Das Gebiet des ehemaligen Donaubistums Passau im Mittelalter erfasste den südostwärtigen Teil des Herzogtums Bayern sowie den größten Teil des babenbergischen bzw. habsburgischen (Erz-)Herzogtums. Das Bistum Passau war über viele Jahrhunderte hinweg maßgeblich an der kulturgeschichtlichen Entwicklung Bayerns und Österreichs ober- und unterhalb der Enns beteiligt, die Bischofsstadt selbst eine herausragende Pflegestätte der Musik.
Die mittelalterliche Liturgie- und Musikgeschichte der Dom‑, Pfarr- und Klosterkirchen der Diözese Passau war bis vor wenigen Jahren kaum erforscht. Abgesehen von einigen prominenten Musikdenkmälern aus bedeutenden Klöstern wie St. Florian, Kremsmünster oder Klosterneuburg waren kaum relevante Quellen bekannt, vor allem keine, die die liturgische Tradition der Diözese widerspiegeln würden.
Bei der Konferenz werden Forscherinnen und Forscher aus verschiedenen Disziplinen versuchen, Licht in das mittelalterliche Dunkel der liturgischen Choralpraxis zu bringen. Von großer Bedeutung sind die Forschungen zu Libri ordinarii, den liturgischen „Regiebüchern” für das Opus dei in der Diözese Passau, die im Projekt CANTUS NETWORK der Österreichischen Akademie der Wissenschaften geleistet werden.
Tagungsort ist das ehemalige Kloster St. Nikola, das heute von der Universität Passau genutzt wird. Das um 1070 von Bischof Altmann gegründete Reformkloster war Ausgangspunkt einer spirituellen und liturgischen Erneuerung des Diözesanklerus. Vieles von dem, was man heute in mittelalterlichen Liturgika als Passauer Diözesanproprium qualifizieren kann, hat seinen Ursprung in der liturgischen Praxis der Chorherren von St. Nikola. Die Konferenz kehrt somit an die Wurzeln der Passauer liturgischen Tradition zurück.
Ein Konzert der Grazer Choralschola unter der Leitung von Franz Karl Praßl mit Gesängen aus mittelalterlichen Handschriften der Diözese im Passauer Dom (Donnerstag, 16. Mai 19.30 Uhr) und eine musikalische Andacht (Kirche St. Nikola, Freitag, 17. Mai 18 Uhr), gestaltet vom Leonhard Paminger-Ensemble unter der Leitung von Martin Steidler, runden das vielfältige Programm ab.
Veranstaltet wird die Tagung von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Kooperationspartner sind die Universität Passau, das Referat Kirchenmusik der Diözese Passau und der Verein für Ostbairische Heimatforschung.
Quelle: PD Dr. Robert Klugseder (Österreichische Akademie der Wissenschaften, Institut für kunst- und musikhistorische Forschungen)