Erd­ball bewegt wird, nicht nach­hal­tig und zukunfts­fä­hig sei. Das Arten­ster­ben ist lebens­be­droh­lich“ lau­tet die Über­schrift eines wei­te­ren Punk­tes. Die Lis­te der bedroh­ten Tier- und Pflan­zen­ar­ten wer­de immer län­ger. Wenn die Lebens­räu­me für unse­re pflanz­li­chen und tie­ri­schen Mit­ge­schöpf­te enger wer­den, dann wird das natur­ge­mäß auch für uns Men­schen so sein“, stell­te Rot­te­nai­cher klar. Die wei­te­ren Punk­te beschäf­ti­gen sich schließ­lich ganz beson­ders inten­siv mit der Land­wirt­schaft. Das Mani­fest hebt her­vor, dass die Bau­ern Geschä­dig­te und zugleich Mit­ver­ur­sa­cher von Kli­ma­er­hit­zung, Was­ser­be­las­tung und Arten­schwund sei­en. Aus­führ­lich wird geschil­dert, wel­chen Traum die Prot­ago­nis­ten des ÖSFN für bäu­er­li­che Fami­li­en­be­trie­be der nächs­ten oder über­nächs­ten Gene­ra­tio­nen haben. Unter ande­rem heißt es: Wir erwar­ten, dass die Bau­ern wie­der Basis der regio­na­len Ver­sor­gung sind, stolz auf ihren Beruf sind und die Bevöl­ke­rung stolz auf ihre‘ Bau­ern ist.“ Nach­hal­tig wirt­schaf­ten­de Bau­ern müss­ten durch Rah­men­be­din­gun­gen, Gesell­schaft und Staat geschützt wer­den, um einen angst­frei­en Umstieg zu ermög­li­chen, so eine wei­te­re Visi­on der Mani­fest-Schrei­ber für das Jahr 2050. Zen­tral ist auch die Fest­stel­lung, dass sich ein Wei­ter so“ ver­bie­te. Der Schlüs­sel für eine gedeih­li­che Ent­wick­lung in eine zukunfts­fä­hi­ge, schöp­fungs­ge­rech­te und enkel­ver­träg­li­che Zukunft sei die Agrar­po­li­tik in Land, Bund und vor allem in der EU. Das der Welt­kli­ma­gip­fel kürz­lich zum wider­hol­ten Male an ein­zel­staat­li­chen Inter­es­sen geschei­tert ist, ist eine Kata­stro­phe“, stell­te Josef Holz­bau­er in die­sem Zusam­men­hang fest. 

Als Öko­so­zia­les Forum Nie­der­al­t­eich wol­len wir auch in Zukunft Sta­chel und Kor­rek­tiv für zukunfts­ge­rech­te Wege in Land­wirt­schaft und länd­li­chen Räu­men sein sowie zu schöp­fungs­ge­rech­ten Wegen ermu­ti­gen“, beton­te Sepp Rot­te­nai­cher abschlie­ßend. Das Mani­fest selbst endet mit einem Zitat aus der Umwelt-Enzy­kli­ka Lau­da­to si‘“ von Papst Fran­zis­kus: Gehen wir sin­gend vor­an! Mögen unse­re Kämp­fe und unse­re Sor­gen um die­sen Pla­ne­ten nicht die Freu­de und Hoff­nung nehmen.“

Text und Foto: Mareen Maier

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