
Das schlechte Wetter hatte die Palmbuschenweihe und die feierliche Prozession vom Dominnenhof durch das Hauptportal ins Innere des Stephansdoms sprichwörtlich ins Wasser fallen lassen. „Normalerweise beginnen wir draußen, um nachzuvollziehen, wie Jesus in an diesem Tag in Jerusalem eingezogen ist“, sagte Bischof Stefan Oster zu den zahlreichen Gläubigen, die gekommen sind, um mit dem Gottesdienst am Palmsonntag den Auftakt hinein in die Karwoche zu feiern.
Jesus zieht auf einem Esel in Jerusalem ein, in seine von Gott erwählte und von David gegründete Stadt, „in der er Wohnung nehmen wollte“, so der Bischof. Begleitet wird er bei seinem Einzug von begeisterten Hosianna-Rufen der Menschen mit ihren Palmzweigen. „Wir haben uns die letzten Wochen auf Ostern mit Fasten und Gebet auf Ostern vorbereitet, um mit reinem Herzen auf diese Tage zuzugehen“, so Oster. Jubel und Begeisterung verkehren sich in wenigen Tagen ins Gegenteil und am Ende wird Jesus außerhalb der Stadt gekreuzigt. „Er wurde von den Seinen nicht aufgenommen.“
Für Bischof Stefan ist diese Ausgrenzung auch sinnbildlich für unser eigenes Leben: „Lassen wir ihn einziehen in unser Innerstes?“ Auch als gläubige Christinnen und Christen dürften wir uns immer wieder die Frage stellen, wie sehr ER, der die Liebe und die Wahrheit ist, in unser Herz einziehen und regieren darf. „Oder entscheide ich mich mit vielen — die ihn beim Einzug bejubelt haben — gerade dann, wenn es darauf ankommt, dafür, dass er doch außerhalb der Stadt bleiben muss? Auch außerhalb der Stadt meines eigenen Inneren?“
„Lassen wir ihn einziehen in unser Innerstes?”
Der Bischof vergleicht Jesus mit dem buchstäblichen Sündenbock, „der alles auf sich nimmt, was in jedem von uns nicht richtig, nicht wahr, nicht voller Liebe, nicht gerade ist.“ ER trägt alles. „Bereiten wir ihm ein Willkommen und lassen ihn aufräumen in uns und uns dadurch heiler und heiliger machen? Oder wollen wir selbst regieren, selbst die Herren und Damen unseres Lebens sein und ihn draußen sein lassen? Das ist die Frage unseres Lebens und die Frage, vor der wir jedes Mal neu stehen, vor allem in dieser Karwoche.“
Erstmals haben bei der diesjährigen Palmsonntagsliturgie neben dem Domchor auch die Kinder- und Jugendlichen der Domsingschule unter der Leitung von Domkapellmeister Andreas Unterguggenberger mitgewirkt. Die traditionellen Gesänge des Palmsonntags erzählen davon, dass gerade Kinder beim Einzug Jesu in Jerusalem das „Hosianna“ gesungen haben. Domchor und Domsingschule sangen Motetten zum Palmsonntag von F. Schubert, A. Bruckner, H. Purcell und Heinrich Schütz. Zudem erklang die Missa tertia von Lajos Bardos. An der Orgel spielte Domorganist Ludwig Ruckdeschel.