Am Montagabend hatten das Bistum Passau und die Katholische Landvolkbewegung (KLB) zum Dialog mit der Landwirtschaft nach Burghausen eingeladen. Die Vorstellung einer kirchennahen Studie zu Ernährungssicherheit und Klimaschutz hatte unter bayerischen Landwirten für reichlich Unmut gesorgt.
Die Podiumsdiskussion im Haus der Begegnung Heilig Geist in Burghausen mit Generalvikar Josef Ederer zeigte, dass der Ärger noch nicht ganz verraucht ist. Dabei pflegten die katholische Kirche und die Bauernschaft lange Zeit ein fast symbiotisches Verhältnis –gelten doch die Landwirtsfamilien als treue Kirchgänger und vielfältig engagiert in den Pfarrgemeinden vor Ort. So hatte sich die Kirche bei den großen Bauernprotesten Ende 2020, Anfang 2021 auch klar ihre Unterstützung signalisiert, zum Beispiel in einem Offenen Brief von Weihbischof Wilfried Theising gemeinsam mit anderen Kirchenvertretern.
Der Schulterschluss hielt bis zum 11. September dieses Jahres. Da hatte die Sachverständigengruppe Weltwirtschaft und Sozialethik der Deutschen Bischofskonferenz in München ihre Studie „Ernährungssicherheit, Klimaschutz und Biodiversität: Ethische Leitlinien für die globale Landnutzung“ vorgestellt. Sofort kochten die Emotionen hoch und zeigten, wieviel Druck auf dem Kessel bei vielen Landwirten herrscht: Sie beklagen unsichere Absatzmärkte, hohen Konkurrenzdruck, niedrige Preise, überbordende Bürokratie und gängelnde Umweltvorschriften. Sofort nach Erscheinen der Studie kursierten Reizwörter wie „Enteignung“, „Bodenverschmutzung“ oder „mangelnde Nachhaltigkeit“ – und besonders Landwirtsfrauen ließen Dampf ab mit der Weigerung, die Erntedankaltäre in den Kirchen wie gewohnt zu schmücken. Vereinzelt gab es sogar Kirchenaustritt.
Bald zeigte sich jedoch, dass viele die Studie gar nicht gelesen oder bestenfalls falsch verstanden hatten. Auch innerhalb des Landvolks war die Meinung zu der Veröffentlichung durchaus geteilt, was sich auch in Burghausen zeigte. Grob ließen sich die Linien so ziehen: Während die eine Seite die Studie als wertvollen Impuls für die eigene Arbeit und als Wertschätzung empfand, fühlte sich die andere Seite zu Unrecht verunglimpft und von oben herab behandelt. „Da hat die Kirche nicht mitzureden“, war aus den Bankreihen zu vernehmen oder: „Das sind schon wieder Externe, die keine Ahnung haben“. Angesprochen war in diesem Fall Dr. Stefan Einsiedel, Leiter der Forschungsprojekte zur „sozial-ökologischen Transformation“ am Zentrum für Globale Fragen der Hochschule für Philosophie München und Mitarbeiter an der Studie.
Einsiedel bemühte sich zu Beginn des Abends nach Begrüßung der Anwesenden durch Ludwig Raischl vom Haus der Begegnung sichtlich um Versachlichung der Diskussion, als er die Leitlinien des Papiers vorstellte. Der Expertentext unterstreicht darin die Bedeutung einer gemeinwohlorientierten Landnutzungswende. Die Sachverständigen erläutern, wie ein verengtes Verständnis von Effizienz zu einer problematischen Förderpolitik beigetragen habe, die teuer, sozial unausgewogen und nicht zukunftsfähig sei. Erforderlich sei eine konsens- und lösungsorientierte Zusammenarbeit von Politik, Landwirtschaft und Gesellschaft, um die lebensnotwendige Fruchtbarkeit und Funktionsfähigkeit von Böden zu erhalten und zu steigern. Ausdrücklich wird die Position der Landwirte für ein auskömmliches Wirtschaften gestützt. Gleichzeitig sei aber allen in Gesellschaft und Politik klar, dass sich etwas ändern müsse, um die Zukunft der Menschheit zu sichern.
Letzteres bezogen vor allem die konventionellen Landwirte jedoch einseitig auf sich. Man lasse sich nicht ständig für alles verantwortlich machen. Besonders erbost habe sie der Vorwurf einer mangelnden Nachhaltigkeit, betonte Gabriele Eberl, Kreisbäuerin Altötting des Bayerischen Bauernverbands (BBV) eingangs der von Helmut Degenhart moderierten Podiumsdiskussion. Als Wissenschaftler Dr. Einsiedel erklärte, dass die Studie einen ethischen Blick auf die globale Nutzung von Agrarflächen und für integrierte Lösungsansätze von Landwirtschaft, Politik und Gesellschaft warb, wurde es kurz unruhig: „Jetzt muss ich laut werden!“, rief Fritz Seiler, Bauer und Lohnunternehmer aus Rotthalmünster aus dem Publikum Richtung Podium: „Sie reden von Ethik, aber die Ethik der Landwirtsfamilien, die damit zurechtkommen sollen, kommt nicht vor. Er warf Dr. Einsiedel ebenfalls handwerkliche Fehler und mangelnde Transparenz vor. Das wollte dieser nicht auf sich sitzen lassen. Er stehe hier heute Abend in seiner Freizeit – wofür sich auch nicht anfeinden oder als Büttel irgendwelcher Interessen hinstellen lassen wollte.
Mit Verweis auf das offene Plenum nach der Pause beruhigten sich die Gemüter schnell wieder. Schon da wurde aber eines deutlich: Das größte Problem lag gar nicht so sehr bei den Inhalten der Studie selbst, sondern in der Kommunikation. Es habe von Anfang an am Dialog gefehlt, so Kreisbäuerin Eberl: „Man hat uns nicht mit ins Boot genommen, man hat über uns, aber nicht mit uns geredet.“ Womit die Bedeutung eines solchen offenen Diskussionsabends bewiesen war. Ob sich denn die Kirche überhaupt in die Belange der Landwirtschaft einmischen dürfe, wollte Moderator Degenhart dann wissen. „Natürlich“, bekräftigte Josef Schmid, Landesvorsitzender der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) Bayern, „wir reden schließlich über die Schöpfung“. Generalvikar Josef Ederer ergänzte, dass gutes Leben für alle möglich sein müsse und die Kirche einen Auftrag habe, in die Gesellschaft hineinzuwirken – aber auch mit den Eigenbetrieben als Vorbild dienen solle. Er betonte die Dialogverantwortung der Kirche, der er sich nicht entziehen wolle.
Sepp Rottenaicher, langjähriger Umwelt- und Landvolkreferent in der Diözese Passau konnte dem „Blick von oben“ durch die Wissenschaftler viel Gutes abgewinnen. Die KLB jedenfalls fühle sich durch das Papier nicht beleidigt – das Gemeinwohl müsse enkeltauglich sein. Ein Umdenken könne freilich nur Miteinander gelingen und für Veränderungen müsse es bei den Landwirten einen Ausgleich geben. Wie Einsiedel auch forderte Rottenaicher, es müsse mehrere gleichwertige Ziele geben, kein Entweder-oder. „Uns ist es wichtig, dass wir ins Gespräch kommen“, zeigte sich dann auch Kreisbäuerin Eberl kompromissbereit. Man müsse ins Gespräch kommen, bekräftigte Generalvikar Ederer. Er habe keine Angst, dass die Bauern nun massenhaft die Kirche verließen, antwortete er auf eine entsprechende Frage des Moderators. „Wir liegen alle gar nicht so weit auseinander“, so Ederer. Oft handele es sich nur um Nuancen.
Beim abschließenden Podium flammte die Diskussion dennoch wieder ein wenig auf – entlang der oben genannten „Fronten“. Siegfried Jäger, Bezirkspräsident Niederbayern des BBV war den Studienerstellern „einige Denkfehler“ vor und beklagte eine Diskussion von zu weit oben: „Ihr nehmt die Menschen nicht mehr mit“. Immer wieder gehe man auf die Bauern los. In das gleiche Horn blies ein weiterer Besucher, während ein Biobauer aus dem Publikum bekannte: „Mir hat die Studie gutgetan, da beschäftigt sich jemand mit unseren Problemen. Wir Bauern machen uns doch selbst kaputt mit der wachsenden Agrarindustrialisierung.“ Die Strukturen seien doch der Hauptgegner, nicht die katholische Kirche. Und außerdem: „Wir müssen das Spiegelbild auch manchmal aushalten.“ Dem wiederum pflichtete eine weitere Wortmeldung bei – an der Studie sei viel dran, was der Landwirtschaft nutze. Fritz Seiler verlangte zum Schluss der Runde: „Wir brauchen Freiheit, nicht Einengung!“
Es ist dem Bistum Passau, insbesondere Generalvikar Josef Ederer hoch anzurechnen, dass er sich dem Feuer gestellt und Raum für ein besseres gegenseitiges Verständnis gegeben hat mit einer Veranstaltung, die in ähnlicher Form erneut am Donnerstag, 16. Januar 2025 um 19:30 Uhr an der Landvolkshochschule Niederalteich stattfinden soll. Der Dialog müsse weitergehen und wir alle müssten uns auf Veränderungen einlassen, lautete folgerichtig das Fazit des Abends von Moderator Helmut Degenhart. „Gastgeber“ Ludwig Raischl ergänzte verbunden mit einem Dank an die Podiumsteilnehmer, Organisatoren und das Publikum: „Auch, wenn wir nicht alle Probleme gelöst haben – gut, dass wir geredet haben!“ Das taten viele Besucherinnen und Besucher trotz vorgerückter Stunde dann noch länger – miteinander und mit den Experten.
Text: Wolfgang Terhörst