Schöpfungsorientierte Waldnutzung heißt das Gebot der Stunde, um die Vielfalt des Lebens auf der Erde zu erhalten und die weltweit massiven Artenverluste zu stoppen. Denn die aktuelle Situation wird von vielen Wissenschaftlern und Experten bereits als das sechste Massenaussterbeereignis auf unserer Erde eingestuft.
Unsere Wälder werden dabei nicht nur durch die steigende Klimaerwärmung einem rigorosen Stresstest unterzogen, sondern auch durch die enormen Waldverluste in Form des gigantischen Rohstoffbedarfs der Holzindustrie, der Umwandlung in andere Landnutzungsarten (z.B. das Gelände von Teslas Gigafactory) oder (illegalen) Brandrodungen für die Fleisch‑, Futter- oder Lebensmittel-Produktion. Das Bistum Passau legt bei all seinen Kirchenwäldern einen großen Wert auf Strukturen und Prozesse, die auf ein selbstregulatorisches Waldökosystem ausgerichtet sind. In unserem Interview sprechen der Leiter des Waldreferats der Diözese Passau, Matthias Drexler und Diplom Forstwirt Peter Langhammer über die aktuelle Situation und ihre Bemühungen um einen lebendigen Wald.
Herr Drexler, was genau versteht man unter dem Begriff “schöpfungsorientierte Waldnutzung” und wie ist der diesbezügliche Stand im Bistum Passau?
Matthias Drexler: Das oberste Betriebsziel bei der Diözese Passau in der Waldbewirtschaftung ist der Erhalt und Ausbau der biologischen Vielfalt. Und das freut natürlich unseren Bischof Stefan, dass wir hier ganz im Sinne der Enzyklika “Laudato Si” von Papst Franziskus arbeiten.
Widerspricht diese Art der Waldbewirtschaftung nicht den Grundsätzen einer größtmöglichen Rentabilität?
Matthias Drexler: Diese Bewirtschaftung wird auch von unserem Finanzdirektor unterstützt, der ebenfalls der Auffassung ist, dass im Wald nicht der kurzfristige, ökonomische Vorteil zu suchen ist, sondern ein bestmöglicher Einklang von Ökonomie und Ökologie zu gewährleisten.
“Wir müssen den Wald als Ökosystem stabilisieren und da gehören zum Beispiel alte Bäume dazu, Totholz und auch zum Teil Nutzungsverzichtsflächen, denn das ist ein Mangel in den Wirtschaftswäldern.“
Nur wenn wir unser System stabilisieren, haben wir langfrisitg einen guten wirtschaftlichen Erfolg, weil wir sicherer sind vor Klima-Katastrophen wie Stürmen und Witterungsextremen.
Herr Langhammer, man hört und liest es immer wieder in den Medien: Das Waldsterben ist seit mehreren Jahrzehnten ein großes Problem. Wie steht es denn derzeit um den deutschen Wald?
Peter Langhammer: Die aktuelle Situation muss man sehr differenziert betrachten. Ich möchte auch gar nicht von Waldsterben sprechen, auch wenn viele vom Waldsterben 2.0 reden. Ich glaube, dass es eher eine Systemschwäche der Forstwirtschaft ist, die da zum Ausdruck kommt, weil wir halt sehr, sehr viele naturferne Wälder haben, und diese treffen jetzt auf eine klimatische Veränderung, welche die Rahmenbedingungen für die Wälder schwieriger macht. Hierbei sieht man auch ganz deutlich, dass die naturfernsten Wälder, die künstlich angelegten Fichten- und Kiefernforsten, am allersensibelsten reagieren auf die klimatischen Veränderungen, die wir jetzt erleben und die tatsächlich dramatisch sind und die natürlich auch unsere naturnahen Wälder betreffen, unsere heimischen Baumarten. Aber in allererster Linie und zum allergrößten Teil betrifft es die plantagenartigen Wälder, die eben primär für die Rohstoffversorgung gegründet worden sind.
Unser Bistum ist in dieser Hinsicht auch seit einigen Jahren an einem größeren Forschungsprojekt beteiligt. Was ist das für eine Kooperation und was für eine Zielsetzung verfolgt sie?
Matthias Drexler: Die Diözese Passau ist darüber hinaus als Umsetzungspartner an der Forschung BioHolz-Projekt beteiligt. Wodurch uns letztes Jahr die Auszeichnung “Offizielles Projekt der UN Dekade biologische Vielfalt” verliehen wurde. Dabei werden wir auch von der TU München und von der Forschungsabteilung des Nationalparks Bayerischer Wald unterstützt. Die Frage lautet, mit welchem Konzept können wir mit möglichst wenig Aufwand sehr viel für die Natur erreichen. Dafür wurden zehn Versuchsflächen mit liegendem und stehendem Totholz im Kirchenwald in Thurmansbang angelegt, welche nun schon seit fünf Jahren fortlaufend untersucht werden, um am Ende für die Diözese Passau ein Lösungskonzept zu erarbeiten, das wir widerum als “frohe Botschaft” und vernünftiges Angebot an alle anderen Waldbesitzer weiterverbreiten wollen.
Wo muss nun angesetzt werden, um diese negative Entwicklung zu bremsen, um das ganze ökologische Waldsystem wieder gesünder zu machen?
Peter Langhammer: Ganz wesentlich ist, dass man den Wäldern ihre naturnahen Strukturen zurückgibt und naturnahe Prozesse zulässt. Wenn man das macht, dann haben die Wälder von Natur aus sehr große Möglichkeiten, sich an Veränderungen in ihrer Umwelt anzupassen. Das ist ja schon immer passiert in der Vergangenheit. In den letzten Tausenden von Jahren hat es immer Veränderungen gegeben und die Wälder haben sich angepasst, aber sie brauchen den Raum und die Zeit dazu und auch die Strukturen. Eine ganz wichtige Struktur ist zum Beispiel Totholz! Totholz speichert Wasser und trägt durch diese Feuchtigkeit zu einem kühlen Waldinnenklima bei und ist auch Lebensraum für ganz viele Arten. Ein Drittel aller Arten, die in Deutschland vorkommen, sind in irgendeiner Art und Weise vom Totholz abhängig. Aber Totholz ist eben auch für das Waldklima und für den Widerstand und die Reaktion der Wälder auf den Klimawandel wichtig. Ein weiterer wichtiger Punkt sind dann selbstverständlich Baumarten, die natürlicherweise hier vorkommen, und nicht solche, die künstlich eingebracht wurden, weil sie hohe Holzerträge erzielen, wie zum Beispiel die Fichte. Die Fichte hat derzeit schon sehr viele Probleme durch die Klimaerwärmung und wird in den kommenden Jahren noch viel mehr Probleme dadurch bekommen.