Eine kirchennahe Studie zur „Ernährungssicherheit, Klimaschutz und Biodiversität“ sorgte kürzlich für reichlich Unmut bei bayerischen Landwirten. Am 14. Januar hatte der Bayerische Bauernverband nun seine Mitglieder aus den Landkreisen Altötting und Mühldorf zu einem Dialog mit Bischof Stefan Oster nach Marktl am Inn eingeladen. Dieser feierte mit den Bäuerinnen und Bauern einen Gottesdienst in der Pfarrkirche St. Oswald, hörte ihre Anliegen an und stellte sich einer Aussprache.
Viele Köche verderben den Brei, heißt es. In einer komplexen Welt mit sehr vielen, internationalen wechselseitigen Abhängigkeiten gibt es aber keine einfachen Rezepte. Und für diese braucht es vielleicht auch mehr Köche als in vergangenen Zeiten. Das Ergebnis schmeckt nicht allen. Mit diesem Bild lässt sich vielleicht erklären, was in den vergangenen Monaten zwischen den Bauern in Bayern und der hiesigen Kirche passiert ist.
Eine im September 2024 erschienene kirchennahe Studie zur globalen Perspektive für Mensch und Natur nachhaltiger Bodenbewirtschaftung hatte für großen Ärger unter bayerischen Bauern gesorgt. Vor allem die sogenannte konventionelle Landwirtschaft, vertreten im Bayerischen Bauernverband (BBV), sah sich zu Unrecht an den Pranger gestellt als Bodenverschmutzer. Schlagwörter wie „Enteignung“, „Profitgier“ oder „Pflicht zum Wandel“ machten die Runde. Schnell stand nun umgekehrt „die Kirche“ selbst am Pranger. Diese sei ihnen mit der Studie in den Rücken gefallen, so viele Bauern. Dabei trügen doch gerade die Landwirtsfamilien in hohem Maße zum kirchlichen Leben bei.
Um den Unmut besser zu verstehen, hat das Bistum Passau einen Dialogprozess ins Leben gerufen, dessen erste Veranstaltung am 2. Dezember im „Haus der Begegnung Heilig Geist in Burghausen stattgefunden hat“ (siehe www.bistum-passau.de/artikel/dialog-mit-landwirtschaft). Weitere werden folgen. Am Dienstag, 14. Januar hatte nun der BBV seinerseits eine „überregionalen Dialog“ in Marktl am Inn inittiert und dazu auch Diözesanbischof Stefan Oster eingeladen. Etwa 150 Interessierte verfolgten den Austausch, darunter Ehrengäste wie der Bundestagsabgeordnete Stephan Mayer und der Marktler Bürgermeister Benedikt Dittmann. Ziel der Veranstaltung solle es sein, wertschätzend, fundiert und auf Augenhöhe miteinander zu reden. Dem ist der Bischof gerne nachgekommen. Vor allem wollte er erst einmal Zuhören, Hören, was die Bauern so sehr bewegt – ein Prinzip, dass Oster als grundlegend für ein synodales Miteinander in der Kirche betrachtet (siehe www.bistum-passau.de/artikel/vortrag-weltsynode-burghausen). Nur beim Hören ist es dann allerdings doch nicht geblieben, weder in dem internen Vorabgespräch mit BBV-Funktionären, noch in der abschließenden Diskussion.
Dazwischen hatte Bischof Stefan in seiner Predigt beim Gottesdienst mit sechs Konzelebranten in der Taufkirche von Papst Benedikt XVI., musikalisch gestaltet durch den „Bauernchor“ unter der Leitung von Christa Hager, die tiefe Grundlegung der bäuerlichen Arbeit von Beginn der biblischen Schöpfungsgeschichte an betont. Landwirtschaft und Kirche stünden letztlich auf denselben Fundamenten: Schöpfung und Schöpfer. Immer wieder gebe es in der Bibel schöne Zusammenhänge zwischen Gott und dem Menschen, der in seine Schöpfung hineingestellt sei und diese in seinem Auftrag kultivieren dürfe. Schon auf den ersten Seiten des Buchs Genesis heiße es: „Dann pflanzte Gott, der Herr, in Eden, im Osten, einen Garten und setzte dorthin den Menschen, den er geformt hatte“ (1 Mose 2.8). Man könne sagen, so Oster, dass es zum Urbild vom Menschsein und seinem Auftrag gehöre, ein Bauer, eine Bäuerin zu sein. Er sei überzeugt, dass man heute gar nicht Landwirt und Landwirtin sein könne, „wenn man nicht auch Liebe hat zu diesem Beruf und zur Schöpfung, die uns Wachstum und Gedeihen schenkt – bei Pflanzen und Tieren“. Dennoch ringe in jedem von uns der Wunsch nach möglichst großem eigenen Ertrag oder Profit mit dem Pflichtbewusstsein, der Verantwortung zu entsprechen, die uns zumindest als gläubige Menschen auch von Gott übertragen ist.
Zur Wirklichkeit gehört für Bischof Stefan aber auch: „Unsere Welt ist sehr komplex geworden, einfache Lösungen sind eher seltene Ausnahmen.“ Er wünsche sich eine ehrliche Debatte um die großen Fragen globaler Ernährungssicherheit und auskömmlicher Landwirtschaft für die Bauernfamilien in gegenseitigem Wohlwollen. Dafür legte der Austausch nach einem gemeinsamen Mittagessen eine tragfähige Grundlage. Der Bischof betonte, die erwähnte Studie sein kein Papier und schon gar keine Handlungsanweisung der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), sondern einer von inzwischen 23 Beiträgen einer wissenschaftlichen Sachverständigengruppe der DBK-Kommission Weltkirche – als Diskussionsgrundlage oder Impuls für die Entwicklung von Landwirtschaft auf globaler Ebene. „Ich war sehr überrascht, wie das hier in meinem Bistum angekommen ist“, erklärte Oster, zu dem die Studie erst gar nicht durchgedrungen sei. Er wolle auch selbst nicht an Polarisierungsdebatten teilnehmen, zumal es in dem Papier gar nicht konkret um die Landwirtschaft vor Ort gehe, geschweige denn um eine Frontstellung von „konventioneller“ gegen „alternative“ Landwirtschaft – das sei ein „dramatisches Missverständnis“.
Damit allerdings wollten sich die im Marktler Bürgersaal versammelten Bäuerinnen und Bauern nicht ganz zufriedengeben und forderten vom Bischof, er ja eigentlich erst einmal die Anliegen anhören wollte, Antworten ein. Dieser wies Angriffe wie den, die Kirche trete als aggressiver Landkäufer auf, der seine Flächen zu Lasten konventioneller Bauern verpachte, entschieden zurück. Dabei sprang ihm Pfarrer Peter Kieweg aus Ering zur Seite. Ein Zuhörer kritisierte, die Bauern würden durch die Studie als unwissend und dumm hingestellt, während selbsternannte Experten den Praktikern in der Theorie sagten, was sie zu tun hätten. Ein anderer meinte, konventionelle die Landwirtschaft werde durch den Dreck gezogen. Dagegen verwahrte sich Oster abermals, gab aber zu, dass der Praxisbezug in der Studie offensichtlich viel zu kurz gekommen sei. Er jedenfalls sei hochinteressiert an einer Allianz mit der Landwirtschaft und habe den Eindruck, „das ist mehr ein Thema unter euch als von ‚Kirche gegen euch‘“.
Daraufhin wich die anfängliche Schärfe in der Auseinandersetzung seitens der Landwirte schließlich der Überzeugung, für eine gemeinsame Sache einzustehen: den Erhalt und die Pflege von Gottes Schöpfung. Altöttings Kreisbäuerin Gabriele Eberl zeigte sich versöhnlich, Kirche und Landwirtschaft gehörten zusammen und sie sehe viel Positives darin, nun im Dialog zu sein. Altöttings BBV-Obmann Richard Straubinger schloss den Nachmittag mit Worten, die zugleich Appell und Zugeständnis waren: „Wir müssen besser werden. Wenn wir miteinander reden richten wir mehr aus, als wenn wir übereinander reden“. So finden beide Seiten sicher am besten gemeinsame Rezepte für gesellschaftspolitische „Gerichte“, die am Ende allen schmecken.
Text und Fotos: Wolfgang Terhörst
Informationen zur Studie:
Die Studie „Ernährungssicherheit, Klimaschutz und Biodiversität: Ethische Perspektiven für die globale Landnutzung“ der Sachverständigengruppe „Weltwirtschaft und Sozialethik“ betont die Notwendigkeit einer globalen Landnutzungswende, um Ernährungssicherheit, Klimaschutz und Biodiversität gleichermaßen zu fördern. Die Studie bietet eine ethische Reflexion bestehender Problemlösungen und Reformvorschläge im globalen Kontext, jedoch keine agrarpolitische Fachanalyse. Sie plädiert für eine gemeinwohlorientierte Ordnungspolitik, die staatliche Förderung stärker auf gemeinwohlrelevante Leistungen wie Wasserschutz und Artenvielfalt ausrichtet und sogenannte „ökosystemare Dienstleistungen“ angemessen honoriert. Zudem fordert sie eine konsens- und lösungsorientierte Zusammenarbeit zwischen Politik, Landwirtschaft und Gesellschaft, um Nutzungskonflikte zu überwinden und eine nachhaltige Landnutzung zu gestalten.
Statement: Katholische Landvolkbewegung Passau
„Als KLB Passau sehen wir uns als vermittelndes Bindeglied zwischen Landwirtschaft und Kirche. Daher sehen wir es als unsere Aufgabe, einen Dialog zur Landnutzungsstudie zu fördern, Missverständnisse aufzuklären, eine offene Auseinandersetzung mit den Inhalten anzustoßen und den Blick über den eigenen Tellerrand anzuregen.“
Marie-Theres Knab — geschäftsführende Bildungsreferentin
Statement: Stabsstelle Umwelt und Gemeinwohlorientierung
„Aus Sicht der Stabsstelle Umwelt und Gemeinwohlorientierung möchte ich betonen, dass die globale Erwärmung und das Artensterben uns schlichtweg gesamtgesellschaftlich zu einem Umdenken und zu einer Verhaltensänderung zwingen, damit im Sinne der Enzyklika ‚Laudato Si‘ weiterhin gutes Leben für alle möglich ist. Dies betrifft die verschiedensten Lebensbereiche und auch Berufsstände. So widmet sich die Studie berechtigterweise dem Thema Landnutzung und hat dadurch nun einen wichtigen Dialog angestoßen, den wir gerne gemeinsam mit den Bäuerinnen und Bauern führen.“
Verena Holzbauer — Umweltbeauftragte und Klimaschutzmanagerin des Bistums Passau