„Gerufen und gefordert. Kirche in Europa und der Welt“ – unter diesem Leitwort diskutierte der Diözesanrat der Katholiken im Bistum Passau mit hochkarätigen Gästen in der Landvolkshochschule Niederalteich. Der Vorsitzende der EVP-Fraktion im Europaparlament, Manfred Weber und der Pressesprecher der Deutschen Bischofskonferenz, Matthias Kopp, gaben am ersten Tag der Vollversammlung wertvolle Impulse.
Einen grenzüberschreitenden europäischen Katholikentag in Passau brachte Manfred Weber, der Vorsitzende der EVP-Fraktion im Europäischen Parlament, bei der Vollversammlung des Diözesanrats in Niederalteich ins Gespräch. „Wir brauchen den Dialog und ein europäisches Bekenntnis der Kirchen“, betonte der CSU-Politiker. Ein europäischer Katholikentag wäre vor diesem Hintergrund „ein starkes Zeichen“, so Weber. „Und welcher Ort wäre dafür besser geeignet als Passau“, sagte der Niederbayer und signalisierte seine persönliche Unterstützung. Er wollte nicht ausschließen, dass es dafür möglicherweise auch eine Förderung mit EU-Geldern geben könnte.
„Gerufen und gefordert. Kirche in Europa und der Welt“ – so lautete das Oberthema der Frühjahrsvollversammlung in der Landvolkshochschule Niederalteich. Der Vorstand des Gremiums um Vorsitzenden Markus Biber musste gleich zu Beginn improvisieren: Aufgrund des Bahnstreiks konnte Matthias Kopp, Theologe, Archäologe, Publizist und Sprecher der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), nicht aus dem Rheinland anreisen. Er war deshalb via Zoom zugeschaltet. Krankheitsbedingt abgesagt hatte zudem Bischof Stefan Oster.
Doch die verbliebenen Gesprächsteilnehmer legten sich mächtig ins Zeug, um dem Aufruf des bischöflichen Beauftragten des Diözesanrats, Domdekan Hans Bauernfeind, zu folgen: „Wir wollen miteinander Kirche gestalten und Europa und die Welt mitgestalten.“
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DBK-Pressesprecher Matthias Kopp hatte zunächst freilich wenig Erquickliches zu berichten. Er ging auf die Kichenmitgliederuntersuchung ein und ließ keinen Zweifel, dass ihn die Ergebnisse erschüttert haben. Dass 28 Prozent der Katholiken mehr Vertrauen in die evangelische Kirche als in die eigene Kirche haben, belege einen enormen Vertrauensverlust. Dass nur eine Minderheit an einen personalen Gott glaube, sei ein Beleg, dass „wir die Gottesfrage neu stellen müssen“.
Als Rheinländer dem Optimismus verpflichtet, zeigte Kopp freilich auch viel Gutes auf: Katholische Schulen, Einrichtungen, Hilfswerke, Verbände, engagierte Katholiken hätten der Gesellschaft etwas anzubieten. Kirche sei da wahrnehmbar, wo sie in der Gesellschaft Position bezieht, so Kopp. Er erwähnte beispielsweise die Unterstützung in der Flüchtlingshilfe. Seit 2015 hätten die deutschen Katholiken über eine Milliarde Euro dafür bereitgestellt. Aber auch in den hochkomplexen Fragen der Bioethik und des Lebensschutzes hätten Kirchenvertreter eine große Expertise. Kopp lenkte die Aufmerksamkeit auch auf den Heiligen Stuhl, dessen Funktion als Krisenmanager in der Welt zu wenig wahrgenommen werde.
Zum Abschluss seines Statements kam der DBK-Sprecher auf die Erklärung der Bischofskonferenz vom 22. Februar zu sprechen, dass Nationalismus und Kirche unvereinbar seien: „Das war eine einstimmige klare Botschaft!“ Nun müsse sich dieses Dokument freilich in der kirchlichen Praxis bewähren, etwa im Umgang mit AfD-Mitgliedern.
Manfred Weber, der ranghöchste Vertreter des Europaparlaments aus unserer Region, ging zunächst darauf ein, dass die Welt von so vielen Krisen wie selten zuvor durchgerüttelt werde. Er nannte die Kriege in der Ukraine und in Israel, den Klimaschutz, die demografische Entwicklung und die Digitalisierung. „Es verändert sich so viel gleichzeitig, damit sind viele Menschen überfordert“, so Weber.
Als Überthema bezeichnete der EVP-Vorsitzende den Krieg in der Ukraine. Er schilderte, wie er vor fünf Wochen das letzte Mal in Kiew angekommen war, als gerade ein Luftalarm vor anfliegenden Bomben warnte. Es sei ihm im Gespräch mit ehrenamtlichen Helfern an die Nieren gegangen, wie diese schilderten, dass sie ihre Kinder morgens nur noch mit einem Armband mit der Handynummer der Eltern aus dem Haus gehen lassen. „Für den Fall der Fälle, man weiß ja nie.“ Und dennoch sei die überwältigende Mehrheit der Bevölkerung nach wie vor der Ansicht, Freiheit und Demokratie gegen Putins Diktatur verteidigen zu können. „Ich habe die tiefe Sorge, dass Putin in der Ukraine nicht aufhören wird. Er hasst die Art, wie wir leben“, sagte Weber. In einer Situation, die sehr ernst sei, müsse Europa militärisch stärker werden, um die eigenen Werte verteidigen zu können, warnte der Unionspolitiker, auch mit Blick auf die US-Wahl, bei der ein unberechenbarer Donald Trump als Sieger hervorgehen könnte. Die EU habe beim Ukraine-Krieg aber auch gezeigt, dass sie funktioniert: Erstmals in der Geschichte hätten alle 27 Staaten für die Kriegsflüchtlinge aus dem überfallenen Land die Türen geöffnet. Auch die beschlossenen 13 Sanktionspakete gegen Russland seien ein Beleg, dass Europa bei großen Krisen zusammenhält.
Weiteres zentrales Thema für Weber war die Migration. „Wir werden dieses Problem nicht lösen, solange Afrika so arm ist und wir so reich sind“, warnte er vor allzu einfach erscheinenden Lösungsansätzen. Wichtig für ihn sei es, die Balance zwischen Humanität und Ordnung hinzubekommen, um die notwendige Akzeptanz in der Gesellschaft zu finden. Grundpfeiler seien das Asylrecht und die Genfer Flüchtlingskonvention. Er nannte die Einrichtung humanitärer Korridore, die Außensicherung der Grenzen, eine bessere Zusammenarbeit mit „sicheren Drittstaaten“, die Zerschlagung des mafiösen Schlepperbandenmodells als Ansätze.
Beim Thema Klimaschutz bezeichnete es Weber als Erfolgsgeschichte, dass sich alle 27 Staaten der EU verpflichtet hätten, bis 2050 klimaneutral zu werden. „Wir gehen als wohlhabender Kontinent da voran, das muss gelingen.“
Eine massive Herausforderung für alle demokratischen Kräfte nannte Weber den Kampf gegen Fake News und Desinformation in der digitalen Welt. Vor allem russische Propaganda richte hier weltweit viel Unheil an. „Wir schauen da fassungslos drauf“, so Weber. Er ließ keinen Zweifel, dass es hier gesetzliche Rahmenbedingungen geben müsse.
Die von Matthias Kopp geforderte stärkere Einflussnahme der EU beim Konflikt im Nahen Osten konnte der EU-Politiker nicht zusichern. Das Hauptproblem sei, dass der Außenbeauftragte Josep Borrell in Israel aufgrund propalästinensischer Positionierungen nicht willkommen sei. Europa sei in dieser Frage gespalten. Weber ließ in dem Zusammenhang keinen Zweifel, dass es für die EU sehr wichtig wäre, bei außenpolitischen Fragen von der Einstimmigkeit zu einer qualifizierten Mehrheit zu kommen, um handlungsfähiger zu werden.
Auf den Vorwurf aus dem Diözesanrat, er habe in der jüngeren Vergangenheit zunehmend ein konservativeres Profil gezeigt, entgegnete Weber, dass sich die Themen verändert hätten. „Heute geht es darum, wie wir unsere Arbeitsplätze in Niederbayern halten können oder wie wir mit unserem Militär umgehen. Die Themen sind konservativer, härter, bürgerlicher geworden. Die Politik muss auf die Aufgaben von heute Antworten finden.“
Er beendete sein Statement mit einem Plädoyer für Europa: Es gehe bei der Wahl am 9. Juli um die Grundsatzfrage, ob die Staatengemeinschaft wieder den nationalistischen Weg zurück einschlage. „Es geht darum, zu sagen: Wir lassen uns von euch Nazis unser Europa nicht kaputtmachen. Das Erbe, das uns 70 Jahre Frieden und Wohlstand gebracht hat.“
Text: Wolfgang Krinninger
Fotos: Stefanie Hintermayr