Mit einem festlichen Pontifikalgottesdienst feierte Bischof Stefan zusammen mit vielen Gläubigen im Passauer Stephansdom das Hochfest Allerheiligen. An diesem Festtag gedenkt die katholische Kirche aller Heiligen, der bekannten und derer, die im Verborgenen ihren Glauben gelebt haben.
In seiner Predigt reflektierte Bischof Stefan Oster über eine „Anleitung zum Glücklichsein“. Dabei verwies er auf das Gedicht „Archaischer Torso Apollos“ von Rainer Maria Rilke. Rilke wurde durch die Betrachtung der Figur eines kopflosen Apollos so tief berührt, dass er zu der Überzeugung gelangte, sein Leben ändern zu müssen. Diese Art der Erfahrung, so der Bischof, komme auch im eigenen Leben immer wieder vor: Ein Kunstwerk, ein Roman, Lieder, eine Begegnung oder eine besondere Erfahrung können einen so tief berühren, dass sich der Blick auf die Wirklichkeit verändert und der Mensch einen neuen inneren Antrieb erhält – in gewisser Weise gibt er die Kontrolle darüber ab, was ihn verletzen darf und was nicht. „Wachsen und reifen als Menschen tun wir nur, wenn wir immer wieder neu offen sind für solche Erfahrungen, die uns ansprechen“, so der Passauer Bischof.
„Je mehr und intensiver wir uns einlassen – beispielsweise auf das Wort Gottes oder auf die Sakramente, die wir hier feiern – und uns innerlich öffnen und berühren lassen, desto mehr kann Gott selbst einen Weg in unser Denken und in unser Herz finden und uns verändern.”
Auch in der Begegnung mit Gott gebe es solche Erfahrungen, die den Menschen verändern. „Je mehr und intensiver wir uns einlassen – beispielsweise auf das Wort Gottes oder auf die Sakramente, die wir hier feiern – und uns innerlich öffnen und berühren lassen, desto mehr kann Gott selbst einen Weg in unser Denken und in unser Herz finden und uns verändern. (…) Damit wir Menschen werden, die aus dem Geheimnis seiner Gegenwart leben lernen, die ihn mehr und mehr erspüren und erkennen“, führte Bischof Stefan aus. Die Bergpredigt gebe daraufhin eine Anleitung zum Glücklichsein. Selig – im Lateinischen auch „glücklich“ – seien diejenigen, die offene Menschen bleiben, die mit Jesus verbunden sind und sich ansprechen lassen. Das sei der Weg zum Glücklichsein, zum „selig sein“. Doch es gehe nicht ohne den Preis, sich verletzbar zu machen und die Bereitschaft zu zeigen, Kontrolle abzugeben.
Die Predigt von Allerheiligen hier zum Nachhören:
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Lieben lernen heißt sterben lernen
Im Passauer Dom trafen sich an Allerseelen zahlreiche Gläubige, um für die Verstorbenen zu beten. Besonders beteten Bischof Stefan und das Domkapitel für die verstorbenen Bischöfe, die in der Gruft unter dem Altar begraben sind, die zu diesem Anlass geöffnet worden war.
In einer Predigt erinnerte Bischof Stefan Oster an das christliche Verständnis von Tod und Ewigkeit und ermutigte dazu, die eigene Einstellung zum Tod zu reflektieren. Die Sterblichkeit werde in der Gesellschaft eher verdrängt. Doch der Tod kommt ab der Geburt auf jeden einzelnen Menschen zu. Aus geistlicher Sicht sei dieses Ausblenden der Gewissheit des Todes eine tödliche Gefahr.
Im Zentrum des Christentums stehe die Verehrung eines Toten – Jesus Christus –, der durch sein Sterben den ewigen Tod überwunden und besiegt habe. „In dem Maß, in dem wir mit ihm innerlich verbunden sind, wächst und reift das neue Leben bereits in uns. Und in diesem Maß wird der Tod für uns kein katastrophales Ende, vor dem wir uns fürchten müssten, sondern ein Übergang, bei dem so etwas wie eine Neugeburt geschieht oder vollendet wird“, so Oster.
„Nichts, was du nicht losgelassen hast, wird dir jemals wirklich gehören.”
Mit Bezug auf den Philosophen Platon, der die Überzeugung vertrat, dass Menschwerden „Sterben lernen“ bedeute, führte Bischof Oster aus, dass Sterben lernen auch Lieben lernen heiße. Und Lieben bedeute, den anderen um seinetwillen zu lieben und nicht für den eigenen Vorteil. So müsse innerlich etwas sterben, um die eigene Selbstzentriertheit und den Drang zum „Besitzen wollen“ zu überwinden. Oster zitierte dazu den Schriftsteller C.S. Lewis: „Nichts, was du nicht losgelassen hast, wird dir jemals wirklich gehören.“ Und weiter: „Wenn sich jemand Ihnen oder Sie sich jemandem aus wirklicher Freiheit zuwenden um des anderen Willen, dann findet viel tiefer – oder es ist die Möglichkeit, dass viel tiefer – eine Beziehung von Herz zu Herz statt, als wenn wir den anderen gewissermaßen wie einen Gegenstand festhalten und besitzen wollen.“
Analog sei dies auch in der Gottesbeziehung: „Wir haben unseren Gott nicht im Griff. (…) Aber es gibt die Erfahrung, die geistliche Erfahrung, dass auch das wir gewissermaßen loslassen lernen müssen – innerlich –, um ihn um seinetwillen zu lieben, einfach weil er Gott ist und weil er uns nahe sein will.“
Gott könne man nicht besitzen und verzwecken: „Und wenn wir das lernen, in dem Maß, in dem wir lernen, Gott um Gottes Willen zu lieben und uns vor allem auch von ihm lieben zu lassen – denn das ist die Weise, wie er uns liebt –, dann lernen wir auch, uns in anderer Weise dem anderen zuzuwenden. Es bedeutet auch eine Art Loslassen von sich selbst. Um das Wort von Platon noch einmal aufzugreifen: In geheimnisvoller Weise auch sein Ich sterben zu lassen, um ins größere Leben zu kommen, um mehr ganz zu werden.“