Auch am zweiten Tag seiner Online-Sommer-Vollversammlung am 12. Juni hat der Diözesanrat des Bistums Passau Ökonomie, Ökologie und weltweite Entwicklungszusammenhänge in den Fokus gestellt. Jesuitenpater Dr. Jörg Alt hat in seinem Impulsvortrag auf gesellschaftliche und wirtschaftliche Zusammenhänge für Ungerechtigkeit hingewiesen. Zudem fand eine Podiumsdiskussion mit Bundestagskandidaten aus den Wahlkreisen des Bistumsgebiets statt.
Auch am zweiten Tag der Online-Sommervollversammlung am 12. Juni hat der Diözesanrat des Bistums die Versammlung unter das Motto „es geht uns besser, wenn es allen besser geht. – Perspektiven für eine gerechtere Welt“ gestellt. Dabei hat Jesuitenpater Dr. Jörg Alt in seinem Impulsvortrag vor allem auf die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Zusammenhänge für Ungerechtigkeit in Deutschland und weltweit hingewiesen. Nach verschiedenen Gesprächskreisen folgte eine Podiumsdiskussion mit Bundestagskandidaten aus den Wahlkreisen des Bistumsgebiet. Dabei wurden vor allem die Themenbereiche Solidarität weltweit, Wirtschaften im Sinne des Gemeinwohls, Soziale Gerechtigkeit am Arbeitsplatz, Teilhabe durch Bildung und die Generationengerechtigkeit beleuchtet. Coronabedingt fand auch dieser Tag für die Politiker und den Vorstand des Diözesanrates im Haus der Begegnung in Burghausen in Präsenz statt und für die weiteren Mitglieder im Onlineformat.
Hinschauen statt Ignorieren, Position beziehen und klare Werte beziehen, Verantwortung übernehmen und handeln – dies sind für Sozialwissenschaftler und Jesuitenpater Dr. Jörg Alt die wesentlichen Handlungsschritte die es nicht nur für die Kirche zu gehen gilt, sondern auch für die Politik, um die Weichen für mehr soziale Gerechtigkeit weltweit zu stellen. Angesichts der Doppelkrise in Kirche und Welt eine große Aufgabe, wie er bemerkte. „Reiche werden reicher, Arme werden ärmer“, so der Jesuit. Viele Menschen befinden sich in einer Sinn- und Wertekrise und die Welt befinde sich in einer Demokratiekrise. Daraus würden Armut, Ungleichheit, Hunger und Krankheit, Migration und Populismus wachsen. „Es ist fünf Sekunden und nicht fünf Minuten vor 12“, so seine Diagnose. Deshalb brauche es eine „moralische Revolution“ mit überzeugten Menschen. Die katholische Soziallehre mit seinen Prinzipien und Normen helfe dabei. Hier müsse man pragmatische das Globale und Lokale in Spannung sehen, so Alt überzeugt. „Es ist unsere Verantwortung als Christen. Welchen Beitrag leisten wir?“ Als Beispiele nannte Alt die humanitäre Hilfe als direkte Solidarität oder die kontrovers geführten gesellschaftlichen und politischen Diskussionen nannte er. „Fangen wir einfach an, zu einer gerechteren und nachhaltigeren Welt beizutragen. Schnallen wir den Gürtel enger zugunsten der Ärmeren. “, so sein Aufruf. „Auch anderswo ist der Heilige Geist“. Die Fragen, die im Chat an Jörg Alt gestellt wurden, beantwortete er ausführlich und wies gleichzeitig darauf hin, dass nicht alles 1:1 an die regionale Situation übertragen werden könne. Er ging auf die Frauenfrage in der katholischen Kirche ein und ist überzeugt, dass das Diakonat der Frau die kirchliche Ordnung nicht stören würde. Dafür gab es von den Mitgliedern eine Zustimmung von 78,26 Prozent. „Es braucht eine vielfältige Kirche“ und gab damit auch ein starkes Plädoyer für den synodalen Weg. Leidenschaftlich wurde Alt beim Thema Flüchtlinge. „Die Flucht ist ein Symptom. Wenn die Ursache nicht behandelt wird, wird es bis 2050 etwa eine Million Flüchtlinge geben. Die Zuwanderung an den EU-Außengrenzen aufzuhalten ist der falsche Ansatz.“ Auf die Frage wie die Trägheit in der Kirche in Begeisterung umgewandelt werden könne antwortete er: „Fragen Sie ihre Enkel. Haben Sie als Ältere den Mut bei den Jüngeren mitzumachen. Suchen Sie die innere Motivation. Fragen Sie sich, wo ihre Stärken sind – versuchen sie nicht die Welt zu retten“, so seine Aufforderung.
Bei der Podiumsdiskussion, moderiert von Christine Krammer (Referat Mission & Weltkirche) und Reinhold Sterflinger (KEB Rottal-Inn-Salzach) kamen die Bundestagskandidaten MdB Stephan Mayer (CSU, Wahlkreis Altötting), Stefanie Auer (Bündnis 90/Grüne, Wahlkreis Passau), MdB (Rita Hagl-Kehl, SPD, Wahlkreis Deggendorf, Freyung-Grafenau) und MdB Eva-Maria Schreiber (die Linke, Wahlkreis Regensburg) zu Wort. Muhanad Al-Halak (FDP, Wahlkreis Deggendorf/Freyung-Grafenau) entschuldigte sich kurzfristig. Bewusst wurden die Diskussionspartner aus den verschiedenen Regionen der Diözese ausgewählt. Alle Kandidaten erhielten die Gelegenheit ihre Ansicht zu den fünf komplexen Themenblöcken darlegen.
Uneingeschränkt einig waren sich alle Gesprächspartner beim Thema Sonntagsarbeit. „Der Sonntag muss arbeitsfrei sein und bleiben“, so alle unisono. Weiterhin waren sich alle einig, dass die Corona-Pandemie für eine gesellschaftliche Entsolidarisierung gesorgt habe. Alt meinte dazu, dass die Pandemie als „Brandbeschleuniger“ gewirkt und sich das Sozialgefüge massiv geändert habe. Er hofft nun auf einen gruppenübergreifenden Rahmen für die vielen Aufbrüche, die es in der Volkskirche durchaus gebe. Besonders in den Fokus wurde das Thema Bildung gesetzt. Stefanie Auer war der Ansicht, dass die Schulen und Universitäten nicht nur als Ort der Wissensvermittlung dienen. Persönliche Begegnungen hätten gefehlt. Rita Hagl-Kehl stellte fest, dass es vor allem die Frauen waren, die Mehrfachbelastungen ausgesetzt waren. Außerdem sei es nun Zeit, wieder Möglichkeiten der Begegnungen wie Zeltlager oder Gruppenstunden zu schaffen. Eva-Maria Schreiber wünschte sich ein durchdachtes Konzept für Schüler, die aus dem Raster fielen und Mayer dankte den Lehrkräften für ihr „überobligatorisches Engagement“. Alt war sich nicht sicher, ob die vom Bund versprochenen Gelder dort ankommen, wo sie sollen. „Es fehlt nicht nur am Geld, sondern vor allem an der sozialen Unterstützung – der Alltagsunterstützung“.
„Sie haben sich alle als Katholiken geoutet. Sie haben sich auf den Weg zur Kirche gemacht, der Kirche von Passau, zu ihren Vertretern. Was wünschen sie sich für die Kirche von Passau und was wünschen sie sich von der Kirche von Passau?“ – so die wohl wichtigste Frage am Ende der Veranstaltung von Reinhold Sterflinger.
So wünschte sich Rita Hagl-Kehl den Ausbau und Zweckfreiheit der verbandlichen Jugendarbeit und mehr Nächstenliebe statt egoistischem Denken. Für Eva-Maria Schreiber ist es wichtig, dass die Jugendarbeit neuen Schwung erhält und das Frauen als Priesterinnen zugelassen werden, auch wenn dies nicht in der Macht des Bistums Passaus stehe. Stefanie Auer möchte die Anerkennung der Vielfalt des Lebens. „Die Kirche soll ein Ort und Anlaufpunkt für Begegnung sein. Maria 2.0 oder die sexuelle Orientierung darf dabei keine übergeordnete Rolle spielen“, so die Grünenpolitikerin. Stephan Mayer möchte, dass sich die Pfarrer wieder stärker der Seelsorge widmen. „Es ist eine große Sehnsucht nach Orientierung, Zusammenhalt und Ausrichtung. Da besteht viel Potential. Es muss auch verlorenes Vertrauen wieder zurückgewonnen werden. Wir haben die größte Krise der Kirchengeschichte“, so Mayer. Alt ergänzte, dass die Nöte der Menschheit erkannt und Respekt vor der Vielfalt gewahrt werden müsse.
Text + Fotos: Christine Limmer