
Was macht ein japanisches Ehepaar des vergangenen Jahrhunderts in aller Welt interessant? Die Antwort darauf gibt eine Ausstellung im Kulturmodell Passau. Der Titel ist Programm: Was niemals stirbt – Verkündigung aus Nagasaki
Das Leben von Takashi Nagai sprengt die Grenzen des Denkens. Er muss berufliche Träume begraben, in den Krieg ziehen und verliert durch den Atombombenabwurf auf Nagasaki seine Frau Medori, seine Gesundheit und seinen Besitz. Doch sein tiefer Glaube lässt ihn weiterleben, mehr noch: Er wird in der Zeit, die ihm noch bleibt, zum Hoffnungsträger. Sein Vorbild, seine Bücher zur Versöhnung, Friede und Wiederaufbau entfachen neuen Mut im vom Krieg verwüsteten Japan. Und am Ende kommt sogar der Kaiser an sein Sterbebett. In der katholischen Kirche sind schon Menschen für weniger selig- oder heiliggesprochen worden.
Ihre Haltung zum Leben mache das Ehepaar Nagai auch für die Welt heute zu Weggefährten. Davon ist Maria Groos zutiefst überzeugt. Die Vorstandsvorsitzende des Eichstätter Vereins „Knotenpunkt – Begegnung verbindet“ hat die Ausstellung über das japanische Paar nach Deutschland geholt. Norbert Palsa, Vorsitzender der Deutsch-Japanischen Gesellschaft in Passau, fand im Kulturmodell den passenden Ort für die Präsentation. Die Eröffnung ließen sich auch Japans Generalkonsul Nobutaka Maekawa und Vizekonsulin Keiko Toda nicht entgehen.
Maria Groos lässt in ihrem Vortrag zu Beginn gleich Takashi Nagai selbst zu Wort kommen: „Alles war verloren! Und dennoch… Während mein Blick über die grenzenlose Ebene schweifte, entdeckte ich staunend, dass ich weder Bedauern noch Traurigkeit darüber empfand, alles verloren zu haben. Als ich erkannte, das ich etwas suchen musste, das nicht stirbt, nistete sich eine neue und große Hoffnung in meinem Herzen ein. Ich begann ein neues Leben.“
Diese Sätze haben Maria Groos gepackt: „Es gibt wohl nichts, was ich für mein eigenes Leben so sehr ersehne wie diese Hoffnung, von der Takashi Nagai so erfüllt ist“, gibt sie unumwunden zu. Freilich sei diese Hoffnung auch für ihn nicht selbstverständlich gewesen. Als Takashi wenige Tage nach dem Atombombenabwurf in der Asche seines Hauses die Knochen und den Rosenkranz seiner getöteten Frau findet, übermannt ihn zunächst „völlige Verzweiflung“. Doch beim Aufwachen in der Morgendämmerung des nächsten Tages erfüllt ihn – überraschend für ihn selbst – eine Gewissheit, die ihn überleben lässt: „Das, was Zeit und Raum übersteigt und für immer bleibt, ist das Wort Jesu Christi, der Gott ist.“ Bischof Stefan Oster zitiert diese Worte in seinem Grußwort, das Maria Groos‘ Ehemann Dr. Martin Groos verlas.
Wie Maria Groos beschreibt, entstand diese Erkenntnis aus der Geschichte eines von vielen Höhen und Tiefen gezeichneten Lebensweges. Und sie reifte in den Takashi Nagai verbleibenden Lebensjahren zu immer größerem Glück.
Was dem voraus ging, wie Takashi all die Prüfungen seines Lebens bestand, welche Rolle seine Ehefrau Midori auf diesem Weg hatte – all das erfahren die Besucherinnen und Besucher der Ausstellung auf 47 grafisch ansprechenden Bildtafeln.
Gezeigt wird darauf auch die Geschichte des Christentums in Japan sowie die dortige shintoistische und buddhistische Spiritualität und die konfuzianische Ethik. Die Ausstellung wurde beim Meeting für Völkerfreundschaft in Rimini unter dem Titel „Verkündigung aus Nagasaki“ sowie beim New York Encounter bereits über 20.000 Besuchern gezeigt.
Das Ehepaar Nagai ist geprägt vom Wunsch nach Wahrheit, von der Gewissheit des christlichen Glaubens, der Wertschätzung der überlieferten Spiritualität und der Bereitschaft zur Hingabe ihrer selbst, wie Maria Groos in ihrem Vortrag eindrucksvoll beschreibt. Takashi überlebt und wird zum Hoffnungsträger für die Menschen in seiner Umgebung und schließlich für die ganze Welt. Er hat auch nach der Atomkatastrophe den Wunsch bewahrt, die in allem verborgene Schönheit zu entdecken. Er wird zum „Mystiker des Friedens“, denn er setzt all seine Kraft für den spirituellen und materiellen Wiederaufbau Nagasakis ein. Nicht Hass und Rachsucht prägen den Arzt, sondern die Bereitschaft zur Versöhnung.
Das zu Asche gewordene Stadtviertel Urakami ist für ihn zu einem Ort der Begegnung mit Gott geworden: „Ich bin mit Gott in der gespenstischen Einöde von Urakami gewandert und habe endlich die Tiefe seiner Freundschaft verstanden“, schreibt er.
Ab 1948 zieht er sich schließlich in eine nur vier Quadratmeter große Hütte zurück, um sich auf den Tod vorzubereiten. Kurz vor seinem Tod im Mai 1949 besucht ihn der japanische Kaiser und dankt ihm für das, was er für das Land getan hat.
In seinem Grußwort betonte Bischof Stefan Oster, er hoffe, dass diese Ausstellung „gerade in Zeiten, in denen in Europa ein Krieg stattfindet, einen Beitrag leistet, dass allen klar wird, dass Krieg nicht mehr sein darf“. Bürgermeisterin Erika Träger sprach von einer „berührenden Ausstellung“ und würdigte den Einsatz Takashis für Frieden und Versöhnung. Dass die Ausstellung reiche Früchte tragen möge, wünschte Generalkonsul Nobutaka Maekawa den Machern, denen er seine Hochachtung aussprach. Er appellierte an die Zuhörerinnen und Zuhörer, sich für eine Welt ohne Atomwaffen einzusetzen. Dies müsse ein unveränderliches Ziel sein. Nach Ansicht von Norbert Palsa gebe das Vorbild Takashis Trost und Hoffnung für schwierige Zeiten. Musikalisch wunderbar gestaltet wurde die Eröffnung von einem jungen Flötenquintett der Städtischen Musikschule Passau.
Text: Krinninger Wolfgang / PBB