
Mithilfe eines anspruchsvollen 360-Grad-Rundumblicks gab die Landvolkshochschule (LVHS) Niederalteich im Rahmen eines Aktionstages zum Wohl von Mensch und Umwelt Einblick in Möglichkeiten, mit Hilfe des Projekts der Gemeinwohlökonomie (GWÖ) klima- und enkeltauglich zu wirtschaften. Die GWÖ-Graswurzelbewegung basiert auf einer Initiative des rührigen österreichischen Aktivisten und Autors Christian Felber, die er im Jahr 2010 gestartet hat.

Seitdem ist das Basis-Projekt sowohl international als auch in Deutschland und Bayern stark in die Breite gegangen. Peter Ranzinger, im Landkreis Passau für Klimaschutz und Umweltberatung zuständig, gab einleitend einen groben Überblick, wie sich Gemeinwohlökonomie denken lasse: Die GWÖ sei eine internationale Bewegung mit vielen engagierten Menschen, Unternehmen und Gemeinden. Im Zentrum stehe ein zukunftsfähiges Wirtschaftssystem, bei dem es in erster Linie um die Menschen und die Umwelt gehe und nicht nur um den Profit. Um den Beitrag zum Gemeinwohl zu messen, habe die GWÖ die Gemeinwohlbilanz entwickelt. In dieser untersuchen Unternehmen, Gemeinden und Bildungseinrichtungen mithilfe eines Punktesystems, inwieweit sie die Werte Menschenwürde, Solidarität und Gerechtigkeit, ökologische Nachhaltigkeit sowie Transparenz und Mitentscheidung in ihrem Handeln berücksichtigen. Die Werte werden dazu in Bezug zu Zulieferern, Eigentümern, Mitarbeitern, Kunden und der Gesellschaft gesetzt. Je besser der Einsatz für das Gemeinwohl, desto mehr Punkte bekommt eine Organisation. So werde für alle der Beitrag zum Gemeinwohl sichtbar und Konsumenten könnten sich bei Kaufentscheidungen daran orientieren.
Ziel sei es, dass ökologische, ethische und regionale Produkte günstiger und attraktiver werden. Wie das genau aussehen könne, daran arbeite die GWÖ-Bewegung zusammen mit Politik, Unternehmen, Organisationen und der Gesellschaft in einem demokratischen Prozess. Tausende von Menschen in vielen Ländern seien schon dabei und würden sich für die Gemeinwohlökonomie und eine faire Zukunft engagieren. GWÖ sei eine Chance für eine gerechtere Welt und ein Veränderungshebel auf wirtschaftlicher, politischer und gesellschaftlicher Ebene – ganz im Sinne der Bayerischen Verfassung, die davon spreche, dass die gesamte wirtschaftliche Tätigkeit dem Gemeinwohl diene, so Ranzinger. Zwei Berichte aus der Praxis nahmen Kommunen und Unternehmen als potenzielle GWÖ-Zielgruppen in den Fokus.

Der zertifizierte GWÖ-Berater Thomas Mönius erläuterte Feinheiten des Bilanzierungsprozesses am Beispiel des Oberpfälzer Marktes Postbauer-Heng und GWÖ-Aktivist Günter Grzega informierte detailliert über die Gemeinwohl-Bilanz der Sparda-Bank München eG. Standardisierte Grundlage der jeweils organisationsspezifischen GWÖ-Bilanz sei eine ausdifferenzierte „Gemeinwohl-Matrix“, die am Schluss des Prozesses einem externen Audit unterzogen werden müsse, erklärte Mönius. Nachmittags wurden auf einem Markt der Möglichkeiten der Film „Hinterm Deich wird alles gut“ (begleitet von Brigitte Eichinger, Katholische Erwachsenenbildung (KEB) Deggendorf) sowie mehrere Workshops angeboten — untergliedert nach den Zielgruppen Kommunen, Unternehmen und Bürger*innen. Begleitet wurden die Arbeitsgruppen unter anderen von Maria Maidl, Umweltbeauftragte im Bistum Passau. Zum Abschluss gab es ein Podiumsgespräch zwischen Angelika Görmiller von der Katholischen Arbeitnehmer-Bewegung (KAB) Passau, Franz Kies von der Regionalgruppe GWÖ Unterer Bayerischer Wald und GWÖ-Aktivist Günter Grzega, moderiert von LVHS-Direktorin Barbara Schmidt. Zur Sprache kam unter anderem die Aushebelung der sozialen Marktwirtschaft, die Absenkung sozialer Standards und die Privatisierung im kommunalen Wohnungssektor in den vergangenen Jahrzehnten.
Gegengesteuert werden könne beispielsweise über den Weg einer neuen Gemeinwohlorientierung. Mit dem gegenwärtig noch herrschenden Neoliberalismus jedenfalls werde die Welt garantiert gegen die Wand fahren, hieß es. Leider stehe die GWÖ-Regionalgruppe Unterer Bayerischer Wald noch ganz am Anfang ihres Engagements, weil ihre Gründungsphase mitten in die Corona-Krise gefallen sei, erzählte Franz Kies. Man befinde sich deshalb immer noch in der Aufbauphase. Kurzfristig abgesagt hatten die Teilnahme am Podiumsgespräch Dagmar Schmidbauer von den Unternehmerinnen im Dreiländereck und Dr. Josef Sonnleitner, Finanzdirektor im Bistum Passau. Rund vierzig Teilnehmerinnen und Teilnehmer haben sich an dem LVHS-Aktionstag zum Wohl von Mensch und Umwelt am letzten Samstag im Januar beteiligt. Die Veranstaltung wurde in Kooperation mit der Stabsstelle Umwelt und mit dem Diözesanrat der Katholiken im Bistum Passau, mit der KEB im Landkreis Deggendorf, mit dem Landkreis Passau und der Regionalgruppe Gemeinwohlökonomie Unterer Bayerischer Wald durchgeführt.
Text: Schernikau Rüdiger