Bistum

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Redaktion am 04.12.2024

Dialog Landwirtschaft Bild: Wolfgang Terhörst

Am Montagabend hatten das Bistum Passau und die Katholische Landvolkbewegung (KLB) zum Dialog mit der Landwirtschaft nach Burghausen eingeladen. Die Vorstellung einer kirchennahen Studie zu Ernährungssicherheit und Klimaschutz hatte unter bayerischen Landwirten für reichlich Unmut gesorgt.

Die Podi­ums­dis­kus­si­on im Haus der Begeg­nung Hei­lig Geist in Burg­hau­sen mit Gene­ral­vi­kar Josef Ede­rer zeig­te, dass der Ärger noch nicht ganz ver­raucht ist. Dabei pfleg­ten die katho­li­sche Kir­che und die Bau­ern­schaft lan­ge Zeit ein fast sym­bio­ti­sches Ver­hält­nis –gel­ten doch die Land­wirts­fa­mi­li­en als treue Kirch­gän­ger und viel­fäl­tig enga­giert in den Pfarr­ge­mein­den vor Ort. So hat­te sich die Kir­che bei den gro­ßen Bau­ern­pro­tes­ten Ende 2020, Anfang 2021 auch klar ihre Unter­stüt­zung signa­li­siert, zum Bei­spiel in einem Offe­nen Brief von Weih­bi­schof Wil­fried Thei­sing gemein­sam mit ande­ren Kirchenvertretern.

Der Schul­ter­schluss hielt bis zum 11. Sep­tem­ber die­ses Jah­res. Da hat­te die Sach­ver­stän­di­gen­grup­pe Welt­wirt­schaft und Sozi­al­ethik der Deut­schen Bischofs­kon­fe­renz in Mün­chen ihre Stu­die Ernäh­rungs­si­cher­heit, Kli­ma­schutz und Bio­di­ver­si­tät: Ethi­sche Leit­li­ni­en für die glo­ba­le Land­nut­zung“ vor­ge­stellt. Sofort koch­ten die Emo­tio­nen hoch und zeig­ten, wie­viel Druck auf dem Kes­sel bei vie­len Land­wir­ten herrscht: Sie bekla­gen unsi­che­re Absatz­märk­te, hohen Kon­kur­renz­druck, nied­ri­ge Prei­se, über­bor­den­de Büro­kra­tie und gän­geln­de Umwelt­vor­schrif­ten. Sofort nach Erschei­nen der Stu­die kur­sier­ten Reiz­wör­ter wie Ent­eig­nung“, Boden­ver­schmut­zung“ oder man­geln­de Nach­hal­tig­keit“ – und beson­ders Land­wirts­frau­en lie­ßen Dampf ab mit der Wei­ge­rung, die Ern­te­dank­al­tä­re in den Kir­chen wie gewohnt zu schmü­cken. Ver­ein­zelt gab es sogar Kirchenaustritt.

Dialog Landwirtschaft
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Bald zeig­te sich jedoch, dass vie­le die Stu­die gar nicht gele­sen oder bes­ten­falls falsch ver­stan­den hat­ten. Auch inner­halb des Land­volks war die Mei­nung zu der Ver­öf­fent­li­chung durch­aus geteilt, was sich auch in Burg­hau­sen zeig­te. Grob lie­ßen sich die Lini­en so zie­hen: Wäh­rend die eine Sei­te die Stu­die als wert­vol­len Impuls für die eige­ne Arbeit und als Wert­schät­zung emp­fand, fühl­te sich die ande­re Sei­te zu Unrecht ver­un­glimpft und von oben her­ab behan­delt. Da hat die Kir­che nicht mit­zu­re­den“, war aus den Bank­rei­hen zu ver­neh­men oder: Das sind schon wie­der Exter­ne, die kei­ne Ahnung haben“. Ange­spro­chen war in die­sem Fall Dr. Ste­fan Ein­sie­del, Lei­ter der For­schungs­pro­jek­te zur sozi­al-öko­lo­gi­schen Trans­for­ma­ti­on“ am Zen­trum für Glo­ba­le Fra­gen der Hoch­schu­le für Phi­lo­so­phie Mün­chen und Mit­ar­bei­ter an der Studie.

Ein­sie­del bemüh­te sich zu Beginn des Abends nach Begrü­ßung der Anwe­sen­den durch Lud­wig Rai­schl vom Haus der Begeg­nung sicht­lich um Ver­sach­li­chung der Dis­kus­si­on, als er die Leit­li­ni­en des Papiers vor­stell­te. Der Exper­ten­text unter­streicht dar­in die Bedeu­tung einer gemein­wohl­ori­en­tier­ten Land­nut­zungs­wen­de. Die Sach­ver­stän­di­gen erläu­tern, wie ein ver­eng­tes Ver­ständ­nis von Effi­zi­enz zu einer pro­ble­ma­ti­schen För­der­po­li­tik bei­getra­gen habe, die teu­er, sozi­al unaus­ge­wo­gen und nicht zukunfts­fä­hig sei. Erfor­der­lich sei eine kon­sens- und lösungs­ori­en­tier­te Zusam­men­ar­beit von Poli­tik, Land­wirt­schaft und Gesell­schaft, um die lebens­not­wen­di­ge Frucht­bar­keit und Funk­ti­ons­fä­hig­keit von Böden zu erhal­ten und zu stei­gern. Aus­drück­lich wird die Posi­ti­on der Land­wir­te für ein aus­kömm­li­ches Wirt­schaf­ten gestützt. Gleich­zei­tig sei aber allen in Gesell­schaft und Poli­tik klar, dass sich etwas ändern müs­se, um die Zukunft der Mensch­heit zu sichern.

Letz­te­res bezo­gen vor allem die kon­ven­tio­nel­len Land­wir­te jedoch ein­sei­tig auf sich. Man las­se sich nicht stän­dig für alles ver­ant­wort­lich machen. Beson­ders erbost habe sie der Vor­wurf einer man­geln­den Nach­hal­tig­keit, beton­te Gabrie­le Eberl, Kreis­bäue­rin Alt­öt­ting des Baye­ri­schen Bau­ern­ver­bands (BBV) ein­gangs der von Hel­mut Degen­hart mode­rier­ten Podi­ums­dis­kus­si­on. Als Wis­sen­schaft­ler Dr. Ein­sie­del erklär­te, dass die Stu­die einen ethi­schen Blick auf die glo­ba­le Nut­zung von Agrar­flä­chen und für inte­grier­te Lösungs­an­sät­ze von Land­wirt­schaft, Poli­tik und Gesell­schaft warb, wur­de es kurz unru­hig: Jetzt muss ich laut wer­den!“, rief Fritz Sei­ler, Bau­er und Lohn­un­ter­neh­mer aus Rott­hal­müns­ter aus dem Publi­kum Rich­tung Podi­um: Sie reden von Ethik, aber die Ethik der Land­wirts­fa­mi­li­en, die damit zurecht­kom­men sol­len, kommt nicht vor. Er warf Dr. Ein­sie­del eben­falls hand­werk­li­che Feh­ler und man­geln­de Trans­pa­renz vor. Das woll­te die­ser nicht auf sich sit­zen las­sen. Er ste­he hier heu­te Abend in sei­ner Frei­zeit – wofür sich auch nicht anfein­den oder als Büt­tel irgend­wel­cher Inter­es­sen hin­stel­len las­sen wollte.

Dialog Landwirtschaft
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Mit Ver­weis auf das offe­ne Ple­num nach der Pau­se beru­hig­ten sich die Gemü­ter schnell wie­der. Schon da wur­de aber eines deut­lich: Das größ­te Pro­blem lag gar nicht so sehr bei den Inhal­ten der Stu­die selbst, son­dern in der Kom­mu­ni­ka­ti­on. Es habe von Anfang an am Dia­log gefehlt, so Kreis­bäue­rin Eberl: Man hat uns nicht mit ins Boot genom­men, man hat über uns, aber nicht mit uns gere­det.“ Womit die Bedeu­tung eines sol­chen offe­nen Dis­kus­si­ons­abends bewie­sen war. Ob sich denn die Kir­che über­haupt in die Belan­ge der Land­wirt­schaft ein­mi­schen dür­fe, woll­te Mode­ra­tor Degen­hart dann wis­sen. Natür­lich“, bekräf­tig­te Josef Schmid, Lan­des­vor­sit­zen­der der Arbeits­ge­mein­schaft bäu­er­li­che Land­wirt­schaft (AbL) Bay­ern, wir reden schließ­lich über die Schöp­fung“. Gene­ral­vi­kar Josef Ede­rer ergänz­te, dass gutes Leben für alle mög­lich sein müs­se und die Kir­che einen Auf­trag habe, in die Gesell­schaft hin­ein­zu­wir­ken – aber auch mit den Eigen­be­trie­ben als Vor­bild die­nen sol­le. Er beton­te die Dia­log­ver­ant­wor­tung der Kir­che, der er sich nicht ent­zie­hen wolle.

Sepp Rot­te­nai­cher, lang­jäh­ri­ger Umwelt- und Land­volk­re­fe­rent in der Diö­ze­se Pas­sau konn­te dem Blick von oben“ durch die Wis­sen­schaft­ler viel Gutes abge­win­nen. Die KLB jeden­falls füh­le sich durch das Papier nicht belei­digt – das Gemein­wohl müs­se enkel­taug­lich sein. Ein Umden­ken kön­ne frei­lich nur Mit­ein­an­der gelin­gen und für Ver­än­de­run­gen müs­se es bei den Land­wir­ten einen Aus­gleich geben. Wie Ein­sie­del auch for­der­te Rot­te­nai­cher, es müs­se meh­re­re gleich­wer­ti­ge Zie­le geben, kein Ent­we­der-oder. Uns ist es wich­tig, dass wir ins Gespräch kom­men“, zeig­te sich dann auch Kreis­bäue­rin Eberl kom­pro­miss­be­reit. Man müs­se ins Gespräch kom­men, bekräf­tig­te Gene­ral­vi­kar Ede­rer. Er habe kei­ne Angst, dass die Bau­ern nun mas­sen­haft die Kir­che ver­lie­ßen, ant­wor­te­te er auf eine ent­spre­chen­de Fra­ge des Mode­ra­tors. Wir lie­gen alle gar nicht so weit aus­ein­an­der“, so Ede­rer. Oft han­de­le es sich nur um Nuancen.

Beim abschlie­ßen­den Podi­um flamm­te die Dis­kus­si­on den­noch wie­der ein wenig auf – ent­lang der oben genann­ten Fron­ten“. Sieg­fried Jäger, Bezirks­prä­si­dent Nie­der­bay­ern des BBV war den Stu­di­en­erstel­lern eini­ge Denk­feh­ler“ vor und beklag­te eine Dis­kus­si­on von zu weit oben: Ihr nehmt die Men­schen nicht mehr mit“. Immer wie­der gehe man auf die Bau­ern los. In das glei­che Horn blies ein wei­te­rer Besu­cher, wäh­rend ein Bio­bau­er aus dem Publi­kum bekann­te: Mir hat die Stu­die gut­ge­tan, da beschäf­tigt sich jemand mit unse­ren Pro­ble­men. Wir Bau­ern machen uns doch selbst kaputt mit der wach­sen­den Agrar­in­dus­tria­li­sie­rung.“ Die Struk­tu­ren sei­en doch der Haupt­geg­ner, nicht die katho­li­sche Kir­che. Und außer­dem: Wir müs­sen das Spie­gel­bild auch manch­mal aus­hal­ten.“ Dem wie­der­um pflich­te­te eine wei­te­re Wort­mel­dung bei – an der Stu­die sei viel dran, was der Land­wirt­schaft nut­ze. Fritz Sei­ler ver­lang­te zum Schluss der Run­de: Wir brau­chen Frei­heit, nicht Einengung!“

Es ist dem Bis­tum Pas­sau, ins­be­son­de­re Gene­ral­vi­kar Josef Ede­rer hoch anzu­rech­nen, dass er sich dem Feu­er gestellt und Raum für ein bes­se­res gegen­sei­ti­ges Ver­ständ­nis gege­ben hat mit einer Ver­an­stal­tung, die in ähn­li­cher Form erneut am Don­ners­tag, 16. Janu­ar 2025 um 19:30 Uhr an der Land­volks­hoch­schu­le Nie­der­al­t­eich statt­fin­den soll. Der Dia­log müs­se wei­ter­ge­hen und wir alle müss­ten uns auf Ver­än­de­run­gen ein­las­sen, lau­te­te fol­ge­rich­tig das Fazit des Abends von Mode­ra­tor Hel­mut Degen­hart. Gast­ge­ber“ Lud­wig Rai­schl ergänz­te ver­bun­den mit einem Dank an die Podi­ums­teil­neh­mer, Orga­ni­sa­to­ren und das Publi­kum: Auch, wenn wir nicht alle Pro­ble­me gelöst haben – gut, dass wir gere­det haben!“ Das taten vie­le Besu­che­rin­nen und Besu­cher trotz vor­ge­rück­ter Stun­de dann noch län­ger – mit­ein­an­der und mit den Experten.

Text: Wolf­gang Terhörst

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Hinweise zur Studie finden Sie bei der Deutschen Bischofskonferenz im Link:

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