Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch - Bistum Passau richtet Aufarbeitungskommission ein. Siebenköpfiges Gremium wird erstmals Anfang 2021 von Bischof Stefan Oster einberufen. Ab 1. Januar neue Regelungen bei Anerkennung erlittenen Leides.
Die Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch im Bistum Passau kommt weiter voran. Die Deutschen Bischöfe hatten kürzlich als erste große Organisation mit dem Unabhängigen Beauftragten der Bundesregierung für sexuellen Missbrauch eine Gemeinsame Erklärung unterschrieben. Darin werden gemeinsame Standards und verbindliche Kriterien für die Aufarbeitung genannt. Ein wichtiger Aspekt ist dabei eine möglichst unabhängige Aufarbeitungskommission. Diese wird nun auch im Bistum Passau eingerichtet. Ihr werden sieben Vertreter und Vertreterinnen aus Wissenschaft, Fachpraxis, Justiz und öffentlicher Verwaltung sowie auch Betroffene sexuellen Missbrauchs in der Kirche angehören. Diese sind Prof. Dr. Guido Pollak, Erziehungswissenschaftler und ehemaliger Inhaber des Lehrstuhls Allgemeine Pädagogik der Universität Passau, der Historiker und Journalist Dr. Stefan Rammer und Dr. Martin Linder, Kinder und Jugendpsychiater aus Regensburg. Außerdem haben sich Josef Rückl, Polizeipräsident i. R und die Diplom-Sozialpädagogin Michaela Müller, die für eine Beratungsstelle bei sexueller Gewalt tätig ist, bereit erklärt, ihre Expertise einzubringen. Die für die Kommission unentbehrliche Perspektive der Betroffenen ist durch Michael Steindorfner und Udo Holy vertreten.
Bischof Stefan Oster betonte, er sei überaus dankbar, dass die Genannten bereit seien, an der Kommission mitzuwirken. Zu Beginn des neuen Jahres werde er die Kommission zum ersten Mal einberufen – aber anschließend soll sie unabhängig von seiner Leitung selbständig arbeiten. Die Kommission wird Projekte der Aufarbeitung festlegen – und ihre Arbeit später in Form von Berichten, Presseveröffentlichungen, Vorträgen und Informationsveranstaltungen transparent machen.
„Ich hoffe sehr, dass wir durch diese Maßnahmen und alles, was auch schon vorher passiert ist, als Kirche einer der Orte in der Gesellschaft werden, in der sexueller Missbrauch bestmöglich verhindert werden kann.”
Zum 1. Januar 2021 treten außerdem neue Regelungen für Anträge auf Anerkennungszahlungen für erlittenes Leid in der Kirche in Kraft. Anstelle der Zentralen Koordinierungsstelle bei der Deutschen Bischofskonferenz wird künftig ein unabhängiges interdisziplinär besetztes Gremium von sieben Personen, welche nicht bei der Kirche beschäftigt sind, mit der Bearbeitung von Anerkennungsanträgen befasst sein. Dieses Gremium legt die Höhe der Leistungen fest und weist auch Auszahlungen unmittelbar an.
Die Höhe der Entschädigungen orientiert sich dabei an Urteilen zu Schmerzensgeldern staatlicher Gerichte und wird sich zwischen 1.000,00 und 50.000,00 Euro bewegen. Hinzu kommen Beratungstherapieleistungen von bis zu 50 Beratungsstunden. Betroffene können sich wie bislang bei den Ansprechpersonen für sexuellen Missbrauch des Bistums oder wahlweise bei der Interventionsbeauftragten, Antonia Murr, melden und werden bei der Antragstellung durch diese begleitet. Die Geschäftsstelle der unabhängigen Kommission informiert die betroffenen Personen sowie die zuständige Diözese und zahlt die festgelegte Summe direkt aus. Bischof Oster betonte auch, die Summen würden nicht aus dem Bistumshaushalt, sondern aus dem Bischöflichen Stuhl gezahlt – das heißt, Einnahmen aus der Kirchensteuer würden damit nicht belastet. Durch die zentrale Bearbeitung und Auszahlung soll eine deutliche Beschleunigung der Bearbeitungsdauer ermöglicht werden.
„Ich hoffe sehr, dass wir durch diese Maßnahmen und alles, was auch schon vorher passiert ist, als Kirche einer der Orte in der Gesellschaft werden, in der sexueller Missbrauch bestmöglich verhindert werden kann. Aber auch ein Ort, in dem Betroffene bestmöglich gehört und unterstützt werden“, so Bischof Oster.
Text: Anna Hofmeister