Die Skulptur „Ohnmacht“ war das zentrale Element bei der Pontifikalandacht für Betroffene und mit Betroffenen sexuellen Missbrauchs im Passauer Stephansdom am Sonntag, den 12. November mit Bischof Stefan Oster. Das Kunstwerk von Künstler und Bildhauer Andreas Kuhnlein wurde zu Beginn der Andacht von Bettina Sturm, Präventionsbeauftragte im Bistum Passau, enthüllt. Die Skulptur mit ihrem Hintergrund vorgestellt und zum Thema hingeführt hat dann Siegfried Lang, Sprecher des Betroffenenbeirats im Bistum. „Das Wort Ohnmacht führt uns unmittelbar zum Anliegen dieses Gottesdienstes: Gedanken und Gebet für die Opfer des erschütternden Missbrauchsgeschehens in der katholischen Kirche. Ich denke, es ist nicht schwer, der Not und dem Leid Betroffener nachzuspüren, zu verstehen, dass physische und psychische Belastungen unterschiedlicher Ausprägung den Lebensweg belasten“, erklärte Lang. Die Skulptur lenke den Blick sowohl auf die Betroffenen, als auch auf die Täter, die Familien und die Gesellschaft allgemein. Sie fordere die katholische Kirche auf, „die konsequente Aufarbeitung des Missbrauchsgeschehens nachhaltig voranzutreiben“, so Lang. Er schloss mit den Worten: „Der Betroffenenbeirat wünscht sich, (…) dass auf der Grundlage unseres christlichen Glaubens wieder gegenseitiges Vertrauen möglich wird.“
Mit einem Dank an die Gebetsgemeinschaft, dem Betroffenenbeirat und der Aufarbeitungskommission im Bistum Passau eröffnete Bischof Stefan Oster die Andacht. „Das ist ein Thema, das uns alle ins Mark trifft“, bekundete er seine tiefe Betroffenheit. „Das ist eine Lerngeschichte für uns als Kirche, die hinter und sicher auch noch vor uns liegt.“
Die Skulptur sei Symbol für „die Brutalität des Daseins, des Menschen“, betonte Dr. Stefan Rammer, Mitglied der Aufarbeitungskommission im Bistum Passau, bei seinen Gedanken zur Skulptur. Zugleich zeige sie die Verletzlichkeit des Menschen und fordere zum Hinhören, Hinsehen und Helfen auf, so Rammer. „Eine solche Kunst braucht es hier im Dom. Es wäre schön, wenn auf diese Skulptur eine folgt, die dauerhaft auf die Fehlbarkeit der Menschen innerhalb der Institution Kirche verweist, die uns anschreit, auf dass wir hinsehen mögen.“
„Eingedreht-sein und die ausgebreiteten Arme des Gekreuzigten“
Das Thema „Ohnmacht“ bestimmte auch die Predigt von Bischof Oster. „Aus Verletzung, Angst, Vertrauensverlust und Missbrauch“ könne man ohnmächtig sein, betonte er zu Beginn. Für Betroffene von Missbrauch könnten Verletzungen zerstörerisch sein, so Oster, und könnten bis hin zur Depression führen. „Was tun?“ Das möchte er beim Blick auf den gekreuzigten Christus fragen. Handlungsunfähig und qualvoll sterbend teile er uns mit: „Es ist für dich!“ Nicht zusammengekrümmt, sondern mit ausgebreiteten Armen, habe uns Jesus am Kreuz sein Herz entgegengestreckt, betonte der Bischof, „ein Herz, das sich freiwillig verwundbar macht bis in den Tod“. All das tue Christus, damit es ein allmählich wachsendes Vertrauen geben könne in einer Welt, die ursprünglich in der Hand Gottes liege. „Auch bei uns in der Kirche gibt es eine Ohnmacht“, so der Bischof, eine Einkrümmung, die nicht sehen und hören lasse, die blind mache, nur das Eigene sehe und das Leid der Betroffenen nicht als Herzensanliegen sehe, weil es auch das eigene Herz verwunden könnte. Für jeden Christen gelte aber grundsätzlich: „Der Gekreuzigte mit den ausgebreiteten Armen ist die alles Leid auf sich nehmende, alle Versöhnung und Vergebung ermöglichende, ewige Liebe in Person.“ Alle bräuchten Christus als eine Quelle der Heilung, die von dieser Welt nicht mehr zu erwarten sei, betonte der Bischof. Christus allein sei „diese innere Nahrung, damit sich Verkrümmungen lösen, Wunden heilen und wir alle den Weg trotz Allem weitergehen können.“
Die Predigt zum Nachhören als Podcast
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Nach dem gemeinsamen Gebet zum Gedenktag und den Fürbitten, verlesen durch Mitglieder der Aufarbeitungskommission und des Betroffenenbeirats, lud Bischof Stefan Oster noch zum Gespräch im LaCantina (HOME) am Domplatz.
Organisiert wurde der Gebetstag von der Stabstelle Prävention gegen sexualisierte Gewalt in Kooperation mit dem Betroffenenbeirat im Bistum Passau. Musikalisch umrahmt hat die Pontifikalandacht das Vokalensemble CAPELLA CATHEDRALIS unter der Leitung von Domkapellmeister Andreas Unterguggenberger.
Die Skulptur „Ohnmacht“
Die Skulptur „Ohnmacht“ von Andreas Kuhnlein ist noch bis zum 26. November im Dom ausgestellt. Alle Besucherinnen und Besucher sind dazu eingeladen, ihre Gedanken zur Skulptur und zum Thema „sexualisierte Gewalt“ in das bereitgelegte Buch zu schreiben.
Podcast mit Siegfried Lang (Sprecher Betroffenenbeirat)
Im Podcast spricht Siegfried Lang, Sprecher des Betroffenenbeirats im Bistum Passau, über die Arbeit im Rat, den Gebetstag und erklärt, was es mit der Skulptur “Ohnmacht” von Andreas Kuhnlein auf sich hat.
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Mehr zum Thema Prävention gegen sexualisierte Gewalt
Weitere Informationen rund um das Thema Prävention gegen sexualisierte Gewalt von Seiten des Bistums Passau mit Ansprechpartnern und Kontakt erhalten Sie hier auf folgender Seite: