Bischof

„Wir bekennen, es ist Unverzeihliches passiert“

Redaktion am 04.04.2022

BR9 A8577 Foto: Schmidt / pbp

Im Rahmen einer Kreuzwegandacht in Heiligenstatt hat Bischof Stefan Oster im Namen der Kirche von Passau Missbrauchsopfer um Vergebung gebeten. Zuvor hatte er mit über 100 Teilnehmern den Kreuzweg von Altötting nach Heiligenstatt gebetet – eingeladen waren nicht nur Verantwortungsträger der Kirche, sondern auch Menschen, die selbst von Missbrauch betroffen waren.

Sehr deut­lich benann­te Bischof Ste­fan Oster in sei­ner Pre­digt die Ver­ant­wor­tung der Kir­che für sexu­el­len Miss­brauch“, Gewalt­miss­brauch“ und spi­ri­tu­el­len Miss­brauch“: Ich ste­he mit vie­len ande­ren, die hier sind, für eine Insti­tu­ti­on, die ihren eige­nen Auf­trag und ihre Sen­dung immer wie­der dra­ma­tisch per­ver­tiert hat. Ich ste­he für eine Insti­tu­ti­on, in der es Denk­mus­ter, Hand­lungs­mus­ter und Struk­tu­ren des Selbst­schut­zes, der Ver­tu­schung, des Weg­schau­ens gab und immer noch gibt. Ich ste­he für eine Insti­tu­ti­on, in der wir kei­ne Ver­ant­wor­tung über­nom­men haben und Opfer von Gewalt und Miss­brauch im Regen und in der Käl­te der Welt und vor allem in ihrem Leid haben schutz­los ste­hen lassen.“

Sehr deut­lich wand­te sich der Bischof von Pas­sau auch gegen die Nei­gung, sich und die Insti­tu­ti­on selbst zu schüt­zen oder die Taten zu rela­ti­vie­ren: Auch wir haben Anteil dar­an, dass es gesche­hen konn­te. Auch in uns, auch in mir gibt es die Sei­te, die weg­schau­en will, die kei­nen Ärger will, die das Pro­blem klei­ner machen oder schö­ner reden will als es ist.“ Wei­ter erklär­te er: Und ich ken­ne auch unse­re Nei­gung zu Selbst­ent­schul­di­gung: Bei uns sind es ja nicht so vie­le. Und das, was bei uns war, war viel­leicht nicht so schlimm wie anders­wo.‘ Doch, doch mei­ne Lie­ben, auch bei uns gab es Unaus­sprech­li­ches, nicht wenig. Und wir wis­sen nicht, ob und in wel­chem Aus­maß es immer noch da ist.“

Eben­so deut­lich benann­te Bischof Oster die Aus­wir­kun­gen der Taten auf die Opfer und das Aus­maß der Schuld der Kirche:

Kin­der sol­len durch unser Han­deln ler­nen, Kin­der Got­tes zu wer­den, Freun­de und Freun­din­nen Jesu. Aber sie wur­den nicht sel­ten durch einen ver­meint­li­chen Freund Jesu in den Abgrund einer oft lebens­lan­gen Höl­len­er­fah­rung gestürzt.”

Bischof Dr. Stefan Oster SDB

In einer sehr bewe­gen­den Anspra­che dank­te Bischof Oster Rolf Fah­nen­bruck; die­ser war selbst von Miss­brauch in der Kir­che betrof­fen und enga­giert sich heu­te als Spre­cher des Betrof­fe­nen­bei­ra­tes gegen sexua­li­sier­te Gewalt im Bis­tum Pas­sau. Er hat­te auch den Kreuz­weg nach Hei­li­gen­statt mit­ge­stal­tet und mit­ge­be­tet. Ich dan­ke Ihnen sehr für die­sen Mut und die­ses Zeug­nis“, erklär­te Bischof Oster und füg­te hin­zu: Sie haben mir den beein­dru­cken­den Satz gesagt: Mein Glau­be war mir immer wich­tig, trotz allem. Und der oder die Täter waren es nicht wert, mir mei­nen Glau­ben zu neh­men.‘ Vie­le ande­re Betrof­fe­ne fin­den nicht mehr zu die­ser inne­ren, zur eigent­li­chen Mit­te der Kir­che – und wer könn­te sie dar­in nicht verstehen.“

Dabei zeig­te Bischof Oster auch deut­lich die Gren­zen der Kir­che und ihrer Ver­ant­wor­tungs­trä­ger auf: Wir beken­nen, es ist Unver­zeih­li­ches pas­siert – und letzt­lich kann nur Gott Unver­zeih­li­ches ver­zei­hen. Und wenn wir Men­schen es kön­nen, dann nur in sei­ner Kraft.“ Aus­drück­lich wand­te er sich an all die­je­ni­gen, die der Kir­che bei der Auf­ar­bei­tung der Taten die drin­gend not­wen­di­ge Hil­fe leis­ten: Ich möch­te Ihnen und den ande­ren Mit­glie­dern unse­res Betrof­fe­nen­bei­rats beson­ders dan­ken, dass auch Sie uns mit­hel­fen, neu sehen zu ler­nen, was pas­siert ist und was heu­te nötig ist, damit es nicht mehr pas­siert. Und wie wir Betrof­fe­ne bes­ser beglei­ten können.“

Wie sehr die Kir­che auf das Ver­trau­en und auf die Unter­stüt­zung gera­de auch der Miss­brauchs­op­fer ange­wie­sen ist, wur­de in Bischof Osters Schluss­wor­ten deut­lich: Gera­de sie zeig­ten, dass es mit­ten in der Kir­che trotz aller Sün­de und Gewalt, wirk­lich auch das Heil zu fin­den gibt – in Jesus“. Die Sün­de der Mensch­heit“ habe Jesus ans Kreuz gebracht, aber Jesus habe den Tod besiegt. Dies zei­ge, dass Miss­brauch, Leid und Tod auch die Kir­che nicht ver­nich­ten, weil es im Inners­ten Sei­ne Kir­che ist, nicht unsere“.

Die Wall­fahrts­kir­che in Hei­li­gen­statt, die den Tag der unschul­di­gen Kin­der“ (28. Dezem­ber) als Patro­zi­ni­um fei­ert, wur­de bewusst für die Kreuz­weg­an­dacht aus­ge­wählt. Zuvor waren die Teil­neh­mer den rund fünf Kilo­me­ter lan­gen Kreuz­weg vom Mari­en­wall­fahrts­ort Alt­öt­ting nach Hei­li­gen­statt gegan­gen – zwi­schen den 14 Sta­tio­nen bete­ten sie den Rosen­kranz, san­gen sie Mari­en­lie­der oder gin­gen sie schwei­gend. Bei win­ter­li­chen Tem­pe­ra­tu­ren nah­men über 100 Gläu­bi­ge teil, dar­un­ter zahl­rei­che Ver­tre­te­rin­nen und Ver­tre­ter der Bistumsleitung.

Text: Micha­el Glaß / Alt­öt­tin­ger Liebfrauenbote

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