Für missio stehen in diesem Jahr vier Länder Westafrikas im Fokus, darunter der Senegal. Sie waren mit missio vor Ort. Wie waren Ihre Eindrücke?
Ich war zum ersten Mal in dieser Region. Dakar präsentiert sich als moderne, vielfältige Stadt, die einen Boom und wirtschaftliche Prosperität erlebt. Aber natürlich haben wir auch schnell wahrgenommen, dass es ein großes Gefälle gibt zum Leben in den Dörfern und kleinen Ortschaften, gerade was Infrastruktur, Hygieneausstattung und Bildungseinrichtungen betrifft. Dennoch ist der Senegal eines der Länder innerhalb der Region, in dem es den Menschen vergleichsweise gut geht. Das liegt an der Prosperität des Landes, aber auch daran, dass dort Stabilität und Frieden herrschen, auch zwischen den Religionen. Es war sehr eindrücklich, die Gestalt des Islam dort kennenzulernen. Viele der gläubigen Menschen dort sorgen dafür, dass der Terror dort nicht oder nur sehr schwer Fuß fassen kann, weil die Menschen so wachsam sind.
Die Nachbarn Mali, Burkina Faso und Niger leiden unter Instabilität und islamistischem Terror. Wenn die Armut wächst, bedeutet das eine düstere Zukunft?
Es sind schon düstere Wolken, die über diesen Ländern aufziehen. Umso wichtiger ist die Arbeit, die missio und die Kirche dort vor Ort leisten. Man hat immer das Gefühl, das sind womöglich nur Tropfen auf dem heißen Stein. Aber ich habe dort den Eindruck gewonnen: Das, was die Christen dort tun, wird geschätzt und angenommen und ist wenigstens für einige Menschen ein Glückstreffer. Zum Beispiel, wenn Kinder an einer katholischen Schule, die vernünftig geführt wird, ordentlich ausgebildet werden.
Corona verschärft die Armut und hat auch die Klimadebatte vorerst ausgebremst. Sie haben mit den Schülern von Fridays vor Future protestiert. Ist das zu Ende?
Ob die Protagonisten auch weiterhin die Schülerinnen und Schüler sein werden, das wird sich zeigen. Aber das Thema wird uns bleiben. Da bin ich den jungen Menschen sehr dankbar, dass sie die Dringlichkeit des Anliegens uns manchmal trägen Erwachsenen vor Augen geführt haben. Für uns Christen ist Ökologie ja ein wichtiges Anliegen, aber keine Ersatzreligion und keine Ideologie. Dass wir alle miteinander Verantwortung tragen, dafür zu sorgen, dass die Generationen, die nach uns kommen auch menschenwürdig leben können auf der Grundlage dessen, was da ist, das ist eine Menschenpflicht.
Sie haben als einer von 110 Bischöfen weltweit das Lieferkettengesetz unterzeichnet.
Wenn wir Unternehmen gewissermaßen nötigen, zu zeigen, wo das herkommt, was sie bei uns vertreiben, wer es herstellt und unter welchen Bedingungen, dann kann man irgendwann bei uns keine T‑Shirts aus Ländern Asiens für unter zehn Euro mehr bekommen. Das ist schlichtweg nicht möglich, es sei denn, es wird unter menschenunwürdigen Bedingungen produziert. Das gilt ebenso für Nahrungsmittel und anderes. Deswegen bin ich dafür, dass wir hier achtsam sind.
Wenn wir nun im Herbst gemeinsam mit Ihnen im Bistum Passau Westafrika in den Blick nehmen – was erhoffen Sie sich?
Ich hoffe, dass sich das Bewusstsein stärkt, dass wir eine Welt sind. Wir merken ja, dass Krisen uns geneigt machen, uns um uns selbst zu drehen und die Welt aus dem Blick zu verlieren. Ich hoffe also, dass wir die Welt wieder in den Blick bekommen, dass wir vor allem auch auf unsere Geschwister schauen in den Ländern, die weniger privilegiert sind als wir. Dass wir helfen, dass Menschen ihr Herz öffnen und teilen, und damit etwas zum Aufbau der Länder, um die es geht, beitragen.
Das Interview führte Barbara Brustlein von missio München.