
Erst andächtig und leise, im Lauf des Wochenendes immer freudiger und klanggewaltiger haben die Pfarrei, das Geburtshaus und die Marktgemeinde am Karsamstag und Ostersonntag den 95. Geburts-und Tauftag von Joseph Ratzinger/Papst em. Benedikt XVI. gefeiert.
Sowohl beim stillen Morgenlob im Geburtszimmer des Papsthauses mit anschließender Tauferinnerung und einem Gottesdienst in der Taufkirche bis zum Festgottesdienst mit Bischof Dr. Stefan Oster SDB am Abend des Ostersonntags in der Pfarrkirche beteiligten sich viele Besucher aus Nah und Fern und freuten sich, dass sie wieder in größerer Gemeinschaft zusammenkommen konnten.
Joseph Ratzinger erblickte am 16. April 1927 um 4.15 Uhr an einem Karsamstagmorgen das Licht der Welt und wurde bereits rund vier Stunden nach der Geburt in der Pfarrkirche mit dem eben neu geweihten Wasser getauft, was er im späteren Leben immer als bedeutsame Fügung angesehen hat. Sein 95. Geburts- und Tauftag fiel ebenfalls auf einem Karsamstag.
Zum Morgenlob mit dem Theologischen Leiters des Papsthauses, Dr. Franz Haringer, trafen sich gut 30 Einheimische und Auswärtige zur Geburtsstunde Joseph Ratzingers um 4.15 Uhr zu einer Gebetsandacht im Papsthaus, die von Veronika Pittner musikalisch gestaltet wurde. Dr. Haringer zitierte dazu denkwürdige Aussagen aus Büchern und Erinnerungen Benedikts.
Zu dieser frühen Stunde hatten sich u. a. ein Kameramann des Bayerischen Fernsehens und fünf Theologen aus Finnland eingefunden, die zurzeit auf den Spuren Ratzingers/Benedikts in der Region unterwegs sind. Auch die Andacht an der Benediktsäule und die Tauferinnerung im Morgengrauen in der Kirche versetzten die Gläubigen in eine emotionale Stimmung. Die Gäste aus dem Norden stimmten am berühmten Papsttaufstein ein finnisches Lied an und verliehen der Feier eine internationale Note.

Am Ostersonntag besuchten der Diözesanbischof und weitere Ehrengäste aus Kirche und Politik am späten Nachmittag das Geburtshaus und ließen sich von Dr. Franz Haringer durch die aktuelle Sonderausstellung mit Werken des renommierten Leipziger Malers Michael Triegel mit dem neuen Titel: „Von Gesicht zu Gesicht“ führen.
Bischof Oster lobte die hohe Qualität der Ausstellung und des gut geführten Hauses, das zu einer lebendigen Stätte der Begegnung mit Papst Benedikt geworden sei, und er gratulierte Marktl zu „diesem Juwel und kulturellem Schatz in der Gemeinde.“
Das Papsthaus ist nach der Winterpause wieder geöffnet
Abschließender Höhepunkt waren der Kirchenzug mit den Fahnenabordnungen und der Festgottesdienst mit Bischof Stefan Oster, Ortspfarrer Peter Meister Dekan Heribert Schauer, und Dr. Haringer in der gut gefüllten Pfarrkirche.
Pfarrer Meister hieß die Besucher und Ehrengäste willkommen, dankte dem Bischof für seinen Besuch und die Zelebration der Hl. Messe. Ein musikalisches Glanzlicht, das den besonderen Anlass mitreißend zum Ausdruck brachte, setzte ein Projektchor mit Orchester unter der Leitung von Jakob Preißler und Veronika Pittner an der Orgel. Die Sängerinnen und Sänger aus Marktl, Stammham und Haiming und die Musiker Barbara und Marlene Tenge (1. und 2. Geige) und Kilian Niedersteiner (Cello) brachten die „Kleine Orgelsolomesse“ von Joseph Haydn mit Leidenschaft und großem Einsatz zur Aufführung. Der lang anhaltende Beifall galt neben dem jungen Dirigenten vor allem auch der Sopranistin Birgit Kraft, die bei einem Solo, instrumental begleitet von Josef Straubinger, mit ihrer klaren, hellen und kräftigen Stimme den Kirchenraum erfüllte.
In seiner Ansprache stellte Bischof Oster die Verbindung zwischen der Emmaus-Geschichte und dem emeritierten Papst Benedikt und dessen 95. Geburts- und Tauftag heraus und zitierte dazu aus einer Predigt des damaligen Kardinals Joseph Ratzinger von 1989, einer tiefen Meditation über das Leben aus dem Glauben als einen Weg auf Ostern hin – durch dunkle und helle Zeiten hindurch.
Er verglich die Enttäuschung der Emmaus-Jünger über den Tod Jesu mit der aktuellen Zeit: Diese Jünger hätten in einer Welt voller Angst, Unterdrückung, Bedrohungen, Gefahren und Unmenschlichkeiten gelebt. „Wer mag da nicht an heute und die Ukraine denken, wo es wieder passiert: Wo Menschen, die sich Christen nennen gegen Glaubensgeschwister im Nachbarland einen brutalen, vernichtenden Krieg führen.“ Aber, wie vor 2000 Jahren bei den Emmaus-Jüngern, die schließlich erkannten, dass Jesus auferstanden sei, könne man auch heute auf einen Lichtblick und die österliche Erneuerung vertrauen.
Als die Jünger auf dem gemeinsamen Weg nach Emmaus Jesus erkannten, „sagten sie diesen wunderbaren Satz: „Brannte uns nicht das Herz, als er unterwegs mit uns redete und uns den Sinn der Schriften erschloss? Ich bin überzeugt, im Herzen von Joseph Ratzinger hat es vermutlich sehr früh in seinem Leben zu brennen begonnen; die Faszination für Christus. Und dieses Licht scheint im Grunde durch alle seine Texte hindurch … und er hat zuerst und zuletzt dafür gelebt und gewirkt, dass Christus in den Herzen der Menschen zu brennen beginnt.“ Ratzinger/Benedikt komme aus dem einfachen Volk und habe die Verbindung zu den Menschen seiner Heimat nie abreißen lassen. „Ich würde mir wünschen, wenn auch unsererseits diese persönliche Verbundenheit mit ihm dazu führen würde, dass viele von uns auch leichteren Zugang finden zu seinem Leben und Denken, zu seinen Texten und zu seinem Geburtshaus in Marktl.“
Ein Schwerpunkt der Predigt Osters war „die allgemeine Krise des Glaubens und unserer Kirche, die sich durch die Erkenntnisse des Missbrauchs noch einmal dramatisch verschärft haben — vor allem deshalb, weil wir bitter erkennen und verstehen müssen, wie wenig wir als Institution Kirche die Schwere des Verbrechens, die Schwere seiner Folgen, die Not der Betroffenen von sexuellem Missbrauch gesehen haben oder wie wenig wir sie als Kirche sehen wollten oder auch sehen konnten. Und natürlich war auch Erzbischof Ratzinger ein in besonderer Weise Verantwortlicher in dieser Institution, in diesem System. In einem System, das sich im Ganzen, einschließlich der Verantwortungsträger, aber auch einschließlich nahezu aller Gläubigen, diesem Problem und den von Missbrauch betroffenen Menschen nicht stellen wollte oder es wohl auch noch nicht konnte. Und ja, dadurch haben Verantwortungsträger im System auch dazu beigetragen, dass sich Not von Betroffenen vermehrt hat. Womöglich auch, dass Täter unbeachtet und geschützt vom System weiter Verbrechen begehen konnten – ohne entdeckt oder geahndet zu werden.
Predigt Bischof Stefan Oster
Ihnen entgeht ein toller Beitrag!
Text: Monika Kleiner