Im Kloster Oberzell bei Würzburg wird jedes Monat Weihnachten gefeiert. Das machen die Oberzeller Franziskanerinnen nicht, weil es so schön festlich und heimelig ist. Sie folgen damit dem Auftrag ihrer Gründerin Antonia Werr.
Antonia Werr, 1813 in Würzburg geboren, wuchs daher als jüngstes von sieben Kinder bei ihrer alleinerziehenden Mutter auf. Als Franziskanerin rief sie in Würzburg1855 den Orden der „Dienerinnen der heiligen Kindheit Jesu OSF“ (Ordo Sancti Francisci) ins Leben, um im sogenannten Schlösschen von Oberzell eine „Rettungsanstalt“ für strafentlassene Frauen zu betreiben. Bis heute begleiten die Oberzeller Schwestern, mittlerweile auch in den USA und in Südafrika, junge Frauen in benachteiligten Lebenssituationen.
Antonia Werr lebte und bewirkte all dies in dem Glauben, dass Gott in Jesus Mensch geworden ist. Deshalb feiern die Oberzeller Schwestern auch an jedem 25. eines Monats ein kleines Weihnachtsfest. Es soll sie immer neu daran erinnern, wie verwundbar und ohnmächtig sich Gott in Betlehem gezeigt hat. Deshalb wollen sie sich von der Lebenswirklichkeit der Menschen berühren lassen, die Würde jedes Menschen achten, Frauen eine Stimme geben und zum Neubeginn ermutigen, wie es im Sendungsauftrag des Ordens heißt. Welch wunderbare Deutung der Menschwerdung Gottes!
Die Hinwendung zu den Armen gehört mittlerweile in unserer Gesellschaft zum Weihnachtsfest dazu. Fast täglich flattern Spendenbriefe ins Haus oder laufen Spendengalas im Fernsehen. Mit Erfolg – das Spendenaufkommen in Deutschland ist konstant hoch. So schön es auch ist, wenn an Weihnachten gespendet wird. Das Beispiel der Oberzeller Schwestern will uns daran erinnern, dass Weihnachten immer dann passiert, wenn wir Not um uns herum wahrnehmen und wir uns unseren Mitmenschen zuwenden – auch an den anderen 364 Tagen des Jahres.
Text: Otto Penn