Bistum

Bistum Passau trauert um Papst Franziskus.

Redaktion am 21.04.2025

2 VL9223 sw Foto: Deutsche Bischofskonferenz/Maximilian von Lachner

Nachruf von Bischof Dr. Stefan Oster SDB zum Tod von Papst Franziskus.

Papst Fran­zis­kus ist nach Hau­se gegan­gen, der Vater („Papa“) der Kir­che, geht zum Ewi­gen Vater der Kir­che. Was für ein Papst! Als er gewählt wur­de, war er 76 Jah­re alt. Man­cher sag­te: Ein Über­gangs­papst“. Heu­te sage ich: Ein Papst, der die Kir­che in eine neue Zeit geführt hat – und Ver­än­de­run­gen ange­sto­ßen hat, deren Aus­wir­kun­gen noch nicht abseh­bar sind. Ein Papst, der einen neu­en Stil des Papst­am­tes geprägt hat. Sein gewähl­ter Name war ihm Pro­gramm: Fran­zis­kus! Er stellt die Armen in die Mit­te, die Geflüch­te­ten, die Ver­folg­ten, die vom Kli­ma­wan­del Bedroh­ten, die Kran­ken, die Behin­der­ten, die Ein­fa­chen. Und er lebt selbst einen ein­fa­chen Lebens­stil. Die Wahl der Woh­nung, des Autos, die Klei­dung, der per­sön­li­che Umgang mit ande­ren – bestimmt von ech­ter Schlicht­heit und locke­rer Herz­lich­keit. Kle­ri­ka­lis­mus in der Form einer spi­ri­tu­ell ange­stri­che­nen Welt­lich­keit unter pries­ter­li­chen Mit­brü­dern war ihm ein Gräu­el – und nach sei­ner Ein­schät­zung eine der Haupt­ur­sa­chen für manch kor­rup­ten Zustand unse­rer Kirche. 

Ich durf­te ihm eini­ge Male per­sön­lich begeg­nen – und war immer neu beein­druckt von sei­ner sich zurück­neh­men­den Prä­senz, sei­ner Brü­der­lich­keit, sei­nem Humor. Auch im hohen Alter noch hat­te er mir nie den Ein­druck gege­ben, er sei nicht bei der Sache, er sei nicht wach im Gespräch. Im Gegen­teil. Und obwohl ich einer von meh­re­ren tau­send Bischö­fen bin, zumal in einer klei­nen Diö­ze­se, wuss­te er erstaun­li­cher­wei­se immer ein per­sön­li­ches Wort. Bete für mich in Alt­öt­ting“, war sein wie­der­hol­ter Abschieds­gruß. Uns ein­zel­ne Ver­tre­ter der Kir­che in Deutsch­land hat er immer mit gro­ßem Wohl­wol­len begrüßt, auch dank­bar dar­um wis­send, wie­viel bei uns vor allem durch die Hilfs­wer­ke für die Kir­che in der Welt getan wird. Gleich­zei­tig gab es in ihm auch Skep­sis dar­über, wie wir in unse­rem Land katho­li­sche Kir­che sind – als eine rei­che Kir­che mit gro­ßem Appa­rat und einem Ver­ständ­nis von Syn­oda­li­tät, an das er sei­ne Fra­gen hat­te. Was Syn­oda­li­tät für ihn war, dar­in durf­te ich eine Art per­sön­li­che Anlei­tung“ durch ihn erle­ben, da ich einer der Bischö­fe war, die er selbst zur Welt­bi­schofs­syn­ode über Syn­oda­li­tät ein­ge­la­den hat­te. Über Wochen haben wir uns – meist auch in sei­ner Anwe­sen­heit — im Zuhö­ren geübt, im Hören auf Got­tes Geist, im Hören auf­ein­an­der. Syn­odal Kir­che-sein heißt: Gemein­sam gehen, gemein­sam unter­wegs sein, in Ehr­lich­keit und Trans­pa­renz, und mit der Betei­li­gung mög­lichst aller – gera­de auch mit denen, die anders den­ken als ich selbst. 

Sein ers­ter eige­ner gro­ßer Text als Papst war das Schrei­ben Evan­ge­lii gau­di­um“ – ein pro­gram­ma­ti­scher Auf­takt sei­nes Pon­ti­fi­kats. Der ers­te Satz lau­tet: Die Freu­de des Evan­ge­li­ums erfüllt das Herz und das gesam­te Leben derer, die Jesus begeg­nen.“ Jesus begeg­nen, sich von ihm berüh­ren, ret­ten, hei­len las­sen – das stand für ihn in der Mit­te aller Ver­kün­di­gung. Beson­ders der barm­her­zi­ge Jesus soll in der Kir­che von heu­te und mor­gen ver­kün­det wer­den – in Wort und Tat. Die­ser Akzent soll­te bald in das gro­ße Jahr der Barm­her­zig­keit“ mün­den. Die Kir­che sei ein Feld­la­za­rett“, die Eucha­ris­tie kei­ne Beloh­nung für die Star­ken, son­dern Medi­zin für die Schwa­chen“, eine ver­beul­te Kir­che“ sei ihm lie­ber als eine, die nur schön anzu­se­hen, aber letzt­lich lieb­los, ste­ril ist. Das waren und sind Bil­der, die blei­ben. Immer und immer wie­der aber: Jesus ver­kün­di­gen, zur Freund­schaft mit Jesus ein­la­den; Men­schen hel­fen, ihm zu begeg­nen. Die inner­ku­ria­le Reform in Rom führ­te dann auch dazu, dass die ers­te und wich­tigs­te Behör­de (Dik­as­te­ri­um) fort­an nicht mehr die­je­ni­ge für die Glau­bens­leh­re ist, son­dern die­je­ni­ge für die Evangelisierung. 

Der Jesu­it Fran­zis­kus woll­te Pro­zes­se ansto­ßen: die Zeit ist wich­ti­ger als der Raum“ hat er dazu geschrie­ben – und in der Kir­che hat er damit eine Frei­heit des Gesprächs ermög­licht, die in die­ser Wei­se vor­her kaum gekannt war. Frei­lich soll es ein Gespräch sein, in dem die gan­ze Kir­che die geist­li­che Unter­schei­dung“ lernt und ein­übt – also viel weni­ger in poli­ti­schen Kate­go­rien um Mehr­hei­ten oder Min­der­hei­ten denkt und agiert, oder um kon­ser­va­ti­ve oder libe­ra­le Posi­tio­nen, son­dern immer danach sucht, was der Geist der Kir­che und den Gläu­bi­gen sagt. Und zwar allen: den Bischö­fen und den Lai­en, den Pries­tern und den Armen, den Jun­gen und Alten, den Frau­en und Män­nern der Kir­che und dar­über hin­aus. Auch sein eige­nes Gespräch mit sei­nen Anstö­ßen ging weit über inner­ka­tho­li­sche Begeg­nun­gen hin­aus: Die Öku­me­ne, das inter­re­li­giö­se Gespräch, die welt­wei­te Ver­ant­wor­tung aller für das gemein­sa­me Haus“ und den Frie­den in der Welt waren ihm Her­zens­an­lie­gen, die bei­den gro­ßen Enzy­kli­ken Lau­da­to si“ und Fratel­li tut­ti“ ste­hen exem­pla­risch für die­se Bemühungen. 

Die Kir­che, so Fran­zis­kus, dür­fe nicht um sich selbst krei­sen, son­dern müs­se an die Rän­der“ gehen, so ein immer wie­der wie­der­hol­tes Wort, das er eben­falls selbst beher­zig­te. Sei­ne Aus­lands­rei­sen führ­ten bevor­zugt eher nicht in pri­vi­le­gier­te Län­der des Wes­tens, son­dern eher in kri­sen­ge­schüt­tel­te oder in sol­che, in denen Chris­ten in deut­li­cher Min­der­heit sind. Auf sei­ner Rei­se­lis­te der letz­ten Jah­re fin­den sich bei­spiels­wei­se Myan­mar, Ban­gla­desch, Ägyp­ten, Marok­ko, Mosam­bik, Mada­gas­kar, der Irak, Kasach­stan oder Kon­go. Und die Chris­ten aus sol­chen Län­dern woll­te er fol­ge­rich­tig auch immer wie­der in die Mit­te stel­len. Nicht weni­ge Kar­di­nals­er­nen­nun­gen durch Fran­zis­kus erfolg­ten oft völ­lig über­ra­schend und gegen bis­her übli­che Gepflo­gen­hei­ten nicht für tra­di­ti­ons­rei­che Bischofs­sit­ze, son­dern für Bischö­fe und sogar einen Weih­bi­schof von den Rän­dern“. Papst Fran­zis­kus, der nach eige­nen Wor­ten vom Ende der Welt“ nach Rom gekom­men war, rück­te die Enden der Welt in die Mit­te und macht sei­ne Kir­che damit noch mehr zur Weltkirche. 

Die Fami­lie und die jun­gen Men­schen waren ihm Her­zens­an­lie­gen – und die zwei Bischofs­syn­oden dazu ließ er begin­nen mit Umfra­gen aus allen Diö­ze­sen der Welt: Wie denkt das Volk Got­tes zu den rele­van­ten Fra­gen über Fami­lie und jun­ge Men­schen?“ Amo­ris lae­ti­tia“ und Chris­tus vivit“ hei­ßen die nach­syn­oda­len Schrei­ben zu den bei­den The­men, in denen Fran­zis­kus einen unver­kenn­ba­ren Sprach­stil pflegt, nah beim Leben und mit Aus­drucks­for­men, die die Men­schen ver­ste­hen – und trotz­dem erfüllt von geist­li­cher Tie­fe, nah bei Jesus. Als Sale­sia­ner Don Boscos hat mich sei­ne herz­li­che Nähe zu den jun­gen Men­schen immer beson­ders berührt. Die Welt­ju­gend­ta­ge mit ihm waren für zahl­lo­se Jugend­li­che tief berüh­rend und nicht sel­ten lebens­ver­än­dernd. Sei­ne letz­te Enzy­kli­ka, die er uns geschenkt hat, war ein Schrei­ben über das Herz Jesu – und über das so gro­ße Geheim­nis des Her­zens von uns Men­schen. Dil­e­xit nos“ heißt das Schrei­ben: ER hat uns geliebt“ – Das war der unver­brüch­li­che Glau­be sei­nes Lebens: Chris­tus hat uns zuerst geliebt. Ein Text als Ver­mächt­nis, der immer neu ver­dient medi­tiert zu werden. 

War Fran­zis­kus ein Refor­mer? Ohne Fra­ge. War er ein Kon­ser­va­ti­ver? Was immer das in die­sem Kon­text meint! Der Papst ist Prin­zip der Ein­heit, der Ein­heit im Glau­ben des Got­tes­vol­kes – und in die­sem Sinn war es ihm Auf­ga­be, den Glau­ben der Kir­che auch zu wah­ren – und ihn in neu­er Zeit in neu­er Spra­che zu sagen und zu leben. Das hat er in mei­ner Ein­schät­zung getan. Dass er dabei bis­wei­len irri­tiert hat, dass er bis­wei­len gera­de in Inter­views Din­ge offen gelas­sen hat, manch­mal die von streng sys­te­ma­tisch den­ken­den Theo­lo­gen gewünsch­te Prä­zi­si­on hat ver­mis­sen las­sen, liegt wohl dar­an, dass er Pro­zes­se ansto­ßen und auf den Weg brin­gen und sehen woll­te, wohin der Geist die Kir­che führt. 

Einer sei­ner schöns­ten Tex­te heißt: Gau­de­te et exsul­ta­te“. Dar­in geht es um Hei­lig­keit, vor allem um die Hei­lig­keit im all­täg­li­chen Leben – um eine Beru­fung für jeden Chris­ten und jede Chris­tin, die mit Jesus leben will. Bei allem Enga­ge­ment hin­ein in die sozia­len, öko­lo­gi­schen und poli­ti­schen Wel­ten hin­ein, hat Fran­zis­kus aus mei­ner Sicht die­se inne­re Mit­te des Glau­bens nie aus dem Blick ver­lo­ren, son­dern im Gegen­teil – immer bewahrt. In mei­nen per­sön­li­chen Tref­fen mit ihm habe ich ihn immer als einen Mann im inne­ren Frie­den ange­trof­fen, ohne Angst vor dem, was kommt; als einen Mann, der selbst auch zu die­sem Frie­den und die­ser Furcht­lo­sig­keit ermu­tigt hat: Hab Ver­trau­en und geh im Frie­den wei­ter. Das wich­tigs­te in Dei­nem Leben“, hat er ein­mal zu mir gesagt, ist Dein sale­sia­ni­sches Herz und die Nähe zu den Men­schen. Und bleib demü­tig, sonst holt Dich der Teu­fel.“ Das war Fran­zis­kus in sei­ner Nähe und mit sei­nem gro­ßen Her­zen! Und wenn die Furcht­lo­sig­keit nach 1 Joh 4,18 ein Kenn­zei­chen der voll­kom­me­nen Lie­be“ ist, dann hat­ten wir in ihm womög­lich einen hei­li­gen Mann unter uns, der jetzt umso inni­ger beim Vater für sei­ne Kir­che ein­tre­ten kann. Lie­ber, ver­ehr­ter Papa Fran­ces­co, lebe in Frieden. 

Bischof Dr. Ste­fan Oster SDB

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