Im Südturm des Passauer Doms waren heute Spezialisten am Werk um die Belastbarkeit einer Glocke zu testen. Das Problem: die Wucht der Klöppelschläge könnten die Stürmerin – so ihr Name – zum Springen bringen. Die Stürmerin, die drittgrößte Glocke im Passauer Dom, ist deshalb schon seit November verstummt.
Hoch hinaus ging es am Donnerstagmorgen für das Expertenteam von der Hochschule Kempten. Dr. Michael Plitzner, Geschäftsführer des Europäischen Kompetenzzentrums für Glocken, inspiziert zusammen mit Ramona Frick, sie ist Maschinenbauerin und wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Hochschule, die „Stürmerin“ im Südturm des Doms. 214 Stufen sind es bis in den Glockenturm, der Aufstieg ist eine Herausforderung, vor allem mit Ausrüstung. Zwischenstation und kurze Verschnaufpause bei der Pummerin, der größten Glocke im Dom. Die Stürmerin hängt aber noch etwas höher. Die letzten Höhenmeter geht es dann über Leitern. Begleitet wurden die Spezialisten von Rudi Bürgermeister, dem Glockensachverständigen im Bistum Passau. Im Fokus des heutigen Tages – die Stürmerin und der Klöppel der Glocke. Die Stürmerin wiegt rund 5,3 Tonnen — der Klöppel immerhin auch ganze 208 kg.
„Die Stürmerin hat ein schweres Joch, das eigentlich nicht für diese Glocke konstruiert worden ist. Die Glocke ist zudem ziemlich niedrig, das heißt sie hat ein schwieriges Schwungverhalten. Jetzt besteht eben die Gefahr, dass der Klöppel zu stark anschlägt.”
Hier der Radiobeitrag zum Thema:
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Man will herausfinden, inwiefern durch die Wucht, die vom Klöppel beim Aufprall auf die Glocke ausgeht, die Glocke Schaden nehmen, sprich springen könnte. Die Profis von der Hochschule Kempten sind mit modernster Messtechnik ausgestattet. Nach Ausbau des Klöppels wurden Sensoren an der Glocke befestigt, sie sollen die Erschütterungen messen und Rückschlüsse ermöglichen, ob der Klöppel zu heftig zuschlägt und gegebenenfalls ausgetauscht werden muss. Dr. Plitzner und seine Kollegin kommen vom ECC-ProBell – vom Europäischen Kompetenzzentrum für Glocken. Dieses wurde von der Hochschule Kempten eigens für die Forschung an Glocken eingerichtet. Im Rahmen eines europäischen Forschungsprojektes hat das Kompetenzzentrum umfangreiche Messtechnik, Computer sowie Analyse- und Simulationsprogramme beschafft und entwickelt. Diese werden in laufenden Projekten zusammen mit den erforderlichen Daten zur Festigkeit von Glocken genutzt. Das Spektrum umfasst aber z.B. auch die Messung der Beanspruchungen und Ermittlung des Schadensrisikos läutender Glocken, oder die Optimierung der Läutebedingungen, bis hin zu Klang- und Schalldruckmessungen sowie auch Schwingungsmessungen an Gebäuden und Kirchtürmen – kurz um: echte Experten und genau richtig für den Job in Passau. Interessantes Detail: wenn der Klöppel auf die Glocke trifft, wirkt eine Beschleunigungskraft von bis 400 G – beim Raketenstart sind es im Vergleich ca. 10 G.
„Einen neuen Klöppel braucht es zunächst nicht. Die Läutebedingungen sind so eingestellt, dass ein schonendes Läuten möglich ist. Ein Problem das sich darstellt ist die Aufhängung des Klöppels, die führt zu unregelmäßigen Anschlägen und die haben teils eine zu hohe Intensität.”
Die Messungen dauerten bis in den Nachmittag hinein, hier war ein weiterer Experte vor Ort. Rudolf Perner von der Passauer Glockengießerei Perner. Mit den genauen Ergebnissen und der vollständigen Auswertung der Messdaten ist erst in ein paar Wochen zu rechnen. Aber eine erste Einschätzung konnte der Fachmann bereits geben. Die gute Nachricht: einen neuen Klöppel braucht es zunächst nicht. „Die Läutebedingungen sind so eingestellt, dass ein schonendes Läuten möglich ist. Ein Problem das sich darstellt ist die Aufhängung des Klöppels, die führt zu unregelmäßigen Anschlägen und die haben teils eine zu hohe Intensität“, so der Experte Dr. Plitzner. Jetzt werden alle Daten ausgewertet und dann das weitere Vorgehen bezüglich der Klöppelaufhängung besprochen.