Weltkirche

Drama im Amazonasgebiet: „Wir fühlen uns täglich bedroht.“

BAY am 08.08.2019

Misereor_KOPP249548 Florian Kopp/MISEREOR

Das Volk der Karipuna kämpft für seine Rechte und den Erhalt des Regenwaldes.

Adria­no (33) trägt stolz sei­nen Schmuck aus Adler­fe­dern. Die­ser zeich­net ihn als Anfüh­rer des Vol­kes der Kari­pu­na aus, das im bra­si­lia­ni­schen Bun­des­staat Ron­dô­nia behei­ma­tet ist. Gleich­zei­tig sym­bo­li­siert der Feder­schmuck, dass die Kari­pu­na in Bedräng­nis sind. Grund hier­für ist ein anhal­ten­der Streit mit der Regie­rung, die zu wenig unter­nimmt, um ihre in der Ver­fas­sung ver­an­ker­ten Rech­te zu schüt­zen, und Indi­ge­ne samt ihrer Schutz­ge­bie­te als Ent­wick­lungs­hin­der­nis betrach­tet. Gleich­zei­tig sind sie Angrif­fen aus­ge­setzt, bei denen aus Pro­fit­gier ihr Land ille­gal betre­ten, zer­stört oder geraubt wird. Dabei will das Volk der Kari­pu­na nur fried­lich und im Ein­klang mit dem Regen­wald auf ihrem Land leben. MISE­RE­OR nutzt den Tag der indi­ge­nen Völ­ker am 09. August um auf die wach­sen­de Bedro­hungs­la­ge auf­merk­sam zu machen. Zugleich möch­te das Werk für Ent­wick­lungs­zu­sam­men­ar­beit die damit zusam­men­hän­gen­de Ver­ant­wor­tung Deutsch­lands und der EU unter­strei­chen, die mit dem Abschluss des Frei­han­dels­ab­kom­mens mit den Mer­co­sur-Staa­ten noch gestie­gen ist.

Seit dem Poli­tik­wech­sel 2015 haben wir mitt­ler­wei­le stän­dig Ein­dring­lin­ge. Es sind Holz­fir­men, Gold­su­cher, ille­ga­le Land­spe­ku­lan­ten, die in unser Gebiet kom­men und die uns nicht nur damit dro­hen, das Land weg­zu­neh­men, son­dern uns auch kör­per­lich und mit dem Tod bedro­hen. Wir leben in sehr gro­ßer Sor­ge, dass wir unser Land ver­lie­ren“, erzählt Adria­no. Cle­ber Buz­at­to (43), Gene­ral­se­kre­tär der Fach­stel­le für Indi­ge­ne (CIMI) der katho­li­schen Kir­che in Bra­si­li­en, ergänzt: Die Situa­ti­on ist sehr besorg­nis­er­re­gend und hat sich nach der Wahl und auch wäh­rend der sie­ben Mona­te der Amts­zeit von Jair Bol­so­n­a­ro ver­schlim­mert. Durch des­sen feind­li­che Hal­tung Indi­ge­nen gegen­über füh­len sich die Men­schen, fühlt sich die Wirt­schaft, dazu ange­regt, Vor­ur­tei­le offen aus­zu­le­ben.“ So ließ Bol­so­n­a­ro der Behör­de zum Schutz der Indi­ge­nen die finan­zi­el­len Mit­tel kür­zen, wodurch die­se seit­her deut­lich weni­ger Kon­trol­len durch­füh­ren kön­nen, ob die Rech­te der Indi­ge­nen ein­ge­hal­ten werden.

Ausverkauf des Regenwaldes auf Kosten von Menschenrechten und der Umwelt

Den Indi­ge­nen der Ama­zo­nas­re­gi­on kommt als Hütern des Regen­wal­des eine beson­de­re Bedeu­tung zu. Denn ihre ange­stamm­ten Ter­ri­to­ri­en sind ver­fas­sungs­ge­mäß vor dem Zugriff wirt­schaft­li­cher Inter­es­sen geschützt. Wir wol­len den Wald schüt­zen, das dient dem Woh­le aller Men­schen. Stel­len Sie sich vor: Wenn wir den Wald nicht mehr durch unse­re Anwe­sen­heit schüt­zen kön­nen, dann wer­den die Unter­neh­men ihn abhol­zen, aus­beu­ten und dabei zer­stö­ren. Eine Viel­zahl an Arten und die ver­schie­de­nen indi­ge­nen Völ­ker wür­den ihren Lebens­raum ver­lie­ren“, erklärt Adriano.

Freihandelsabkommen: Menschenrechte und Umwelt in Gefahr

Vor die­sem Hin­ter­grund befürch­ten Cle­ber und Adria­no, dass das geschlos­se­ne Frei­han­dels­ab­kom­men zwi­schen der EU und den Mer­co­sur-Staa­ten die Situa­ti­on der indi­ge­nen Bevöl­ke­rung noch ver­schär­fen wer­de. Ins­be­son­de­re die Agrar­ex­por­te möch­te Bra­si­li­en infol­ge­des­sen erhö­hen. Adria­no macht deut­lich: Das geschlos­se­ne Abkom­men macht mir gro­ße Sor­ge, denn frucht­ba­ren Boden für die geplan­ten höhe­ren Expor­te gibt es vor allem in den Ter­ri­to­ri­en unse­rer indi­ge­nen Gebie­te. Es betrifft nicht nur unser Volk, son­dern auch ande­re indi­ge­ne Völ­ker. Aber wir leis­ten Wider­stand! Wir exis­tie­ren, um den Regen­wald zu schüt­zen und zu erhalten.“

MISE­RE­OR teilt die­se Befürch­tung und hat­te bereits 2017 in einer Stu­die vor den nega­ti­ven Aus­wir­kun­gen des Abkom­mens auf Umwelt und Men­schen­rech­te gewarnt (https://​www​.mise​re​or​.de/​f​i​l​e​a​d​m​i​n​/​u​s​e​r​_​u​p​l​o​a​d​/​S​t​u​d​i​e​_​M​E​R​C​O​S​U​R​_​M​i​s​e​r​e​o​r.pdf). Vor dem Hin­ter­grund der mas­si­ven Ver­schlech­te­rung der Men­schen­rechts­la­ge in Bra­si­li­en hat­te MISE­RE­OR noch im Juni gemein­sam mit über 340 euro­päi­schen und latein­ame­ri­ka­ni­schen Orga­ni­sa­tio­nen für ein Aus­set­zen der Han­dels­ge­sprä­che plä­diert. Bis­her haben weder das Euro­päi­sche Par­la­ment, noch die natio­na­len Par­la­men­te der EU-Mit­glied­staa­ten dem Abkom­men zuge­stimmt. Gemein­sam mit unse­ren Part­nern wer­den wir uns dafür ein­set­zen, dass sie dies auch nicht tun, damit das Abkom­men in die­ser Form nicht in Kraft tre­ten kann“, erklärt Mar­tin Brö­ckel­mann-Simon, Geschäfts­füh­rer von MISEREOR.

Cle­ber nimmt die deut­sche Regie­rung ganz kon­kret in die Ver­ant­wor­tung: Ob mit oder ohne Frei­han­dels­ab­kom­men: Es darf kein Han­del statt­fin­den, der gegen bestehen­de Geset­ze ver­stößt oder begüns­tigt, dass indi­ge­ne Völ­ker gefähr­det und Natur und Umwelt zer­stört wer­den.“ In die­sem Zusam­men­hang kann auch die inter­na­tio­nal beschlos­se­ne ILO-Kon­ven­ti­on 169 gese­hen wer­den. Sie garan­tiert Indi­ge­nen bei Groß­pro­jek­ten auf ihrem Land ein Kon­sul­ta­ti­ons­recht, wodurch ihr Mit­spra­che­recht gestärkt wür­de. Die Bun­des­re­gie­rung hat im Koali­ti­ons­ver­trag fest­ge­legt, die­se Kon­ven­ti­on zu ver­ab­schie­den. Die rasche Rati­fi­zie­rung der ILO-Kon­ven­ti­on 169, wie im Koali­ti­ons­ver­trag ver­ein­bart, wäre ein wich­ti­ges und not­wen­di­ges Signal“, so Bröckelmann-Simon.

Bil­der und Text: MISEREOR

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