Beim dritten Dialogabend zur Studie „Ernährungssicherheit, Klimaschutz und Biodiversität: Ethische Perspektiven für die globale Landnutzung“ am 27. Januar bei Tann wurde erneut miteinander über eine zukunftsfähige Landnutzung diskutiert. Als Referent eingeladen war Dr. Stefan Einsiedel, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Studie.
Es war ein äußerst dialogreicher und diskussionsfreudiger Abend im Gasthof Wirtsbauer bei Tann am 27. Januar, zu dem die Katholische Landvolkbewegung (KLB) Rottal-Inn eingeladen hatte. Nach den Dialogabenden in Burghausen und Niederalteich fand dieser als inzwischen dritter in der Reihe von Dialogabenden statt, welche das Bistum Passau seit Dezember letzten Jahres vor dem Hintergrund der kirchennahen Studie „Ernährungssicherheit, Klimaschutz und Biodiversität: Ethische Perspektiven für die globale Landnutzung“ vom September 2024 gestartet hatte. Diese Studie hatte für Unmut v.a. bei vielen konventionellen bayerischen Bauern gesorgt, vertreten im Bayerischen Bauernverband (BBV). Mit dem Dialogprozess will das Bistum jetzt Ziele und Hintergründe der Studie nochmals genau erklären und Missverständnisse klären.
Nach der Begrüßung durch Alfred Hainthaler, Vorsitzender der KLB-Kreisgruppe und Mitglied im Arbeitskreis Landwirtschaft, stellte Dr. Stefan Einsiedel, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Sachverständigengruppe „Weltwirtschaft und Sozialethik“, die Studie nochmals vor. „Grundlegender Gedanke war eine gemeinwohlorientierte Landnutzung.“ Weiter betonte er: „Wir wussten natürlich beim Verfassen der Studie, dass wir keine Experten für Landwirtschaft sind. (…) Sie wurde aber im Interesse der Landwirte geschrieben.“ Ein grundlegendes Problem heutzutage sei die fehlende Kommunikation. In der Gesellschaft würde oftmals nicht mehr über bestehende Probleme miteinander geredet, wodurch oft Missverständnisse und „falsche Leitbilder“ entstünden – so auch in diesem Fall. Dass das Bistum mit diesem Dialogprozess gegensteuert, begrüßte er. „Die Kirche ist einer der wenigen Orte, wo noch miteinander geredet wird.“
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Bei der anschließenden, von Helmut Degenhart moderierten Podiumsdiskussion bezogen dann neben Einsiedel drei weitere geladene Gäste Stellung: Generalvikar Josef Ederer, Stefan Stelzeneder, stellvertretender Kreisobmann Rottal-Inn des Bayerischen Bauernverbands (BBV) und Josef Schmid, Landesvorsitzender des Landesverbands Bayern der Arbeitsgemeinschaft Bäuerliche Landwirtschaft (ABL). Generalvikar Ederer betonte in seinem Statement zur Studie die Dimension einer schöpfungsgerechten Landnutzung: „Die Zusammenhänge hier sind global. Und da müssen wir auch globale Lösungen finden.“ BBV-Kreisobmann Stelzeneder konnte den Unmut vieler Landwirte bezüglich der Studieninhalte gut nachvollziehen: „Immer der Landwirtschaft die Schuld zu geben für den Verlust der Artenvielfalt, finde ich falsch.“ Verständnis für die Studie kam dagegen von ABL-Landesvorsitzendem Schmid: „Ich finde die Studie gut, wenn man sie genau liest. (…) Wir müssen mit ökologischen und sozialen Leistungen wirtschaften lernen.“ Einsiedel ging dann in seinem Statement auf die Schuldfrage ein und betonte: „Wir sind alle mitschuldig am schlechten Zustand unserer Natur. Landwirte sind mitverantwortlich, wie wir alle, aber nicht schuldig. (…) Wir alle haben die Verantwortung, den starken Verlust der Artenvielfalt aufzuhalten!“ Eine Wortmeldung aus dem Publikum kam daraufhin von der Landtagsabgeordneten Mia Goller, die sich enttäuscht von der aktuellen Landwirtschafts- und Klimapolitik zeigte. „Wir befinden uns gerade in einer Situation, in der ich froh bin, dass die Kirche einschreitet.“ Viele weitere Wortmeldungen kamen dann auch noch aus dem Publikum. Ein Teilnehmer meinte: „Wir sind in der Gesellschaft nicht ehrlich zueinander, auch nicht die Landwirte untereinander. (…) Da würde ich mir wünschen, dass der Heilige Geist mal so richtig aufräumt.“
Immer wieder wurde während des gesamten Abends die Wichtigkeit des Miteinanderredens über dieses Thema bekräftigt. „Es wird weitere Dialogforen geben“, gab Einsiedel einen Ausblick. Elementar in diesem Dialogprozess sei das gemeinsame Vorgehen gegen „Scharfmacher“, betonte er, und ein faires Miteinanderreden. Darüber waren sich am Ende alle Podiumsteilnehmer einig. Sie bekräftigten ihren Wunsch auf ein Fortsetzen des Dialogs.
Hintergrund zu Studie und Dialogprozess
Die Studie „Ernährungssicherheit, Klimaschutz und Biodiversität: Ethische Perspektiven für die globale Landnutzung“ der Sachverständigengruppe „Weltwirtschaft und Sozialethik“ betont die Notwendigkeit einer globalen Landnutzungswende, um Ernährungssicherheit, Klimaschutz und Biodiversität gleichermaßen zu fördern. Die Studie bietet eine ethische Reflexion bestehender Problemlösungen und Reformvorschläge im globalen Kontext, jedoch keine agrarpolitische Fachanalyse. Sie plädiert für eine gemeinwohlorientierte Ordnungspolitik, die staatliche Förderung stärker auf gemeinwohlrelevante Leistungen wie Wasserschutz und Artenvielfalt ausrichtet und sogenannte „ökosystemare Dienstleistungen“ angemessen honoriert. Zudem fordert sie eine konsens- und lösungsorientierte Zusammenarbeit zwischen Politik, Landwirtschaft und Gesellschaft, um Nutzungskonflikte zu überwinden und eine nachhaltige Landnutzung zu gestalten.