Zuhause – eigentlich ein Ort der Sicherheit, des Schutzes und der Geborgenheit. Doch immer wieder wird das eigene Zuhause zum Tatort. Häusliche und sexuelle Gewalt gegen Frauen findet täglich in allen Gesellschaftsschichten statt. Betroffen sind zum einen die Gewaltopfer selbst. Doch auch Kinder, die Gewalt mitansehen müssen, tragen seelische und häufig auch körperliche Spuren mit sich. All diese Faktoren werden beim Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen am 25. November 2022 beleuchtet.
Die Passauer Aktionsgruppe „Nein zu Gewalt an Frauen“ beteiligt sich seit nunmehr 15 Jahren an diesem Aktionstag, um das Thema, das oftmals hinter verschlossenen Türen stattfindet, in das Licht der Öffentlichkeit zu rücken. Die Gruppe will Aufmerksamkeit erzeugen, sensibilisieren und Unterstützungsangebote aufzeigen. „Wie bereits im Vorjahr wird in der Passauer Fußgängerzone eine Mahnwache stattfinden. Wir werden am 25. November zwischen 15 und 17 Uhr 150 Kerzen entzünden, die symbolisch für die rund 150 Frauen stehen, die in Deutschland alljährlich durch häusliche und sexualisierte Gewalt ihr Leben verlieren“, kündigte Kathrin Plechinger, Geschäftsführerin des Katholischen Deutschen Frauenbundes (KDFB) in der Diözese Passau, im Rahmen einer Pressekonferenz an. Im Zuge der Mahnwache werden die Mitglieder der lokalen Gruppe zudem aktiv auf Passantinnen und Passanten zugehen und das Gespräch suchen. Auch Pflastermäppchen, auf denen die Kontaktdaten von Nothilfestellen für Betroffene, Angehörige und Freunde aufgedruckt sind, werden verteilt. Anschließend findet um 18 Uhr in der Evangelischen Kirche St. Matthäus eine ökumenische Andacht unter dem Motto „Sammle meine Tränen in deinem Krug“ statt. An der Gestaltung sind Schülerinnen der Fachakademie für Sozialpädagogik aktiv beteiligt. Zum Rahmenprogramm gehört weiterhin ein Vortrag, der bereits am Dienstag, 22. November, um 19 Uhr angeboten wird. In der Beratungsstelle von pro familia in Passau wird Sonja Schmid von der Fachstelle Täterarbeit zum Thema „Wie sieht häusliche Gewalt aus und was kann ich tun?“ referieren. Die Fachstelle Täterarbeit besteht seit fast zwei Jahren und richtet sich federführend an erwachsene Täter, die häusliche Gewalt ausüben.
„Vorrangiges Ziel ist natürlich die Beendigung von Gewaltausübung. Deshalb verstehen wir unsere Arbeit auch als Opferschutz”
Sie wies zudem darauf hin, dass häusliche Gewalt nicht nur ein privates Problem sei, sondern ein gesellschaftliches Thema, um das sich die Gesellschaft auch kümmern müsse.
Die Tragweite der Problematik verdeutlichen aktuelle Zahlen. Während die Statistik für Bayern einen Rückgang der gemeldeten Fälle um 4,9 Prozent belegt, wurde in Niederbayern ein Anstieg um 4,7 Prozent verzeichnet. Demnach gab es laut Informationen des Polizeipräsidiums Niederbayern im Jahr 2021 rund 1.770 gemeldete Fälle für Niederbayern. Im Jahr 2020 waren es fast 1.700 gemeldete Fälle. Hinter diesen „nackten Zahlen“ stehen Schicksale. „Man muss sich das vor Augen halten: In Niederbayern findet jeden Tag mehr als dreimal häusliche Gewalt im Hellfeld statt. Und wir wissen nicht, was im Dunkelfeld passiert“, verdeutlichte Sonja Schmid. Die Anzahl männlicher Tatverdächtiger lag bei 81,5 Prozent, die Anzahl weiblicher Opfer bei 81 Prozent. Besonders erschreckend: In fast 40 Prozent der Fälle waren Kinder anwesend. Das bleibt nicht ohne Folgen. Selina Wagner, Leiterin des Passauer Frauenhauses, stellte heraus: „Auch das Beobachten von Gewalt ist erlebte Gewalt.“ Sie gab zudem Einblicke in die Situation im Frauenhaus. Anders als erwartet seien die Zahlen Schutz suchender Frauen mit ihren Kindern in den Akutzeiten der Corona-Pandemie rückläufig gewesen. Dies erklärte sie damit, dass die Möglichkeiten für Frauen, Hilfe zu suchen, erschwert gewesen seien, wenn die Familie die Zeit stetig auf engstem Raum miteinander verbringen musste. „In diesem Jahr haben wir nun eine steigende Auslastungsquote, die bei über 80 Prozent liegt“, so Wagner. Immer wieder müssten Betroffene abgewiesen und in anderen Einrichtungen untergebracht werden, wenn alle neun Plätze im Frauenhaus und auch die zwei Notplätze bereits belegt seien. Doch was ist die Ursache für häusliche Gewalt an Frauen? Melanie Wagner, Gleichstellungsbeauftragte des Landkreises Passau und Koordinatorin des „Runden Tischs gegen häusliche Gewalt“, formulierte eine klare Antwort: „Frauenrechte sind nach wie vor keine Selbstverständlichkeit. Sie müssen unbedingt gestärkt werden.“ Auch dafür will sich die Passauer Aktionsgruppe „Nein zu Gewalt an Frauen“ am 25. November 2022 einsetzen.
Info: Mitglieder des Passauer Aktionskreises „NEIN zu Gewalt an Frauen“ sind das Referat Frauen und Männer der Diözese Passau, die Gleichstellungsbeauftragte in Stadt und Landkreis Passau, amnesty international, der KDFB-Diözesanverband, das evangelische Dekanatsfrauenteam, pro familia, Solwodi e. V., der Sozialdienst katholischer Frauen/das Frauenhaus, die VHS Passau, der Weiße Ring und das Aktionsbündnis gegen Bierzeltsexismus.
Text: Katholischer Deutscher Frauenbund Passau