
Zur frühen Morgenstunde hatten sich heute zahlreiche Gläubige und Mitarbeitende des Bistums Passau im Dom eingefunden, um für den Frieden in der Ukraine zu beten. Bischof Stefan Oster rief die Gläubigen am Fest „Maria Schmerzen“, das die Kirche heute feiert, auf, „selbst Menschen des Friedens zu werden, weil wir an den Friedensfürsten glauben.“
Gerade als Christen werde uns durch das Leiden des Herrn am Kreuz, durch das Mitleiden Marias mit ihrem Sohne ein Weg eröffnet wird, „durch den wir Christinnen und Christen in einen tieferen Frieden finden können. Nichts von diesem Leiden hat das letzte Wort. Das Leben siegt“, so der Bischof, der in seiner Predigt über die Prinzipien katholischer Soziallehre, Solidarität, Subsidiarität und Personalität sprach.
Solidarisch, subsidiär und würdig
Solidarisch mit der Ukraine zeigen sich die Menschen, in dem sie beten, spenden, Geflüchtete aufnehmen, wie es auch die Kirche von Passau getan hat und tut. „Aber auch – und das ist ein besonders umstrittener Punkt – indem unser Land Waffen liefert an die Ukraine. Natürlich spüren wir, dass – wenn Waffen geliefert werden – der Krieg auch verlängert wird und damit das Leiden.“ Hier gehe es dann um Güterabwägung, denn eine jede Nation habe auch das Recht, sich selbst gegen Aggressoren zu verteidigen. „Wir erkennen, dass dieser Krieg ein besonders infamer Angriffskrieg war und dass die Ukraine das Recht hat sich zu verteidigen. Und eben darin sind andere Nationen und auch wir in unserem Land solidarisch. In der Hoffnung, dass wir dazu beitragen, dass die Ukraine irgendwann wieder in Frieden und selbstbestimmt – und nicht fremdbestimmt – leben kann“, sagte der Bischof. Subsidiarität bedeute in diesem Fall auch, dass die europäischen Nationen nicht aktiv mit eigenen Truppen, an diesem Krieg teilnehmen – um größere, weltweite Eskalation zu vermeiden. Dafür aber werde die Ukraine materiell vielfach unterstützt, um die Situation militärisch und gesellschaftlich durchzustehen. Personalität bedeute, dass die Würde des Menschen geachtet wird.
„Denn die Würde der Person leidet in einem Krieg am meisten. Krieg ist immer eine Niederlage für die Menschheit.”
Aufgabe der anderen Nationen und ihrer Institutionen sei es deshalb unter anderem, den Schutz der Zivilbevölkerung zu beobachten und Verbrechen an der Zivilbevölkerung irgendwann hoffentlich zu ahnden. Kritik übte Bischof Stefan am Oberhaupt der russisch-orthodoxen Kirche. „Ich halte es für einen dramatischen Missbrauch von Religion, wenn der ostkirchliche Patriarch Kyrill versucht, diesen Krieg auch durch religiöse Argumente zu rechtfertigen. Das ist dramatischer Missbrauch dessen, was wir glauben.“

Frieden unter uns – Versöhnung mit Gott
Bischof Stefan zeigte in seiner Predigt auf, „dass es in unserem Glauben die Möglichkeit gibt, einen Frieden zu finden, der bloßen Waffenstillstand übersteigt.“ Auch wenn dies zunächst paradox erscheinen mag: Jesus, der das grausamste Unrecht und den Tod erleidet, ist der größte Friedensstifter der Welt. „Gerade dadurch eröffnet er eine Tür zur Versöhnung mit Gott. Wir glauben, dass es durch ihn und sein Kreuz die Möglichkeit für uns gibt, auch in den schwierigsten Situationen unseres Lebens in Frieden und in der Verbundenheit zu bleiben.“ Das habe Auswirkungen auf unser alltägliches Miteinander, so der Bischof, der als Beispiel die Werke der leiblichen und der geistigen Barmherzigkeit nannte. Darin sind wir Christen unter anderem aufgefordert, Menschen, von denen man beleidigt wird, zu verzeihen und lästige Menschen, mit denen man sich schwertut, zu ertragen und zu versuchen gerade in ihnen auch das Gute zu sehen. „Wir wollen den Herrn bitten, dass wir dort, wo wir konkret leben und miteinander handeln, immer neu das Gute sehen und Menschen des Friedens werden. Weil wir an DEN glauben, der der Friedensstifter ist.“
Die Europäische Bischofskonferenz hatte angeregt, um das Fest „Kreuzerhöhung des Herrn“, das die Kirche in diesen Tagen feierte, in ganz Europa für den Frieden zu beten. Am Ende des Gottesdienstes waren die Gläubigen zu einer kurzen Anbetung eingeladen.