Kirche vor Ort

Jeder kleine Fortschritt ein Weihnachtsgeschenk

Redaktion am 23.12.2024

DSC 9540 Bild: Tine Limmer
Eine Trachealkanüle ist für den fast dreijährigen Konrad lebensnotwendig und ermöglicht ihm das Atmen. (Bild: Tine Limmer)

Konrad Thieme ist ein aufgeweckter kleiner Junge, der demnächst drei Jahre alt wird. Er liebt Landmaschinen, Bücher und Malen. Doch hat er in seinen noch jungen Jahren schon mehr Zeit im Krankenhaus verbracht als andere und hat mehr als einmal Glück im Unglück gehabt.

Auf den ers­ten Blick wirkt Kon­rad wie jedes ande­re Kind auch, ist ein biss­chen zar­ter, aber nicht weni­ger auf­ge­weckt und mun­ter. Gera­de sind sie aus dem Wald gekom­men, ein Christ­baum muss zu Weih­nach­ten geholt wer­den. Doch den rich­ti­gen hat Georg Oster­mai­er, Kon­rads Papa, in sei­nem Wald­stück noch nicht entdeckt. 

Jetzt geht es wie­der ins Haus. Der fast Drei­jäh­ri­ge geht vor­an und bei nähe­rem Hin­schau­en sieht man, dass sich eine Atem­hil­fe an sei­nem Hals befin­det – eine soge­nann­te Tra­che­al­ka­nü­le. Die ist für ihn lebens­not­wen­dig und ermög­licht ihm das Atmen. Er hus­tet und Mama Anni­ka greift rou­ti­niert zum Absaug­ge­rät und macht die Kanü­le wie­der sau­ber. Dann geht es wei­ter zum Spie­len – nicht ohne noch vor­her ein Plätz­chen in den Mund zu ste­cken. Er ruft nach sei­ner Schwes­ter Til­da (ein Jahr), zählt Far­ben, Zah­len und Buch­sta­ben auf – mit dün­ner Stim­me, aber verständlich. 

Das war nicht immer so. Und dass das momen­tan so gut geht, nennt Georg ein gro­ßes Wunder.

Ursache: eine kleine verschluckte Batterie

Wunsch­kind Kon­rad ist im Febru­ar 2022 zur Welt gekom­men. Eine glück­li­che Bil­der­buch­fa­mi­lie auf einem klei­nen Bau­ern­hof bei Wald/​Alz. Doch alles änder­te sich am 16. Novem­ber 2022 – ein Tag den die bei­den wohl nie ver­ges­sen wer­den. In einem unbe­ob­ach­te­ten Moment hat der klei­ne Mann eine Knopf­zel­le auf dem Schreib­tisch gefun­den und ver­schluckt. Dass es eine klei­ne Bat­te­rie war, die alles aus­ge­löst hat, haben wir zuerst nicht gewusst – erst zehn Tage spä­ter, wur­de die Ursa­che gefun­den, so erin­nert sich Georg. Schwer hat der Bub geschnauft, aber wir waren krank – hat­ten Coro­na. Not­ruf-Kran­ken­haus Alt­öt­ting: dort gin­gen die Ärz­te von einer Lun­gen­ent­zün­dung aus. Die woll­te aber nicht abhei­len“, so Anni­ka, die ihrem Kind nicht von der Sei­te gewi­chen ist. 

Zehn Tage hat sich die klei­ne Bat­te­rie in der Spei­se­röh­re befun­den und dort gro­ßen Scha­den ange­rich­tet. Ein Drit­tel der Luft­röh­re, zwei von sechs Zen­ti­me­tern sind kaputt. Ein münz­gro­ßes Loch hat sich gebil­det und eine Ver­bin­dung von der Luft- zur Spei­se­röh­re ent­stand, durch die Ver­ät­zung, die sich durch den Strom­fluss rund um die Bat­te­rie gebil­det hat“ erklärt Georg.

Die Ärz­te waren rat­los, ver­leg­ten das neun Mona­te alte Kind in die Pas­sau­er Kin­der­kli­nik. Auch dort gab es vie­le kri­ti­sche Näch­te und die Knopf­zel­le blieb wei­ter­hin unent­deckt. Es gab die eine Nacht, in der es so ernst wur­de, dass mein Kind mit dem Hub­schrau­ber als Inten­siv­ver­le­gung in die Uni­kli­nik Regens­burg geflo­gen wur­de. Da bin ich mit dem Zug nach­ge­reist. Georg muss­te wegen sei­ner Coro­na­in­fek­ti­on zuhau­se blei­ben“, erin­nert sich Anni­ka an die ban­gen Stunden. 

Zehn Tage nach dem unbe­merk­ten Unfall hat eine Regens­bur­ger Ärz­tin am ers­ten Advent 2022 die Bat­te­rie in Kon­rads Hals ent­deckt und ent­fernt. Die Schä­den, die sie ver­ur­sacht hat­te, waren enorm, das Über­le­ben gro­ßes Glück. Eine unmit­tel­ba­re OP war nicht mög­lich, guter Rat teu­er um das Loch zu schlie­ßen. Eine sorg­fäl­ti­ge Pla­nung war für die schwie­ri­ge Rekon­struk­ti­on nötig. Eine sehr kom­pli­zier­te Haut­ver­pflan­zung erfolg­te. Ein Haut­fli­cken samt Blut­ver­sor­gung wur­de aus der Schul­ter des Kin­des ent­nom­men und so zwi­schen die Orga­ne genäht, dass sie wie­der dicht sind und Bak­te­ri­en nicht mehr von der Spei­se- in die Luft­röh­re gelan­gen können.

Konrad kann inzwischen vieles mit Appetit essen.

Nach wei­te­ren zwei Wochen ver­such­te das Behand­lungs­team das Klein­kind aus sei­nem künst­li­chen Koma zu holen. Das Atmen auf nor­ma­lem Weg war jedoch nicht mög­lich, sodass eine dau­er­haf­te Atem­hil­fe ange­legt wur­de. Bleibt ein Hirn­scha­den durch die Sau­er­stoff­un­ter­ver­sor­gung? Georg und Anni­ka wis­sen inzwi­schen, dass das nicht der Fall ist. Immer wie­der gab es Zei­ten des Hof­fens und Ban­gens, Unsi­cher­heit, Depres­si­on, Her­aus­for­de­rung, Anspan­nung, Ver­zweif­lung und Über­for­de­rung. Doch es ging auf­wärts, sodass eine Reha in Vog­tareuth durch­ge­führt wur­de. Dort lern­ten die Eltern, ihr Kind mit den gan­zen Schläu­chen und deren Hand­ha­bung zu ver­sor­gen. Kon­rad erhielt geziel­te Kran­ken­gym­nas­tik, Ergo­the­ra­pie. Nach mehr als vier Mona­ten – von einem Kran­ken­haus zum ande­ren ging es für Kon­rad und sei­ne Mama, die ihm nie von der Sei­te wich, wie­der nach Hause.

Bei einem Kon­troll­ter­min folg­te der nächs­te Schock für die Eltern: Die Kehl­kopf­ner­ven, die für das Öff­nen der Stimm­lip­pen und somit für eine nor­ma­le Atmung uner­läss­lich sind, funk­tio­nie­ren nicht mehr. Vie­le Arzt­ge­sprä­che folg­ten, um das wei­te­re Vor­ge­hen zu bespre­chen, guter Rat war teu­er und nicht vor­han­den. Nach dem Mot­to Kommt Zeit, kommt Rat“ ging es wie­der nach Hau­se, der Som­mer und Herbst mit vie­len wei­te­ren Kran­ken­haus­auf­ent­hal­ten – dies­mal in Traun­stein — ver­ging. Die Spei­se­röh­re ver­eng­te sich immer wie­der, wodurch das Essen sehr schwie­rig wur­de. Alle zwei Wochen muss­te die­se in Voll­nar­ko­se auf­ge­dehnt wer­den. Spä­ter waren Behand­lun­gen der Spei­se­röh­re in der Münch­ner Hau­ner­schen Kli­nik ange­setzt und das Essen funk­tio­niert nun immer bes­ser. Kon­rad kann inzwi­schen vie­les mit Appe­tit essen. Am liebs­ten mag er Toast­brot mit Leber­wurst, Pil­ze, Knö­del, Fisch oder Tor­tel­li­ni. Was er noch zu wenig isst, bekommt er über die Son­de durch sei­ne Bauch­de­cke, aber auch die kann in abseh­ba­rer Zeit wie­der ent­fernt wer­den, so Georg.

Wie ein Wunder

Vor weni­gen Tagen waren die Eltern mit ihrem Kon­rad wie­der ein­mal in der Uni­kli­nik Regens­burg für Unter­su­chun­gen. Wie ein Wun­der erschien es den Eltern, als der behan­deln­de Pro­fes­sor berich­tet, dass sich Kon­rads Stimm­lip­pen wie­der mini­mal bewe­gen. Die Stimm­bän­der sind nicht ver­letzt, sind elas­tisch und wer­den jetzt völ­lig uner­war­tet wie­der von den not­wen­di­gen Ner­ven ange­steu­ert. Das hat der Arzt noch nie gese­hen“, freu­en sich die Eltern. Noch längst ist es nicht so, dass der Zwei­jäh­ri­ge nun schon auf nor­ma­lem Wege atmen könn­te, doch es beseht neue Hoff­nung, dass sich die Ner­ven mit der Zeit wei­ter rege­ne­rie­ren. Das ist die Vor­aus­set­zung für ein nor­ma­les Atmen in der Zukunft und das schöns­te Weih­nachts­ge­schenk über­haupt“, freu­en sich die beiden. 

Seit Sep­tem­ber geht Kon­rad in die Kita in Wald. Doch vie­les wäre nicht mög­lich, wäre da nicht der ambu­lan­te Kin­der­in­ten­siv­pfle­ge­dienst InCor­des aus Tacher­ting, der den Jun­gen nachts betreut und ihn die Lot­te-Ehr­hardt Bil­dungs­aka­de­mie in Wald beglei­tet. Der Kon­rad liebt die Kita und geht schon rich­tig ger­ne dort hin. Die ande­ren Kin­der haben kein Pro­blem mit ihm“, freut sich Annika.

Man darf die Kraft des Gebe­tes nicht unterschätzen!”

Georg

Vie­le Kri­sen haben Georg und Anni­ka seit dem Unglücks­tag durch­ge­macht und jeder der bei­den geht anders damit um. 

Georg hat hier, tief­ver­wur­zelt im Ort und der Pfar­rei, sei­ne Kraft im Glau­ben gefun­den. Der Hei­li­ge Bru­der Kon­rad ist der Namens­pa­tron mei­nes Kin­des. Ich habe ihn schon oft ange­ru­fen, viel gebe­tet, die Bru­der-Kon­rad-Kir­che in Alt­öt­ting oft auf­ge­sucht. Ich bin mir sicher, dass das für die Ret­tung und Gene­sung unse­res Soh­nes nach so einem so lebens­be­droh­li­chen Unfall viel gehol­fen hat. Man darf die Kraft des Gebe­tes nicht unter­schät­zen. Ich emp­feh­le es allen“, sagt Georg, der immer posi­tiv ein­ge­stellt ist und in einer beson­ders dunk­len Stun­de die Kran­ken­sal­bung durch den Regens­bur­ger Kran­ken­haus­seel­sor­ger spen­den ließ. Mit Pfar­rer Micha­el Wit­ti (Feich­ten) und Prä­lat Gün­ter Man­dl (Alt­öt­ting) hat er guten Kon­takt und kann auf deren offe­nes Ohr vertrauen. 

Anni­ka geht damit anders um. Sie fin­det Kraft in Fami­lie und Freun­den, die weit weg von ihrem Wohn­ort im Müns­ter­land woh­nen. Mein Bru­der ist Arzt und konn­te mir viel erklär­ten – er ist mein Lexi­kon“, erzählt sie. Sie baut auf all jene, die sie anru­fen kann, wenn sie Hil­fe oder Rat braucht oder sich ein­fach nur über die klei­nen Fort­schrit­te freut.

DSC 9571 Bild: Tine Limmer
Jeder kleine Fortschritt ist für die kleine Familie ein Weihnachtsgeschenk. Bild: Tine Limmer

Lan­ge Zeit haben die bei­den ein­fach nur funk­tio­nie­ren müs­sen: Georg zuhau­se auf dem Hof und in der Land­wirt­schaft, als Selb­stän­di­ger. Anni­ka hat ihre Plä­ne, nach einem Jahr Baby­pau­se wie­der in ihren Beruf als Archi­tek­tin zurück­keh­ren zu kön­nen vor­erst an den Nagel gehängt und ist inzwi­schen mit allen büro­kra­ti­schen Vor­gän­gen; die die Pfle­ge mit sich bringt; vertraut. 

24 Stun­den sie­ben Tage die Woche für ein kran­kes Kind ver­ant­wort­lich sein müs­sen, zehrt und gibt zudem kaum Platz für Zwei­sam­keit. Es ist immer die Angst dabei, dass etwas pas­siert, selbst wenn er nur‘ um die Ecke ist. Es könn­te die Kanü­le raus­fal­len und dann ist es ein rich­ti­ger Not­fall“, so Annika. 

Doch möch­ten die bei­den für sich und die Kin­der einen weit­ge­hend nor­ma­len All­tag, wenn auch lan­ge Aus­flü­ge und Urlau­be noch nicht mög­lich sind. Wir müs­sen unser gan­zes Equip­ment inklu­si­ve einer Not­ver­sor­gung mit­neh­men. Sau­er­stoff­fla­sche, Sau­er­stoff­kon­zen­tra­tor für die Luft­ver­sor­gung, Absau­ger, Ver­bands­ma­te­ri­al, Nah­rung — das ist schwie­rig.“ Doch die Hoff­nung, in eini­gen Jah­ren wie­der ein voll­stän­dig gesun­des Kind zu haben, lässt sie gro­ße Stär­ke ent­wi­ckeln. Es freut uns, dass so vie­le Men­schen an unse­rer Sei­te sind, um unser Kind zu för­dern und zu hei­len“, zei­gen sich bei­de dankbar. 

Und jeder klei­ne Fort­schritt ist für die klei­ne Fami­lie ein Weihnachtsgeschenk.

Text und Fotos: Tine Limmer

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