Bischof Dr. Stefan Oster SDB sprach in der Jahresschlussandacht am 31.12.2022 über die Gottesfurcht und stellte die Frage nach der Bedeutung von Identität in der heutigen Zeit und für das Leben eines Christen. Außerdem wurde des verstorbenen Papstes em. Benedikts XVI. gedacht.
Ausgehend von der Lesung des heutigen Abends hat der Passauer Bischof Stefan Oster in der Jahresschlussandacht die Frage nach der Bedeutung der Gottesfurcht für das Leben eines Christen gestellt. Vor zahlreichen Gläubigen im Stephansdom sagte der Bischof, dass ohne die richtig verstandene Furcht Gottes die Mitte des christlichen Glaubens verloren zu gehen drohe: „Die Schrift sagt immer und immer wieder, dass Gottesfurcht der Anfang der Weisheit ist. Und dass sie zum tieferen Verstehen Gottes führt. Natürlich heißt das nicht, dass Gott jemals vollständig begreifbar wäre. Aber es heißt, dass wir von Gott so viel erkennen können, dass durch dieses Verstehen unser Leben verändert werden und dass es gelingen und sinnvoll und tief werden kann.“ Gottesfurcht schließe die Erkenntnis der Größe Gottes mit ein: „Die Bibel ist also einmal unmissverständlich darüber, dass Gottes Majestät und Herrlichkeit jenseits von allem Vorstellbarem ist. Er ist so viel erhabener, so viel heiliger, dass wir davon kaum eine Vorstellung haben. Aber gerade diese Einsicht ist schon eine Einsicht, die uns weiterhilft. Er ist Gott und ich nicht.“
„Die Schrift sagt immer und immer wieder, dass Gottesfurcht der Anfang der Weisheit ist.”
Der gottesfürchtige Mensch finde seine Identität darin, ein geliebtes Kind des göttlichen Vaters zu sein. Das mache ihn weniger anfällig für eine ideologische Verabsolutierung von Identität und Identitäten, wie sie in rechten wie linken Strömungen der Gegenwart begegne, gab der Bischof zu bedenken. Auch der christliche Glaube sei ideologieanfällig und laufe Gefahr, in einen banalen Humanismus oder in eine überfordernde Überhöhung von Dogma und Moral zu verfallen, wenn ihm seine Mitte, die in der Gottesfurcht erkannte Liebe des Vaters, verlorengehe.
Christen, die aus der Liebe lebten, seien imstande, dem derzeitigen gesellschaftlichen Klima etwas entgegenzusetzen: Sie müssten nicht bekämpfen, polarisieren und emotionalisieren. Ohne alle anderen Identitäten für vollgültig halten zu müssen, könnten sie aus der Ehrfurcht gegenüber und der Liebe zu Gott heraus jeden Menschen achten. Christen trage schließlich – bei der Anerkennung aller gegenwärtigen Schwierigkeiten – eine grundlegende Zuversicht: „Mitten darin, mitten in einer so herausfordernden Zeit, liebe Schwestern und Brüder, sind wir Christen gerufen, Zeuginnen und Zeugen der Hoffnung und der Liebe zu sein“, so Oster.
„Mitten darin, mitten in einer so herausfordernden Zeit sind wir Christen gerufen, Zeuginnen und Zeugen der Hoffnung und der Liebe zu sein.”
Zu Beginn seiner Ansprache ging der Passauer Bischof auf den Tod des emeritierten Papstes Benedikts XVI. ein. Die Nachricht habe ihn nach dem Verfassen seiner Ansprache erreicht. Vieles von dem, worauf es ihm ankomme, sei aber im Sinne des theologischen Vermächtnisses des bayerischen Papstes. Seine Ausführungen seien deshalb auch als Würdigung des Verstorbenen zu verstehen. Benedikts wurde auch zu Beginn der Andacht sowie im Jahresrückblick und bei den Fürbitten gedacht. Am Ende der Andacht wurde vor dem ausgesetzten Allerheiligsten für den Verstorbenen gebetet.