Keine Gottesdienste, gemeinsame Gebete oder Andachten, keine Taufen und Erstkommunionfeiern, Beerdigungen nur im engsten Familienkreis und auch keine anderen Veranstaltungen. Das kirchliche Leben, wie wir es kennen, gibt es momentan nicht. Armin Berger hat darüber mit dem Passauer Bischof Stefan Oster gesprochen.
Gerade in Krisenzeiten ist ihr christlicher Glaube für viele Menschen eine wichtige Stütze. Welche Mutmach-Botschaft möchten Sie den Gläubigen im Bistum Passau mit auf den Weg geben?
Im Grunde wäre jetzt erst gerade die Zeit der Christen, also die Zeit derjenigen, die einen Glauben haben, dass Gott der Herr über die Geschichte ist – und dass er Pläne des Heils hat – mit jedem einzelnen, aber auch mit unserem Land und mit der ganzen Schöpfung – auch in der Krise. Zudem: Kirche ist mehr als das, was von ihr äußerlich sichtbar ist. Wir sind eine Gemeinschaft von Geschwistern, die wie durch ein unsichtbares Band miteinander verbunden sind. Wir sind – mit einem Bild aus der Bibel gesagt – Leib Christi. Und daher gilt mit einem Wort von Papst em. Benedikt: „Wer glaubt ist nie allein“ Und zwar ob gerade ein Gottesdienst möglich ist oder nicht. Natürlich stärkt uns der Gottesdienst und wir brauchen den alle, und hoffen, dass er auch bald wieder möglich sein wird. Aber zunächst gilt: Wer glaubt, ist nie allein.
In dieser schwierigen Zeit zeigt sich die Stärke einer Gemeinschaft auf besondere Weise. Durch Verzicht und persönliche Einschränkung beweisen viele Nächstenliebe — Nachbarschaftshilfen werden wiederbelebt, um älteren oder erkrankten Menschen zu helfen. Was löst das regionale Engagement der Menschen bei Ihnen aus?
Ich habe wirklich eine große Hoffnung, dass wir auch durch diese Krise wieder in ein tieferes Bewusstsein von Gemeinsamkeit, von Gemeinschaftlichkeit finden. Es ist ja oft ganz erstaunlich, was Menschen in Krisenzeiten tun können, was sie leisten können, aber auch, was sie aushalten können. Was Sie aufgezählt haben, zeigt doch auch, dass wir Menschen Gemeinschaftswesen sind. Und es zeigt womöglich auch, das vieles in unserer modernen Kultur, wenn sie ganz normal dahinläuft, nicht besonders gesund ist, oft sondern individualistisch, egoistisch, materialistisch. Jetzt auf einmal sehen wir, wie kostbar Unterstützung, Nähe ist, auch wenn wir sie nicht unmittelbar zeigen können, aber wir haben technische und andere Möglichkeiten, sie zu zeigen. Also, ich hoffe wirklich auch auf eine tiefe Besinnung in dieser Zeit der Krise.
Hier das Interview zum Hören in unserem Podcast:
Ihnen entgeht ein toller Beitrag!
Sehr wichtig ist derzeit, dass die seelsorgerischen Dienste der Kirche weiterlaufen — natürlich angepasst an die Vorgaben. Und niemand muss sich schämen oder Berührungsängste haben, diese anzunehmen…?
Ich finde es wunderbar, dass es so schnell und leicht möglich ist, Gottesdienste zu übertragen, dass die Menschen mitfeiern können. Zusätzlich haben wir auch Material zur Verfügung gestellt, das man auf unseren Internetseiten herunterladen kann und das dazu einlädt, zuhause Gottesdienst zu feiern. Und so eine gemeinsame Andacht, ein Gebet daheim ist auch nicht einfach eine „schlechtere“ Form im Verhältnis zur Mitfeier am Bildschirm. Sie ist vielleicht sogar manchmal noch intensiver oder intimer als über den Bildschirm. Der Bildschirm macht uns ja tatsächlich oft einfach nur zu Zuschauern, weil wir es irgendwie so gewohnt sind, im Fernsehen zuzuschauen – und nicht teilzunehmen. Wenn wir aber einen Hausgottesdienst in der Familie feiern und beten, dann ist man auch anders beieinander. Das muss man ein wenig üben, es ist ungewohnt, so zu beten, aber es kann auch erst recht zusammenschweißen. Miteinander beten mit den Hilfen, die wir anbieten, ist also auch eine sehr schöne Form. Und ich hoffe, dass es auch eine Form ist, die das Gebet in der Familie, im Familienkreis, im Miteinander neu beleben kann. Sie sehen: Wir haben in dieser Krise auch viele Chancen.
Und dann darf man die Beratungsangebote nicht vergessen, Stichwort Caritas oder Telefonseelsorge!
Genau, es gibt die Caritas, die Telefonseelsorge, die Ehe- und Familien-Pastoral. Es gibt jetzt mit ehrenamtlicher Unterstützung die Versorgung zuhause von Menschen, die sich sonst bei der Tafel etwas abholen. Auch unsere Jugendbüros stehen sechs Tage die Woche Jugendlichen am Telefon zur Verfügung, wenn ihnen zuhause die Decke auf den Kopf fällt und sie einfach mal jemanden zum Reden brauchen. Auch bei der Telefonseelsorge kann rund um die Uhr jeder anrufen, ob er nun katholisch ist oder nicht.
Ostern steht vor der Tür – Wie können / sollen Gläubige dieses heuer feiern?
Wie gesagt, mit den genannten medialen Möglichkeiten. Ich möchte auch dazu einladen, sich bewusst die Texte anzuschauen. Vor allem das Evangelium, die Lesungen, die in den Gottesdiensten an Ostern vorgetragen werden. Vielleicht hat man auch mal sehr bewusst Zeit, die Texte zuhause länger zu meditieren, für sich aufzunehmen, ins Gebet damit zu kommen. Beten Sie, nicht nur automatisch „vorgefertigte“ Gebete, die auch wichtig und gut sind, aber versuchen Sie auch, still zu werden, in ein persönliches Gespräch mit Gott, mit Christus zu kommen, von dem Sie sicher sein dürfen, dass er in liebevoller Weise auf sie schaut und auf Sie wartet. Man kann dem Herrn alles erzählen, was man auf dem Herzen hat. Man kann aber auch nur schweigend dasitzen und sich bewusstmachen, dass er einen liebevoll anschaut. Ein wichtiger Punkt ist mir auch die Beichte. Die ist nun nicht in diesem ausführlichen Maß möglich. Wenn Sie einen Seelsorger anrufen und sagen, Sie möchten beichten, dann wird er das aber irgendwie ermöglichen. Ich werde oft gefragt, ob die Telefonbeichte gültig ist. Nein, das ist keine Beichte, aber ich darf Ihnen zusagen, und das hat die katholische Lehre immer festgehalten: Wenn ein Mensch sich einer schweren Sünde bewusst ist, und sie bereut und damit in ein aufrichtiges Gebet vor Gott kommt, und sich vornimmt, das dann bei der nächsten Gelegenheit nochmal in die Beichte zu bringen, dann hat auch dieser Akt der inneren Reue, des Bekenntnisses sündenvergebende Wirkung. Auch da gilt, sie können das mit jemandem besprechen, mit einem Priester oder Seelsorger am Telefon. Das hat sündenvergebende Wirkung, wenn Sie sich vornehmen, dann zu einem späteren Zeitpunkt, wenn es möglich ist, zu beichten. Man nennt das „votum confessionis“, also eine Art Versprechen, dass man die Beichte dann nochmal nachholen wird. Das ist auch etwas, das für viele beruhigend ist, zu wissen.
Sie haben selbst eine persönliche Einladung zum täglichen Mitbeten um 15 Uhr ausgesprochen, da läuten bistumsweit die Kirchenglocken….?
Da bekomme ich viele Rückmeldungen, die dankbar sind dafür, dass wir mit Glockengeläut an das Gebet erinnern. Ich selber habe mich schon bei der Frage ertappt, warum läuten jetzt die Glocken? Und mich dann erinnert: Ah, der Rosenkranz! Und dann habe ich dieses Gesätz gebetet, für die Menschen, die in Not sind, vor allem für die vielen, die sich einsetzen in der Pflege, oder für die vielen, die unser Land aufrechterhalten, in der Lebensmittelversorgung, in der Sicherheit, im Bereich Datenschutz und in so vielen Bereichen, für die wir alle dankbar sind. Und in der Hoffnung, dass der Herrgott uns hilft, gut durch diese Krise zu kommen und sie möglichst bald zu beenden.
Interview: Armin Berger
Bild: Anna Hofmeister