Nicht immer ist Diakon Günther Jäger vor Ort, dennoch ist er im Herzen immer auf der griechischen Insel und mit seinen Freunden Katarina und Nikos von der lokalen Hilfsorganisation „Home for all“ in Verbindung. Die Nachrichten, die er derzeit erhält, sorgen ihn sehr. „Es geht immer einen Schritt in Richtung Verbesserung voran und auf der anderen Seite immer wieder mal drei Schritte zurück“, bedauert er.
„Die Situation ist prekär. Alle Geflüchteten, die einen positiven Asylbescheid erhalten haben oder zwei Ablehnungen, werden ab sofort von den staatlichen Stellen nicht mehr versorgt. Das heißt, dass sie kein Essen und kein Geld mehr erhalten. Wie lange sie noch im Camp bleiben (dürfen) ist noch nicht entschieden“, fasst er es zusammen. Betroffen seien derzeit etwa 500 Menschen, darunter viele Kinder, Frauen, Schwangere und alte Menschen, die sich selbst nicht helfen können.
Er kritisiert diese Art menschenverachtender Behandlung auf das Schärfste. „Sogar die schlimmsten Kriminellen im Gefängnis bekommen Essen. Es ist für mich ein Verbrechen, Menschen wegen Hunger zur Umsiedlung zu zwingen. Wo sollen sie denn ohne Geld hin? Auf die Straße? In die Wälder? Zurück ins Meer? Es gibt keinen Plan für sie, sie kennen keine Unterstützer. Es gibt für sie keine Wohnungen oder Hilfe durch Behörden. Sie sind auf sich allein gestellt“ so Jäger, der sich mit seiner Frau Uschi leidenschaftlich für die Geflüchteten einsetzt und ihnen immer wieder Hoffnung macht. „Leider dürfen wir von unserer Organisation das eigene gesunde und immer frische Essen nur an vulnerable Personen ausgeben. Das heißt, an Menschen, die an einer Krankheit leiden, die Diät halten müssen und damit das Essen gerechtfertigt ist“, erklärt Jäger. Alle anderen Lagerbewohner — es wohnen etwa 3000 Menschen im Lager Kara Tepe — haben bisher ihr Essen ausschließlich von einem staatlichen Catering erhalten. „Es bekommen dieses magere Essen jetzt nur noch Menschen, die sich im Asylverfahren befinden“, bedauert Jäger. „Eine staatlich ausgegebene Tagesportion besteht aus drei Litern Wasser, einem Fladenbrot, einer Portion Reis, Nudeln oder Kartoffeln mit Hähnchen und Gemüse, sowie Käse. Die Menge ist ausreichend aber oft von zweifelhafter Qualität“, so Jäger’s Erfahrungen.
Wir versuchen nun mehr Lebensmittel und Mahlzeiten an die Zentren außerhalb des Camps zu verteilen, verspricht der Diakon, dem die Menschen auf Lesbos ans Herz gewachsen sind. Denn noch immer zählt sein Leitspruch von Papst Franziskus: „Geht an die Ränder“. Das dieser Rand nun eher einem Abgrund für viele Menschen, die aus einem Krisengebiet kommen und Schutz suchen, gleicht, erschüttert ihn zutiefst.
„Wir hoffen nun, dass die kranken Menschen, die Menschen, die verschiedene Zentren und Schulen der Stadt Mytilini besuchen, diese Mahlzeiten erhalten können.“ Hier arbeiten wir auch mit anderen NGO’s eng zusammen.
Auch in einer gesonderten Unterkunft, etwas entfernt vom Camp Kara Tepe sind 30 geflüchtete Mädchen zwischen 12 und 18 Jahren untergebracht. „Es sind Kinder, die von zuhause weggeschickt wurden, um einer Zwangsheirat oder anderen Repressalien zu entgehen. Auch sind Kinder dabei, die ihre Eltern auf der Flucht verloren haben.“ Auch hier sei die Versorgung äußerst mangelhaft. „Die Tagesration ist ein trockenes Stück Brot, etwas Käse und eine Tomate. Wie kann man so überleben?“ fragt er und ist enttäuscht von der Regierung.
Diese Sorgen und den unglaublichen Verstoß gegen die Menschenrechte brachte er unlängst bei Klaus Steiner dem Abgeordneten des Bayerischen Landtags vor und hofft auf Unterstützung.
„Wir werden handeln, aber auch die Politik muss handeln. Europa darf so etwas nicht hinnehmen, auch meine Kirche sehe ich hier gefordert. Ich sehe es als Auftrag und hoffe auf viele Spenden, damit man diesen Menschen den Hungertod ersparen kann.“
Als Sofortmaßnahme wurde von Support International, die zweite Hilfsorganisation für die Günther Jäger arbeitet, 1500 Euro an die Partnerorganisation „Home for all“ überwiesen, damit die Versorgung der Minderjährigen für etwa fünf Wochen gewährleistet ist, informiert Jäger.
Im Juli, so hat er sich vorgenommen, besucht er wieder die griechische Insel und will erneut mit anpacken.
Text: Tine Limmer
Spendenadresse:
Support International e.V.
Volksbank Freiburg
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BIC: GENODE61FR1Kennwort: Lesbos