
Der Diözesanrat des Bistums Passau nahm zum Auftakt seiner Herbst-Vollversammlung am 11. Oktober das Thema Armut in den Blick. Das Gremium besuchte am Abend gezielt verschiedene Dienste in Passau, wo Mitarbeitende von ihrer Arbeit mit Betroffenen berichteten.
Die Bahnhofsmission, die Passauer Tafel und die Obdachlosen-Herberge im Konradinum, die Schuldnerberatung und die Agentur für Arbeit im Pfarrzentrum St. Matthäus: Diese Einrichtungen besuchte der Diözesanrat des Bistums Passau am ersten Tag seiner diesjährigen Herbst-Vollversammlung am 11. Oktober. In drei Gruppen von je rund 20 Personen begaben sich die Gremienmitglieder auf die Spuren der Armut in Passau. „Armut in unserer reichen Gesellschaft“ lautete das Thema der Vollversammlung dieses Mal, das unter das Motto gestellt wurde: „…das habt ihr mir getan! – Arme.Reiche.Kirche.“ Armut sei schließlich längst nicht nur mehr ein Thema in Entwicklungsländern, Kriegsgebieten und dergleichen, erklärte Diözesanratsvorsitzender Markus Biber zum Hintergrund des gewählten Themas beim Rundgang. Längst sei sie auch hier in unserem Wohlstandsland Deutschland angekommen. Und: „Seit Corona ist besonders auffällig, dass die Zahl der Hilfsbedürftigen steigt.“
Bahnhofsmission Passau
So machte man sich nach dem nachmittäglichen Konferenzteil und dem anschließenden Abendessen auf den Weg in die Passauer Innenstadt zur ersten Station, der Bahnhofsmission am Bahnhof. Deren Leiterin Angelika Leitl-Weber gewährte hier einen Einblick in ihre Arbeit mit verarmten und hilfsbedürftigen Menschen, welche die sozialen Räume der Einrichtung tagtäglich aufsuchen. „Diese werden inzwischen sehr oft aufgesucht. Wir sind sehr niederschwellig und daher in Passau sehr begehrt. Genau diese Niederschwelligkeit macht uns in der Bahnhofsmission auch aus. Die Menschen können ohne Termin und Vorarbeit einfach kommen und sich bei uns Hilfe holen“, erklärte die erfahrene Leiterin, die ihrer Tätigkeit nun schon seit knapp 20 Jahren nachgeht. Sie verwies aber zugleich auf die Grenzen der Einrichtung: „Die Bahnhofsmission ist eine Weitervermittlungsstelle, beispielsweise zur Caritas, die verschiedenste Dienste und Hilfen anbietet.“ Ein Großteil der Menschen, die hierherkämen seien mit 70 – 80 Prozent Drogenabhängige und Alkoholiker, aber auch immer mehr Frauen und auch Kinder, so Leitl-Weber. Sie alle würden hier sowohl mit alltäglichen Dingen wie beispielsweise Kaffee, Zeitung, Verbandsmaterial etc. versorgt, bekämen aber auch bürokratische Unterstützung. „Ich übernehme sehr oft die Rolle der Betreuerin, wenn in bürokratischen Angelegenheiten wie beispielsweise Anträgen wieder etwas nicht läuft“, so Leitl-Weber.
Allein sei sie bei all dem nicht; sie habe ein 14-köpfiges Team hinter sich, davon acht Ehrenamtliche. Und ohne dieses Teamwork ginge es nicht, betont Leitl-Weber. Denn sie habe den Eindruck, Armut werde mehr und mehr Thema hier in Deutschland; das würden die Zahlen zeigen: „Allein heute hatten wir in unserer Öffnungszeit von 7 bis 17 Uhr 160 Kontakte. Das ist schon enorm für eine Kleinstadt wie Passau.“ Die Zahl von rund 25.000 Kontakten im letzten Jahr werde heuer, so Leitl-Weber, wohl weit überschritten. Viele der Hilfsbedürftigen kämen regelmäßig hierher; die Bahnhofsmission werde ganz oft zu einer Art Ersatzfamilie. „Die Menschen haben bei uns einen Schutzraum, auch Schutz vor der Gesellschaft draußen“, betonte die Einrichtungsleiterin. Auf die Frage der Finanzierung, gerade vor im Hinblick auf die steigende Zahl hilfsbedürftiger Menschen, antwortete sie: „Träger ist die Caritas, aber wir sind auf Spenden angewiesen.“ Abschließend verwies sie noch auf den zweiten Tätigkeitsbereich der Einrichtung, den Hilfen am Bahnsteig, wenn beispielsweise ältere Menschen Hilfe beim Ein- und Aussteigen benötigen. Schwerpunkt aber seien die sozialen Räume, betonte Angelika Leitl-Weber schließlich, bevor sie die Gruppe verabschiedete. Betroffen, teils überrascht und teils auch traurig gestimmt zeigten sich nach diesem Besuch viele. Diözensanratsvorsitzender Markus Biber meinte: „Ich bin bedrückt, wie viele Menschen Armut hier auf verschiedenste Weise betrifft und wie viele sich hier Hilfe holen müssen.“
Passauer Tafel und Obdachlosen-Herberge
Nächste Station war dann die Passauer Tafel und die Obdachlosen-Herberge im Konradinum der Caritas, wo man zuerst die Suppenküche besuchte. Agnes Stefenelli von der Gemeindecaritas meinte bei der Begrüßung der Gruppe zwar, sie selbst habe keinen direkten Kontakt zu den Hilfsbedürftigen hier, sei aber mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Konradinums in Kontakt. „Armut hat sich vor allem in den letzten Jahren definitiv verstärkt. Das zeigt sich auch an den steigenden Beratungsbedarfen.“ Die Hilfsangebote hier, so Stefenelli, seien aber im Gegensatz zur Bahnhofsmission sehr differenziert und vielfältig und auf die jeweiligen Bedürfnisse der Menschen zugeschnitten, denen man ihre Armut oft aber nicht direkt ansehe: „Oft haben die Menschen versteckte Nöte und schämen sich auch dafür, was sie gerade durchleben.“ Für viele beginne dann die Abwärtsspirale, so Stefenelli, denn „wer in einer schwierigen Lebenslage ist, rutscht meistens noch weiter nach unten.“
Rund 50 Menschen kämen zum Essen täglich hierher in die Suppenküche, viele davon von der Bahnhofsmission, aber auch viele andere und auch Kinder. Zur Obdachlosen-Herberge erklärte sie, dass Menschen hier bis zu sieben Nächte pro Monat übernachten könnten und im Falle eines weiteren Bedarfs an andere Dienste weitervermittelt würde. In der Passauer Tafel bestätigte Stefenelli dann erneut die steigende Armutsproblematik und betonte: „250 Haushalte werden hier pro Woche versorgt!“ Betroffenheit bei der Gruppe herrschte, wie schon in der Bahnhofsmission, auch hier. Markus Biber meinte schließlich: „Ich bin selbst sehr überrascht von den Zahlen, dass hier pro Woche rund 600 Menschen versorgt werden und eine Warteliste desselben Ausmaßes existiert. Das stimmt mich einerseits schon traurig, dass es das bedarf. Andererseits bin ich aber sehr froh und dankbar, dass wir als Kirche eine solche Einrichtung wie die Tafel haben.“

Schuldnerberatung und Agentur für Arbeit
Als letzte Stationen machte sich die Gruppe dann noch zur Schuldnerberatung und der Agentur für Arbeit im Pfarrzentrum St. Matthäus auf, bevor man den Abend schließlich mit einem ökumenischen Nachtgebet in der St.-Matthäus-Kirche ausklingen ließ.