
Nicht die Asche hüten, sondern das Feuer weitertragen“ – unter diesem Thema stand die erste Pastoraltagung im Oktober des Jahres 2022. Hauptreferent war der Universitätsprofessor Andreas Wollbold aus München. Der Pastoraltheologe stellte vor allem die Arbeit mit den Menschen in den Mittelpunkt sowie die Frage, wie pastorale Arbeit in Zukunft gestaltet werden kann.
Jährlich finden im Bistum Passau Pastoraltagungen statt. Hierzu sind alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Bistums eingeladen, um sich gemeinsam über die für die Pastoral relevanten Themen auszutauschen. So auch heuer: An drei Tagen kamen rund 250 pastorale Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zusammen, um sich mit unterschiedlichen Referenten über die aktuelle Lage der Kirche auseinander zu setzen und Wege zu suchen, wie der Glaube an die nächste Generation weitergegeben werden kann.
Während an der zweiten Tagung Domkapitular Dr. Anton Spreitzer das Thema „Spekulatives zur Gabe der Verkündigung“ aufgriff und an der dritten Otto Neubauer über „Gelingen & Scheitern, Neuanfänge, Lernprozesse der Glaubensweitergabe vor Ort“ sprach, machte Prof. Dr. Andreas Wollbold im Haus der Begegnung in Burghausen den Auftakt. Der Professor für Pastoraltheologie und Homiletik der Ludwig- Maximilian-Universität München stellte seinen Vortrag unter das Motto: „Schritte gehen statt Däumchen drehen.“ So richtete er seinen Blick auf die Lage des Glaubens und seine Vermittlung, ihre Herausforderungen und Probleme und zeigte auf, dass die Bewegung der Säkularisierung voranschreite – „zumindest als Loslösung vom christlichen Credo und christlicher Lebenspraxis“, wie Prof. Wollbold betonte. Deutlich zeige das die Soziologie auf: Die Bewegung gehe in Richtung Transformation, Pluralisierung, Entinstitutionalisierung, Traditionsabbruch und Privatisierung.
Daraus ergeben sich jedoch zwei große Chancen. Einerseits werde Religion nun von der Last befreit, Grundlage und Kitt der Gesellschaft zu sein. Dies führe dazu, dass sie Raum für ihre ureigene Botschaft gewinne, sie neu entdecken und bezeugen könne. Andererseits könne die Kirche entschiedener christlich werden. „Das ermöglicht eine prophetische Rolle der Religion, sodass sie das neue, andere Gottesbild und seine Wege bezeugen und so eine alternative Lebensführung formulieren kann – gerade im Bereich Sexualität und als Lösung der Probleme der heutigen Zeit“, so Wollbold.
Durch ein 10-Stufen-Modell gab der Professor einen Einblick in den Religiositätsindex christlich-kirchlicher Überzeugung und deren Praxis bezogen auf die Gemeinde bzw. Kirche. Deutlich zeigte er auf, dass die gemeindebezogene Religiosität abgenommen hat. Während in den 60er/70er Jahren die überwiegende Zahl der Pfarreibesucher noch ein volkskirchlicher Durchschnitt mit halbdistantem Gottesdienst- und Gemeindebezug war, hat man heute überwiegend Personen mit christlicher Grundfärbung und punktuelle Berührungen, zum Beispiel bei Kasualien. Dieser vorherrschende Grad an Religiosität hänge mit den gesamtgesellschaftlichen Entwicklungen zusammen.
Zwar ließen sich diese gesamtgesellschaftlichen Trends durch vielfache Verstärkungen kaum mehr beeinflussen, doch könnten aus dem Ist-Zustand Hinweise auf mögliche pastorale Wege als Gegenkräfte zum gesamtgesellschaftlichen Trend ersichtlich werden. Hierzu sei es wichtig, „Trends, Werte und Verhaltensweisen kritisch auf ihre Anliegen und Defizite verstehen zu lernen“, so Prof. Wollbold. Als nächster Schritt müsse die christliche Alternative verstanden und auf ihre Alltagsrelevanz und Umsetzbarkeit hin eingeübt und ein Selbstbewusstsein des besseren Weges entwickelt werden. Im letzten Schritt bedürfe es der stabilen Verstärkung in verbindlichen Gemeinschaften. So könne die Krise zur Chance werden.
Text: Susanne Schmidt / pbb