Plötzliche Erinnerungen: Beim Kochen des gemeinsamen Lieblingsgerichts, wenn im Radio ein bestimmtes Lied läuft, beim Spaziergang im Wald. Wenn ein geliebter Mensch stirbt, hinterlässt das immer eine große Lücke. Es fehlt ein Stück – doch die Erinnerungen bleiben. Das „Buch des Erinnerns“ ist jetzt im Passauer Dom zu finden.
Text und Photos: Mareen Maier
Erinnerungen bleiben — und das ist gut so. Erinnerungen zulassen, sie nicht verdrängen – das kann in der Trauer helfen und Trost spenden. Wichtig sind aber nicht nur die Erinnerungen selbst. Es braucht auch Orte, an denen sich Trauernde zurückziehen können. Das kann der Friedhof sein oder eine Gedenkecke zu Hause. Und künftig auch der altehrwürdige Dom St. Stephan in Passau. Das Trauernetzwerk Passau, ein Zusammenschluss konfessionell und überkonfessionell arbeitender Organisationen, die im Raum Passau im Bereich der Trauerarbeit tätig sind, hat hier einen Ort des Erinnerns entstehen lassen. Trauernde sind eingeladen, sich in einem Buch, das auf einer eigens angefertigten Stele liegt, zu verewigen. „Dieser Platz soll Menschen ermöglichen, in einer wertschätzenden Umgebung ihre Gedanken und Erinnerungen an verstorbene, liebe Menschen festzuhalten“, so KDFB-Trauerbegleiterin Renate Pongratz. „Man kann das Buch aufschlagen, darin blättern, seine Gedanken festhalten, vielleicht auch einen Dank in Erinnerung an gemeinsame schöne Erlebnisse niederschreiben, oder auch Bitten und die eigene Not – für alles ist Raum und Platz“, fügt Thomas Weggartner von der Gesprächsgruppe „Trauer nach Suizid“ hinzu.
Rund drei Jahre lang hat das Trauernetzwerk an der Umsetzung des Projekts gearbeitet. Eine Trauerbegleiterin des Frauenbund-Diözesanverbandes, die im Trauernetzwerk aktiv ist, hatte ein ähnliches Projekt in München kennengelernt und die Idee dafür mit nach Hause gebracht. „Es waren dann gleich einige dabei, die das Projekt unterstützt haben und wir haben uns Gedanken zur Umsetzung gemacht – wie wir das Buch gestalten und wo der geeignete Platz ist“, so Renate Pongratz. Gemeinsam mit Frauenseelsorgerin Hildegard Weileder-Wurm vom Referat Frauen hatte sie nach möglichen Orten für das „Buch des Erinnerns“ gesucht – und ist fündig geworden. In der Gebetsecke im hinteren Bereich des Passauer Doms ist das „Buch des Erinnerns“ aus Sicht der Mitglieder des Trauernetzwerks gut aufgehoben. „In den Trauergruppen erleben wir es oft, dass es eine Hemmschwelle gibt, überhaupt hinzugehen. Doch hier gibt es jetzt einen sehr niedrigschwelligen Ort, öffentlich und doch geschützt, zu dem man jederzeit kommen kann“, so Weggartner. Im Rahmen einer ökumenischen Segensfeier mit Dompropst Dr. Michael Bär und Dr. Wolfgang Bub, dem Dekan des Evangelisch-Lutherischen Dekanats Passau, wurde das „Buch des Erinnerns“ im Beisein zahlreicher Gäste nun in Betrieb genommen und gesegnet. „Es freut mich, dass dieser Ort des Erinnerns realisiert werden konnte. Nach dem schmerzvollen Verlust eines lieben Menschen können sich Trauernde hier etwas von der Seele und dem Herzen schreiben“, sagte Bär.
Die Stele, auf der das „Buch des Erinnerns“ liegt, wurde von Künstler Leopold W. Hafner geschaffen. Orientiert hat er sich dabei an der bisherigen Gestaltung des Gebetsbereiches, für die sein Vater vor einigen Jahrzehnten zuständig war. „Die Gestaltung basiert auf dem, was mein Vater geschaffen hat: Die Umrahmung mit dem geschmiedeten Blattwerk, die Einfassung des Marienbildes. Natürlich setzt man das dann in etwas schlichterer Sprache um“, so Hafner. Die Stele hat Durchbrechungen in Blattform, so dass ein formaler Zusammenhang besteht, „ohne dass man etwas nachmacht, sondern die Umgebung aufgreift und sich ins Ensemble einfügt“, erklärte Hafner, der feststellte, dass die Gebetsecke für ihn schon immer ein besonderer Ort gewesen sei. „Es war deshalb eine ehrenvolle Aufgabe für mich.“ Auf der Oberseite der Stele sind neben „Buch des Erinnerns“ diese biblischen Sätze eingraviert: „Ich habe dein Gebet gehört. Ich habe deine Tränen gesehen. Siehe, ich will dich heilen.“ Diese Worte aus dem 2. Buch der Könige waren auch bei der Segensfeier zentral. Mitglieder des Trauernetzwerks griffen die einzelnen Sätze nach und nach auf.