Schwaches Interesse an Wahlkampagne der Katholischen Arbeitnehmer-Bewegung auf dem Passauer Domplatz – Deutliche Worte der Diözesanvorsitzenden Angelika Görmiller Passau.
Die „Baustellen“ in der Politik angeprangert und ihre Forderungen an die Politik klar formuliert hat die Katholische Arbeitnehmer-Bewegung (KAB) bei einer Kampagne zur Bundestagswahl auf dem Passauer Domplatz. Allerdings fanden sich dort nur die organisierten Teilnehmer aus verschiedenen Kreisverbänden und eingeladene Parteienvertreter ein. Passanten nahmen keine Notiz von den Aussagen – allen voran aus dem Mund der KAB-Diözesanvorsitzenden Angelika Görmiller, die betonte: „Es geht um Ehrlichkeit statt Wahllügen oder große Wahlversprechen, die nicht gehalten werden.“
Bei Temperaturen um den Gefrierpunkt brachte die Verantwortliche des ausrichtenden Verbands Kritik an der gescheiterten Ampel-Regierung in Berlin zum Ausdruck, die ihrer Ansicht nach zu wenig gezeigt habe, dass sie die Lebensbedingungen und die Nöte der Menschen ernst nimmt. Allerdings gab es auch Lob von Angelika Görmiller – für das schnelle Handeln während der Pandemie, „dass wir gut durchgekommen sind“, bekundete die KAB-Sprecherin, die als Beispiele die Corona-Hilfen und die Regelungen zur Kurzarbeit anführte. Allerdings seien gleichzeitig große Krisen auf Deutschland zugekommen: die Wirtschaftskrise, die Probleme der Digitalisierung, der Ukraine-Krieg mit den damit verbundenen Verteidigungsausgaben und der Klimaschutz.
Zusätzlich klafft die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinander, wie Angelika Görmiller mit Blick auf die Steigerung sozialer Ungleichheit als gesellschaftlichem Sprengstoff andeutete. Damit einher gehen nach ihren Worten die Steuer- und Verteilungsgerechtigkeit, Fragen der Gesundheitspolitik, der Pflege und der Rente, aber auch die Migrationsthematik. Als Paradoxon bezeichnete sie das Wachstum bei der Zahl der Beschäftigten trotz des gleichzeitigen Arbeitsplatzabbaus – allerdings nicht in der herkömmlichen Industrie, sondern im Dienstleistungsbereich, „meist im Bereich Dienst am Menschen“ mit einem hohen Bedarf an Kräften. Es brauche Wirtschaftsförderung, es brauche Investitionen, leitete die KAB-Rednerin daraus ab.
Stark machte sich Angelika Görmiller besonders für die Stärkung der sozialen Sicherungssysteme mit Investitionen in die soziale Infrastruktur. „Die nächste Regierung soll nicht wieder an der Schuldenbremse scheitern“, sagte sie. Die Verbandsvorsitzende wertete das deutsche Gesundheitssystem als eines der teuersten und zugleich ineffektivsten der Welt. Gebrandmarkt wurde von ihr ein Zwei-Klassen-System auf diesem Sektor, weshalb alle – auch die Private Krankenversicherung – an den Kosten beteiligt werden müssten. Die meisten Wahlprogramme der Parteien gäben nur wenig her, wenn es um Sozial- und Gesundheitspolitik gehe, so Görmiller, die den Standpunkt zur Rente und Pflege vertrat, „sie fällt uns gerade auf die Füße.“
„Wir haben eine Rente, die viele auch in der Zukunft direkt in Altersarmut führt“, skandierte die KAB-Diözesanvorsitzende, die es obendrein als Frechheit anprangerte, in diesem Zusammenhang Jung gegen Alt auszuspielen. „Nein, die Alten leben nicht auf Kosten der Jungen“, stellte Angelika Görmiller fest und verknüpfte damit die Erwartung an die Politik, dafür zu sorgen, dass die Rente der Zukunft eine Höhe habe, die Bezieher nicht zu Bedürftigen mache. Die Themen Armut und Armutsgefährdung vermisst die Rednerin ihrer Aussage nach in den Konzepten der Parteien, ebenso Standpunkte für Gemeinwohl und Gemeinwohl-Ökonomie statt eines ungezügelten Kapitalismus. Es sei zudem notwendig, mit „Steuermärchen und ‑mythen“ aufzuräumen, außerdem Steuerschlupflöcher für Reiche und Superreiche zu beseitigen.
Szenen-Applaus der Umstehenden gab es für Görmillers Standpunkte zur Thematik „Zuzug statt Festung Europa“. Es brauche den geregelten Zuzug, hob sie hervor und machte deutlich: „Als Christen und Christinnen bleiben wir dabei – und damit auf dem Boden des Grundgesetzes: Menschen in Bedrängnis und in Verfolgung haben einen Platz in unserer Gesellschaft, aus humanitären Gründen.“ Bis zu 400.000 Menschen pro Jahr seien nach Erkenntnissen anerkannter Institute erforderlich, um allein den Rückgang der einheimischen Bevölkerung durch Alterung und niedrige Geburtenraten sowie den Fachkräfte- und Arbeitnehmermangel auszugleichen. Es sei wohl weniger die Frage des „Zu viel“ als des „Wie“, wie Integration gelinge, fügte die katholische Gewerkschafterin hinzu.
Nicht unerwähnt ließ Angelika Görmiller ebenfalls die „Verunsicherung aller Orten“ in Sachen Klimaschutz und Energiepolitik. Sie verlangte eine Stärkung des Umbaus durch sozialgerechte Förderungen, beispielsweise in Fragen des Heizens und des Wohnungsbaus. Die KAB-Funktionärin warb für ein Aus unsinniger Subventionen, die nach ihren Worten nur den Ist-Stand zementieren, anstatt eine Veränderung zu unterstützen und Anreize zu schaffen, wozu neben der Industrie auch nicht unerheblich die Landwirtschaft zähle. Die abschließenden Postulate Görmillers: „Es geht um Bürgerbeteiligung, es geht um den Sozialstaat, es geht um das Gemeinwohl.“
Diesen Standpunkten wollte der Vorsitzende des Diözesanrats der Katholiken im Bistum Passau, Markus Biber, nicht mehr viel hinzufügen. Seiner Überzeugung nach tun sich die Menschen schwer, bei den Parteien noch ein Gesamtkonzept zu erkennen. Er rief die Wahlberechtigten dringend auf, am 23. Februar zur Bundestagswahl zu gehen und ihre Stimmabgabe auf der Basis des christlichen Weltbildes zu tätigen, die auf ein gerechtes und liebevolles Miteinander abziele.
Die Vertreter beziehungsweise Kandidaten der angeschriebenen Parteien – mit Ausnahme der ausdrücklich nicht zu der KAB-Kampagne eingeladenen AfD und des BSW – bekamen anschließend kurz Gelegenheit, ihre Positionen zu manifestieren. SPD-MdB Johannes Schätzl monierte, „Europa bröckelt ein wenig“, und mahnte alle dazu, ihr Möglichstes zu tun, um den rechten Rand aus der Politik herauszudrücken. Migranten in Betrieben einzustellen, sie in Arbeit und Ausbildung zu bringen, müsse erleichtert werden, verlangte FW-Kandidat Rupert Kreuzhuber. Dass die Wähler immer schwerer zu erreichen sind, bedauerte Florian Mies von den Freien Wählern.
Viele Schnittmengen zum Programm der KAB erkannte Urban Mangold von der ÖDP. Er empfand es als gut, dass alle Demokraten zusammenhalten und das Land gegen die verteidigen, „die mit der Abrissbirne daherkommen.“ Immer zu schauen, gute Lösungen für die Menschen zu finden und für Mitmenschlichkeit einzutreten, anstatt nur spalterische Thesen zu kommunizieren, dafür plädierte Frederic-Sascha Müller von den Grünen. Was wäre das soziale System, wenn Menschen mit Migrationshintergrund Deutschland verlassen müssten, frage er in die Runde. Gerade in diesem Bereich sah Martin Antwerpen von der ÖDP Nachholbedarf. Er forderte verstärkte Anstrengungen, die Menschen gut zu integrieren, und wünschte sich zudem wieder eine gesunde Diskussionskultur.
An Stehtischen bestand anschließend Gelegenheit, miteinander ins Gespräch zu kommen und zu diskutieren. Nicht vertreten war die CSU, die – so versicherten die KAB-Verantwortlichen – ebenfalls angeschrieben und zur Teilnahme aufgefordert worden ist. Darauf angesprochen, zeigte sich Bundestagskandidat Hans Koller verwundert. Er hakte gleich bei seinem Bundeswahlkreisgeschäftsführer Matthias Bredemeier nach und erhielt auch von dort die Auskunft, dass bei der CSU keine entsprechende Anfrage eingegangen sei. „Ich werde da aber nochmal nachhaken“, versicherte Koller.
Text: Bernhard Brunner