Mit ihrer ersten Sitzung hat sich am Dienstagabend die unabhängige Aufarbeitungskommission für das Passauer Bistum konstituiert. Coronabedingt fand das Treffen online statt. Die Kommission, zu deren Einrichtung sich die deutschen Bistümer in einer gemeinsamen Erklärung mit dem Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs, Johannes-Wilhelm Rörig, verpflichtet haben, wird Projekte der Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs in der Kirche festlegen – und ihre Arbeit später in Form von Berichten, Presseveröffentlichungen, Vorträgen und Informationsveranstaltungen transparent machen.
„Bis vor einigen Jahren habe ich die kirchlich-systemische Dimension des Missbrauchs unterschätzt“, sagte Bischof Stefan Oster. Er hoffe, dass mit der Aufarbeitung solche Bereiche aufgedeckt und beseitigt werden können – „damit Betroffene wirklich gehört und gesehen werden und Missbrauch künftig so gut wie irgend möglich verhindert werden kann.“
Dem Gremium gehören in Passau sieben Vertreterinnen und Vertreter aus Wissenschaft, Fachpraxis, Justiz und öffentlicher Verwaltung sowie auch Betroffene sexuellen Missbrauchs in der Kirche an. Mit dabei sind Prof. Dr. Guido Pollak, Erziehungswissenschaftler und ehemaliger Inhaber des Lehrstuhls Allgemeine Pädagogik der Universität Passau, der Historiker und Journalist Dr. Stefan Rammer und Dr. Martin Linder, Kinder und Jugendpsychiater aus Regensburg. Außerdem haben sich Josef Rückl, Polizeipräsident i. R und die Diplom-Sozialpädagogin Michaela Müller, die in Burghausen für eine Beratungsstelle bei sexueller Gewalt tätig ist, bereit erklärt, ihre Expertise einzubringen. Die für die Kommission unentbehrliche Perspektive der Betroffenen ist durch Michael Steindorfner und Udo Holy vertreten.
Bei der ersten Sitzung, bei der auch Bischof Stefan Oster, Generalvikar Josef Ederer, die Interventionsbeauftragte des Bistums, Antonia Murr, und die Präventionsbeauftragte Bettina Sturm anwesend waren, konnten sich die Beteiligten untereinander kennenlernen und erste Vorstellungen von der zukünftigen Arbeit austauschen. In einem nächsten Treffen der Kommission sollen ein/e Vorsitzende/r gewählt und Themen sowie Vorgehensweisen festgelegt werden. „Wir müssen das Rad nicht neu erfinden“, sagte Michael Steindorfner. Er plädierte dafür, sich an bereits erfolgreich bestehenden Projekten zu orientieren.
Aufruf
Aufarbeitung mit und für Betroffene: Ziel des Bistums ist es, neben der unabhängigen Aufarbeitungskommission auch einen unabhängigen Betroffenenbeirat einzurichten. Aufarbeitung braucht die maßgebliche Beteiligung von Menschen, die von sexuellem Missbrauch im Bereich der katholischen Kirche betroffen sind. Gleichzeitig sind Betroffene wichtige Impulsgeber für die Entwicklung von Maßnahmen, die ihnen im Sinne der Entlastung oder Bearbeitung eigener Erfahrungen hilfreich sein können. Sie haben sexuelle Gewalt in der Kirche von Passau erlitten? Bitte wenden Sie sich vertrauensvoll an die unabhängigen Missbrauchsbeauftragten des Bistums: Wolfgang Beier (08678 986930, wolfgang@beiernetz.de) und Rosemarie Weber (0851 5019760, info@kanzlei-rweber.de) Sollten Sie darüber hinaus Interesse haben, sich an einem Betroffenenbeirat zu beteiligen, möchte Bischof Oster Sie ermutigen, sich zeitnah an die Interventionsbeauftragte des Bistums Passau, Antonia Murr, zu wenden: antonia.murr@bistum-passau.de.
Die bundesweite, kostenfreie und anonyme Anlaufstelle für Betroffene von sexueller Gewalt, für Angehörige sowie Personen aus dem sozialen Umfeld von Kindern, für Fachkräfte und für alle Interessierten ist das „Hilfetelefon Sexueller Missbrauch“ – zu erreichen unter der Nummer 0800 2255530. Weitere Informationen finden Sie hier: www.hilfeportal-missbrauch.de