
Am Karfreitag versammelten sich zahlreiche Gläubige im Passauer Stephansdom, um gemeinsam mit Bischof Stefan Oster dem Sterben und Leiden Christi zu gedenken. Traditionell enthüllte Bischof Stefan nach dem Wortgottesdienst das Kreuz und lud alle Gläubigen dazu ein, es zu verehren.
Im Rahmen des Gottesdienstes zur Sterbestunde Jesu Christi wird alljährlich die Passionsgeschichte verlesen. Den Wortgottesdienst beendeten dann auch dieses Jahr die großen Fürbitten, in denen die Kirchengemeinschaft die Anliegen der Kirche und der Welt vor Gott bringt. Bischof Oster begann seine Predigt mit einer Erinnerung aus seiner Kindheit. Im Grundschulalter habe er verstanden, dass es Mädchen gebe, die ihm besonders hübsch erschienen. Um dies zu beurteilen habe er so etwas wie ein inneres Raster in sich gehabt. Seiner älteren Schwester gegenüber habe dieses Raster jedoch nicht funktioniert. Da habe er begonnen, sich darüber Gedanken zu machen, was und wer einem eigentlich entgegenschaut, wenn man über das Gesicht eines Menschen nachdenkt. „Je mehr wir einem Menschen innerlich verbunden sind, desto mehr verschwinden die äußeren Maßstäbe für Schönheit und Nicht-Schönheit und wir lernen den Menschen von innen kennen“, so der Bischof.
In der ersten Lesung haben die Gläubigen das vierte Lied vom Gottesknecht gehört. Darin wird eine rätselhafte Gestalt beschrieben, die gequält und gefoltert aussieht und so, dass man sogar sein eigenes Gesicht davor verbergen wolle, so der Bischof. Auch in der Heiligen Schrift und in der Passion würden wir heute einen sehen, der gequält und gefoltert worden ist, mit zerschundenem Gesicht und offenen Wunden. „Sodass man ihn gar nicht anschauen mag, anschauen kann.“
„Wenn wir uns berühren lassen von dieser Liebe, von diesem Antlitz, dann wird auch für uns Ostern.”
„Aber ist nicht der Gedanke des gläubigen Menschen unfassbar, dass uns in diesem Gesicht Gott selber anschaut?“, stellt Bischof Oster die Frage in den Raum. Gott blicke auf uns und sage selbst im Sterben noch: Vergib ihnen. Gott schaue uns an, äußerlich dramatisch entstellt. Dennoch zeige sich uns in dieser Paradoxie eine Schönheit. So können wir, wenn wir stehenbleiben, die Qual ertragen, uns in Liebe anschauen und berühren lassen, letztlich auch diese Nacht der Kreuzigung aushalten. „Wenn wir stehenbleiben, dann verwandelt sich die Nacht der Kreuzigung in die Osternacht“, so Bischof Oster abschließend. „Wenn wir uns berühren lassen von dieser Liebe, von diesem Antlitz, dann wird auch für uns Ostern.“
Musikalisch gestaltet wurde der Gottesdienst vom Vokalensemble CAPPELLA CATHEDRALIS unter der Leitung von Domkapellmeister Andreas Unterguggenberger.