
Zur Todesstunde Jesu, um 15 Uhr, hat die Karfreitagsliturgie begonnen, zu der sich mit Bischof Stefan Oster einige hundert Gläubige im Passauer Dom versammelt haben. Zu Beginn hörten die Gläubigen die Passion, die Leidensgeschichte Jesu.
Wie groß muss die Einsamkeit Jesu gewesen sein? Diese Frage stellte Bischof Stefan zu Beginn seiner Predigt. Jesus geht „in radikalster Einsamkeit durch diesen Abschied. Keinerlei Verstehen, keinerlei Zuwendung. Radikal alleine geht er diesen Weg zu Ende.“
„Wir sind zur Liebe berufen und ahnen: Für die Liebe braucht es Opfer. Es braucht Hingabe.”
Mit dem Verlassen des Paradieses hätten die Menschen auch das „Reich der heilen Beziehungen“ verlassen. Heile Beziehungen seien zutiefst getragen von dem Vertrauen, das der Mensch selbst von Gott getragen ist. „Was uns durch das Leben trägt, sind in erster Linie verlässliche Beziehungen. „Aber wir haben diese eine grundlegende Beziehung, die alles durchdringen kann und will, hinter uns gelassen. Wir haben das Paradies verlassen“, so der Bischof.
Seitdem müssten wir mit der Herausforderung umgehen, dass es in dieser Welt, die immer noch ihre Schönheit hat und ihre göttliche Signatur trage, keine Liebe gibt, die nicht verwundbar oder opferbereit sein muss. Im Sport oder auch in der Musik wüssten die Menschen, dass es nicht nur Talent braucht, sondern vor allem Hingabe, Verzicht und Übung, um ans Ziel zu gelangen. „Wir sind zur Liebe berufen und ahnen: für die Liebe braucht es Opfer. Es braucht Hingabe. Es gibt keine heilen Beziehungen, zu denen wir nicht hinreifen müssten“, so der Bischof.
Hier können Sie die Karfreitagspredigt anhören:
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Das grundlegendste Problem, warum Menschen sich so schwertun mit Liebe und Hingabe, sei „der verfluchte Tod“. Der Mensch ist verwundet und möchte mit allen Kräften an seinem Leben festhalten. „Deswegen brauchen wir jemanden, der so opferbereit und liebesfähig ist, dass er uns in dem Vertrauen bestärkt, dass der Tod nicht die allerletzte Tür ist, nicht das schwarze Loch und nicht das absolute Ende ist.“
Bischof Stefan bat die Gläubigen, sich vorzustellen, Jesus ins blutverschmierte, aufgequollene Gesicht zu blicken. „Schauen wir in diese Augen. Erkennen wir in diesen Augen die absolute Bereitschaft Gottes, uns zu lieben – egal, was es ihn kostet?“, so der Bischof. „Es gibt in dieser Welt keine Liebe ohne Opferbereitschaft. Wenn wir ihm folgen und uns von seinem Blick berühren lassen und nicht nur die Folter erkennen, sondern mitten darin die Herrlichkeit, die Schönheit und Liebe Gottes“, dann dürften wir darauf vertrauen, dass der Tod – die letzte Bedrohung — überwunden ist. Dann werde es für uns so viel leichter, uns selbst hinzugeben und opferbereit zu sein.
Zur Karfreitagsliturgie gehören die sogenannten großen Fürbitten, in denen die Kirche am Todestag Jesu für die Anliegen der Kirche und der Welt betet. In diesem Jahr wurde im Besonderen für die Menschen in Kriegsgebieten gebetet, auch in der Ukraine. „Für alle, die vor dem Schrecken der Gewalt geflohen und ihrer Heimat beraubt sind und auch für alle, die mit ihrem Leben einstehen für die Abwehr des Feindes und für den Schutz der Schwachen und verfolgten.“ Danach enthüllte Bischof Stefan das Kreuz und alle Gläubigen waren selbst zur Kreuzverehrung eingeladen.
Der Karfreitag ist ein stiller Feiertag, an dem keine Domglocken erklingen und auch die Orgel still bleibt, musikalisch umrahmt wurde die Karfreitagsliturgie vom Vokalensemble Capella Cathedralis unter der Leitung von Domkapellmeister Andreas Unterguggenberger.