Ich freue mich, dass ich heuer am Ende meines alljährlichen Erdenrundgangs einmal Gelegenheit habe, mich an Euch zu wenden. Wo gibt es denn das schon, dass ein so bekannter Heiliger wie ich im Originalton „posthum“ ein paar Worte in eigener Sache von mir geben kann.
Mein Herz geht auf, wenn ich aus dem Mund der Kinder das Lied höre „Lasst uns froh und munter sein …”, da heißt es nämlich in der dritten Strophe: „Niklas ist ein guter Mann“. Es fällt mir jedes Mal ein Stein vom Herzen, wenn man den Kindern das Bild eines guten Mannes vermittelt. Da fühle ich mich gut wiedergegeben. Überhaupt möchte ich bei dieser Gelegenheit einmal meinen vielen irdischen Stellvertretern danken, die sich in diesen Tagen von Haus zu Haus auf den Weg machen und die Kinder mit vielen guten Sachen beschenken. Ein paar schwarze Schafe gibt es freilich immer noch, auf beiden Seiten: Es ist nicht nötig, mich als Erziehungsmittel zu missbrauchen. Mir stehen jedes Mal die Haare (unter der Mitra) zu Berge, wenn ich sehe, wie Eltern ihre Kinder durch den zu Besuch kommenden Nikolaus tadeln, strafen, bloßstellen und ihnen die heißgeliebten Schnuller abnehmen lassen. Ein Armutszeugnis, wenn Eltern ihren Kindern dies nicht anders vermitteln können. Ich habe in meiner Familie erfahren, dass das beste Erziehungsmittel immer noch die Liebe ist. Man muss Kindern Halt geben und auch „Halt!“ sagen. Das ist Aufgabe der Eltern, aber nicht die des Nikolauses.
Bei dieser Gelegenheit möchte ich euch noch etwas zu meiner Person erzählen, weil Ihr mich ja damals nicht mehr persönlich erlebt habt, vor 1600 Jahren. Es ist mir zwar peinlich, mich selbst als Heiligen hinzustellen, aber Ihr wisst ja, dass ich ein bescheidener Bischof bin. Wegen meiner Freigebigkeit und Hilfsbereitschaft wurde ich damals in Myra als „Freund der Kinder“ vom ganzen Volk verehrt und geliebt. Es gibt einige schöne Geschichten, wie ich anderen Menschen in einer Notsituation helfen konnte, die bekannteste ist die mit den 3 Mädchen und den goldenen Äpfeln … In der Neuöttinger Stadtpfarrkirche – die freundlicherweise gemeinsam mit anderen Innstadtkirchen — nach mir benannt wurde, steht eine sehr schöne Statue, die mich mit diesen 3 goldenen Äpfeln zeigt.
Damit ich die guten Sachen für die Kinder nicht selbst tragen muss, mein Rückgrat schone und mit meinem Bischofsstab durchs Land ziehen kann, habe ich einen treuen Helfer, den Knecht Ruprecht als Begleiter dabei. Er hat neben einem Sack für die Geschenke auch eine Segensrute in der Hand. Mit ihr soll er — ähnlich wie ein Bischof bei der Firmung — das betreffende Kind zart berühren und ihm mit diesem lebendigen Zweig Fruchtbarkeit und Wohlergehen verheißen. Liebe/r LeserIn, wenn Dich also ein Vertreter meines lieben hilfsbereiten Knecht Rupprechts zu sehr „gesegnet“ oder gar zu heftig angegangen hat, dann klär ihn bitte auf, welchen Ursprung die Rute hat.
Weil ich grad dabei bin: ein Vertreter von mir ist nur „echt“ mit Mitra (=Bischofsmütze) und Stab. Ein Weihnachtsmann ist etwas anderes. Die vermehren sich ja enorm und man begegnet ihnen die ganze Adventszeit in den Geschäften und bei anderen „Events“. Mich erinnert das ein wenig an Disneyland. Man hat den Eindruck, dass bei euch das ganze Jahr über Fasching ist.
Ich will den Menschen ihren Spaß ja nicht nehmen, aber der ganze Wirbel um die Weihnachtsmänner ist wohl auch ein Ausdruck von einem Unvermögen, die Adventszeit noch als eine Zeit der Besinnung zu feiern. Schade, euch geht in eurer Hektik so viel verloren und ihr sucht alles in Äußerlichkeiten, was ihr nur in eurem Innern finden könnt. Da freut es mich schon, dass viele den Brauch des Heiligen Nikolaus in den Familien wieder hoch halten und die Adventszeit wieder ganz bewusst gestalten. Ja auch in der Werbeindustrie ist ein Umdenken zu sehen. Jedenfalls sah ich vor kurzem in der Werbung, wie eine bekannte Schokoladenfirma wieder mein ursprüngliches Outfit mit Bischofsmütze ins Rennen geschickt hat. Erhältlich im Domladen zu Passau.
Das war’s nun für dieses Jahr. Ich wünsche euch noch eine gute Zeit der Vorbereitung auf die Geburt Jesu Christi. ER möge in euch allen eine offene Herberge vorfinden.
Euer Freund und Bischof Nikolaus
Text: Ingrid Weißl