Manche Gedenktage lassen einen nicht mehr los. Der „Gebetstag für Opfer sexuellen Missbrauchs“ gehört dazu. Angesichts des unsäglichen Leids, das Betroffenen angetan wurde, passen beide Nennungen: Gebetstag wie Gedenktag. Wieder einmal mehr wurde deutlich: es geht vor allem ums Zuhören.
Mit dem Gebetstag folgte Bischof Dr. Stefan Oster SDB einer Anregung von Papst Franziskus. Seit 2015 findet demnach der Gebetstag in zeitlicher Nähe zum „Europäischen Tag zum Schutz von Kindern vor sexueller Ausbeutung und sexuellem Missbrauch“ am 18. November statt, der vom Europarat initiiert wurde. Bischof Stefan Oster forderte in seiner Predigt im Stephansdom eine „Kultur der Achtsamkeit und des Hinhörens“, er sprach von „dramatischen Verwundungen“ und davon, dass die Opfer von sexualisierter Gewalt „lebendiges Mahnmal“ seien.
„Der Anfang des rechten Lebens ist das rechte Hören“, zitierte Magdalena Lummer von der Präventionsstelle des Bistums im Stephansdom den griechischen Schriftsteller Plutarch. Magdalena Lummer: „Das rechte Leben beginnt dort, wo man richtig zuhört.“ Welch tieferer Sinn hinter dieser Aussage steckt, machte sie deutlich: „Ein von sexualisierter Gewalt betroffenes Kind beziehungsweise ein betroffener Jugendlicher muss bis zu sieben Erwachsene ansprechen, bis er oder sie Gehör findet.“ Ihre Forderung: „Eine Kirche, die Aufarbeitung ernst nimmt, darf ihre Ohren nicht verschließen. Sie darf Betroffene nicht nur anhören, sie muss lernen, zuzuhören.“ Nur durch das richtige Zuhören könne echte Veränderung stattfinden. Magdalena Lummer sagte, was Sache ist: „Der ungeschminkten Wahrheit ins Auge zu sehen, zu wissen, welche Verbrechen begangen wurden, wie viel Unheil geschehen ist, sowie die nötigen Gegenmaßnahmen zu benennen, sind Grundbedingungen dafür, effektive Präventionsarbeit leisten zu können.“
Berührend die Worte von Dr. Andrea Pichlmeier (Bibelpastoral), die beschrieb, wie es Tätern gelingt, dass Opfer „dem Falschen das Ohr schenken – auch in heiligen Räumen“.
EIN BETROFFENER SPRICHT:
„Mein Name ist Rolf Fahnenbruck und ich bin Mitglied und Sprecher des neuen Betroffenenbeirates für sexualisierte Gewalt im Bistum Passau und auch Selbstbetroffener.“ Nachdem er sich mit diesen Worten vorgestellt hatte, wurde es sehr still im Stephansdom – und das Gesagte ging unter die Haut: „Ich habe als Junge von elf Jahren durch einen kirchlichen Mitarbeiter in einem anderen Bistum schwersten sexuellen Missbrauch und sadistische Gewalt erlebt und dieses über 40 Jahre mit mir alleine ausmachen müssen, da mir damals schon als Kind niemand glaubte und niemand darüber sprechen wollte.“
Sein Appell: „Wir brauchen Sie alle, die diesen Weg mit uns gehen, die wachsam sind, die zuhören, die sich rühren, wenn Unheil droht oder bekannt wird, die Mitgefühl und nicht Unglauben zeigen für mögliche Opfer, oder die schulische oder berufliche Zukunft des Kindes höher bewerten, als eine Aufarbeitung eines Missbrauchs.“
Text: Werner Friedenberger (Passauer Bistumsblatt)