Diese Erfahrung hat man dieser Tage auch im Passauer Stephansdom gemacht. In gut 20 Metern Höhe, über dem Hochaltar, sind jetzt zwei Glasbehälter mit Botschaften früherer Jahrzehnte zum Vorschein gekommen, versehen mit Nachrichten von Handwerkern. Auch für die Kathedrale gilt: Das Haus verliert nichts! Dort ist es wieder an der Zeit, eine gründliche Reinigung anzupacken. Dabei werden auch schadhafte Stellen ausgebessert, sagt Dompropst Msgr. Dr. Michael Bär. Wie unser Bild zeigt, ist es hier nicht mit etwas Stühlerücken getan; da braucht es schon ein mehr als haushohes Gerüstkleid.
Eine der Zeitkapseln – es ist eine 1‑Liter-Flasche „Valensina“ –, die der Dompropst öffnet, beinhaltet ein Passauer Bistumsblatt vom 9. Dezember 1979. Auf dem Titel der Kirchenzeitung hatte sich ein Handwerker handschriftlich Gedanken über die Kosten der damaligen Domrenovierung gemacht: „Das Gold kostet zur Zeit 1400 Mark (1 Unze = 31 Gramm). Der Orgelprospekt wird da teuer!“
Apropos Geld: Münzen wurden ebenfalls über dem Altar deponiert. Allerdings kann man sich dafür keine Brotzeit mehr kaufen: DeutscheMark, österreichische Schillinge und italienische Lire haben nur noch Sammlerwert – außer, man geht zur Bank und lässt umtauschen. Die Schriftstücke, die aus den Jahren 1977 und 1979 (Domrenovierung) sowie 1990 und 2003 stammen, wurden immer wieder in die gleichen Glasgefäße gelegt, sozusagen ein Archiv in luftiger Höhe. Verewigt haben sich zum Beispiel Handwerker, Kirchenmaler, Mesner, Raumpflegerin und der Diözesanbaumeister. Und die Bistumsblatt-Seite vom 18. November 1990 berichtet sogar, wer im Dom soviel Staub aufwirbelt. Wörtlich heißt es da: „Mit den Touristen kommt der Staub“. Fast wehmütig klingen 1979 die Worte eines Kirchenmalers nach getaner Arbeit: „Wir gehen mit einem lachenden und einem weinenden Auge aus Passau.“ Ein Zettel mit Zeilen aus dem gleichen Jahr, verfasst von Martin Zunhamer (Altötting), hat historisches: „Seit 300 Jahren waren wir, meine Mitarbeiter und ich, die ersten Maler, die am Kuppelbild restaurierten. Das Bild war schwarz vom Ruß und voller Risse. Wir hatten einen Aufzug oder wir gingen 260 Leitersprossen hinauf.“
Selbstverständlich, so Dompropst Michael Bär, würden die beiden Zeitkapseln wieder an Ort und Stelle platziert. Die Handwerker sind gut beraten, neue Botschaften auch im Jahr 2020 wieder auf gutem alten Papier zu hinterlassen. Würde man sie auf einem digitalen Datenträger speichern – wer weiß, ob man sie bei der nächsten Entstaubung angesichts der fortschreitenden Entwicklung dann überhaupt noch einlesen könnte.
Bild und Text: Werner Friedenberger