
Die Queen, Tea Time, nass-kaltes Wetter oder der Brexit – sofort denken die meisten an das Vereinigte Königreich. Der Weltgebetstag der Frauen fordert in diesem Jahr allerdings auf, tiefer zu graben. Frauen aus den Schwerpunktländern England, Wales und Nordirland laden ein, den Spuren der Hoffnung nachzugehen.
Über Konfessions- und Ländergrenzen hinweg treffen sich weltweit jedes Jahr am ersten Freitag im März – in diesem Jahr also am 4. März 2022 – Frauen zum gemeinsamen Gebet und zur Gottesdienstfeier. Die Gottesdienstordnung stammt von den Frauen des jeweiligen Schwerpunktlandes. Diesmal wurde sie demnach von Engländerinnen, Waliserinnen und Nordirinnen vorbereitet. Sie geben Einblicke in ihre Heimat, machen auf Problemfelder aufmerksam und schaffen es, trotz widriger Rahmenbedingungen Zuversicht zu schenken. Neben der Feier des Gottesdienstes selbst zählt die intensive Vorbereitung auf den Weltgebetstag zum wichtigen Begleitprogramm. Im Zuge der Corona-Krise musste das ökumenische Vorbereitungsteam in Bistum und Dekanat Passau wie bereits im Vorjahr das geplante Konzept an die aktuelle Situation anpassen. Anstelle der Informationsveranstaltungen mit Feier des WGT-Gottesdienstes in Passau, Grafenau und Ortenburg gab es ein Online-Format, das informative und abwechslungsreiche Einblicke in die Schwerpunktländer ermöglichte.
So konnte als erstes die Frage geklärt werden, warum Schottland, das doch zum Vereinigten Königreich gehört, nicht Teil des Vorbereitungsteams war: Weil Schottland bereits 1930 zum Weltgebetstag stieß und über ein eigenes Weltgebetstagskomitee verfügt, ist es am WGT 2022 nicht beteiligt. England, Wales und Nordirland verbindet viel, sie bilden auch eine politische Einheit. Geschichtlich begründet haben die drei Länder dennoch ein jeweils eigenes Parlament und damit eine gewisse Selbstständigkeit, beispielsweise bezogen auf das Schul- und Gesundheitswesen, den Umweltschutz oder die jeweilige Corona-Politik. Beim Blick auf die Religionszugehörigkeit wurde klar, dass über die Hälfte der Einwohnerinnen und Einwohner konfessionslos ist. Knapp 40 Prozent der Bevölkerung sind Christinnen und Christen, wobei davon 12 Prozent der anglikanischen Kirche angehören, deren Oberhaupt die Queen ist. Die anglikanische Kirche wiederrum gliedert sich in die „Low Church“, die sozial stark engagiert ist, und die „High Church“, die konservativ geprägt ist. Seit 1994 dürfen Frauen – mit regionalen Einschränkungen – die Priesterweihe erhalten und Bischöfin werden.
Problemfelder: Gewalt, Armut, Einsamkeit
Weil beim Weltgebetstag alljährlich insbesondere die Situation der Frauen im jeweiligen Schwerpunktland beleuchtet wird, folgten ausführliche Informationen zu vorherrschenden gesellschaftlichen Problemen. Die Frauen aus England, Wales und Nordirland machen insbesondere auf Gewalt gegen Frauen, Armut und Einsamkeit aufmerksam. Beispielsweise sei die Zahl der Tafeln in den letzten Jahren von 29 auf rund 1.000 gestiegen. 14 Millionen Menschen leben unter der Armutsgrenze, 31 Prozent der Kinder leben in Armut. Jede Woche würden zwei Frauen von einem aktuellen oder ehemaligen Partner getötet. Jede dritte Frau erlebe häusliche Gewalt. Mangelnde Inklusion begünstige steigende Einsamkeit. Vor dem Hintergrund dieser schwerwiegenden Problemfelder stellten die Frauen aus dem Vorbereitungskomitee den Brief von Jeremia an die Exilierten in Babylon „Gott hat einen Plan für uns, und der heißt Hoffnung.“ (Jer 29,11) in den Mittelpunkt des Gottesdienstes. Eine meditative Präsentation zur Bibelstelle lenkte den Blick auf die zentrale Aussage „Hoffnung“.
Die Online-Veranstaltung sollte nicht als reiner Vortrag dienen. Um das WGT-Gefühl zu spüren und sich mit den Liedern vertraut zu machen, war aus Hinterschmiding eine Musikerinnengruppe zugeschaltet. Zwischen den einzelnen Programmpunkten sangen sie die vom WGT-Komitee vorgeschlagenen Lieder, aber auch eigens ausgewählte traditionelle englische Lieder. Ein weiteres Highlight hatte ebenfalls musikalischen Hintergrund. Wie Tanja Kemper, Bildungsreferentin des Katholischen Deutschen Frauenbundes (KDFB) in der Diözese Passau erklärte, sei es der Wunsch der Vorbereitungsgruppe gewesen, die Idee des Weltgebetstags gerade auch jungen Menschen verstärkt zu vermitteln. Aus diesem Grund wurde die Zusammenarbeit mit einer Schule angestrebt – mit Erfolg. Schülerinnen und Schüler der Mittelschule St. Nikola aus Passau schrieben gemeinsam mit Lehrer Thomas Krispin ein Lied zum Weltgebetstag mit dem Titel „The long way“. Ein Video ihrer Vorstellung wurde den Teilnehmerinnen der Online-Veranstaltung eingespielt und stieß auf große Begeisterung.
Feier eines Beispiel-Gottesdienstes
Während die Online-Ländervorstellung für das theoretische Grundlagenwissen sorgte, wollte das Vorbereitungsteam zudem Einblicke in die Praxis geben. Bei einem Beispiel-Gottesdienst in der Kirche St. Nikola erfuhren die Teilnehmerinnen, wie eine stimmungsvolle Feier des WGT-Gottesdienstes unter Einhaltung der Corona-Schutzmaßnahmen möglich ist. So wurde beispielsweise deutlich, wie zentrale Elemente wie das Entzünden von sieben Hoffnungskerzen in den Gottesdienst eingebunden werden können. Die sieben Kerzen stehen für die Frauen aus den sieben Weltreligionen, die sich an der Feier des Weltgebetstags beteiligen. Am Ende verbanden sich die Teilnehmerinnen durch das gemeinsame Halten von Hoffnungsbändern in Regenbogenfarben. Damit sich auch Frauen, die den Beispiel-Gottesdienst nicht vor Ort mitfeiern konnten, inspirieren lassen können, wurde dieser mitgefilmt. Das Video wird in Kürze auf Youtube veröffentlicht. Ein entsprechender Link wird auf der Frauenbund-Homepage unter www.frauenbund-passau.de zu finden sein.
Text: Mareen Maier / Katholischer Deutscher Frauenbund