Die zweitägige Pilgerfahrt nach Tschechien, die von der Männer- und Seniorenseelsorge des Bistums Passau Mitte Oktober initiiert war, gab aufschlussreiche Einblicke in die sehr bewegte Geschichte der böhmisch-bayerischen Marienverehrung. In Zusammenarbeit mit dem Bayerischen Pilgerbüro und der Diözesanpilgerstelle Passau war die Fahrt vorbereitet und durchgeführt worden. Die bekannten Wallfahrtsorte Příbram, Klatovy, der Geburtsort des Hl. Johannes Nepomuk und der Meditationsgarten „Denkmal für die Opfer des Bösen in der Welt“ in Plzeň (Pilsen) standen auf dem Programm. Pilgerbegleiter waren Theresia Hofbauer und Walter Sendner von der Senioren- und Männerseelsorge.
„Pilger auf dem Wege, Frieden suchen wir; unerfüllte Sehnsucht, überall und hier. Wer hört unsere Bitten und den Ruf „Shalom?“ Komm in unsre Mitte, Gott des Friedens komm.“ So hieß es im Eröffnungslied des Wallfahrtsgottesdienstes im Kloster Svatá Hora, auf dem Heiligen Berg Příbrams. Es wurde in Dankbarkeit der friedlichen Öffnung des Eisernen Vorhangs vor 30 Jahren gedacht. Die meisten Pilger hatten auch persönliche und familiengeschichtliche Anliegen mit an den über 300 Jahre alten Marienwallfahrtsort gebracht. Die Ruhestandsgeistlichen Erwin Böhmisch und Josef Remberger zelebrierten vor dem silbernen Gnadenaltar der „Schwarzen Madonna“ die Eucharistiefeier mit den Pilgern aus der Diözese Passau. Das Mittagsmahl konnten die Pilger im ehemaligen Refektorium des Klosters Svatá Hora einnehmen.
„Gottesvolk kann siegen, über Hass und Streit. Stärker als Gewalttat ist Gerechtigkeit. Tausendmal getreten, tausendmal verlacht, doch noch strahlt die Hoffnung in die dunkle Nacht.“ Diese Zeilen aus einem Text von Diethard Zils auf die Melodie von „Land of hope and glory“ von Edgar Elgar gesungen, brachte zum Ausdruck, was die Pilger im Meditationsgarten „Denkmal für die Opfer des Bösen“ erfahren konnten. Der Gründer dieses Gartens war Luboš Hruška (1927−2007). Er hat selbst als politischer Gefangener des kommunistischen Regimes in der ehemaligen Tschechoslowakei unter Gewalt und Verbrechen gelitten. Zusammen mit dem Bildhauer Roman Podrázský, den er dafür begeisterte, ein Gedenkort für alle Opfer von Gewaltherrschaft zu errichten, entstanden ausdrucksstarke Sandsteinplastiken, die den Kreuzwegstationen Jesu nachempfunden sind. Eingebettet sind die Skulpturen in eine botanisch sorgsam gestaltete Gartenlandschaft mit fremden und einheimischen Bäumen und Gewächsen. „Die Ruhe, das üppige Grün, die Steinmale und die religiöse Ausstrahlung haben mich überwältigt und nachhaltig beeindruckt“, äußerte ein Pilger. In der Kapelle des Gartens, die dem Märtyrer Maximilian Kolbe geweiht ist, hielten die Wallfahrer eine Gedenkandacht.
Der Besuch des Geburtsortes des Heiligen Johannes Nepomuk war ein weiterer Höhepunkt der Pilgerfahrt. An dem Ort, an dem etwa 1350 das Elternhaus des böhmischen Nationalheiligen stand, wurde von dem bekannten Baumeister Kilian Ignaz Dientzenhofer ab 1736 die doppeltürmige barocke Kirche geplant und erbaut. Im alten Pfarrhof der ursprünglichen St. Jakobus Kirche wurde nach dem Fall des Eisernen Vorhangs ein sehr aufschlussreiches Nepomuk-Museum eingerichtet. Die Pilger erfuhren hier, dass es wohl weniger eine Beichte der Königin war, weshalb der Hl. Johannes Nepomuk von der Prager Karlsbrücke in die Moldau gestoßen worden war, sondern weil er den König mit der Durchführung einer Abtswahl sehr erzürnt hatte, die dem Herrscher aus Machtinteresse nicht gelegen war. Peter Křiszek, ein einheimischer Reiseleiter hatte im Auftrag des Bayerischen Pilgerbüros, die Führung übersetzt und kommentierte im Nepomuk-Museum den Hintergrund des Märtyrertodes Nepomuks.
Er verstand es, den Pilgern die bewegte Geschichte des Christentums in Böhmen in aller Kürze transparent zu machen. Er schlug einen Bogen von der Christianisierung vor der ersten Jahrtausendwende bis zum 21. Jahrhundert.
Er benannte die Oppressionen die zu den Hussitenkriegen führten, die Reformation, den 30-jährigen Krieg und die Gewaltherrschaft des kommunistischen Regimes, wie auch die Gegenbewegungen, die das Land ruinierten oder zum Blühen brachten. Die Frömmigkeit der letzten beiden Jahrhunderte und insbesondere die Marienverehrung seien hauptsächlich von den Habsburgern und durch die Zuwanderungen aus dem bayerischen Raum nach Böhmen gekommen. Das kirchliche Leben in Tschechien leide ebenso wie in anderen europäischen Ländern am Neoliberalismus der Moderne, führte Peter Křiszek mit aktuellen statistischen Faktenangaben aus.
Er begleitete die Pilgergruppe bis nach Klatovy (Klattau). In der gotischen Stadtpfarrkirche Mariä Geburt aus dem 13. Jahrhundert erläuterte er den Wallfahrern die Kirche und die Bauepochen der Stadt. Die alte Kirche beherbergt das wundertätige Marienbild der Klattauer Madonna. Das Bildnis ist seit 1684 das Ziel zahlreicher Wallfahrten aus Bayern und Böhmen. Die Passauer waren insbesondere auch von dem üppig barocken „Böhmischen Himmel“ an einem Seitenaltar der Kirche fasziniert. Nach einer Andacht und dem Segen des Kaplans der Klattauer Stadtkirche vor dem Gnadenaltar hatten die Pilger Zeit, sich in der Stadt weiterer Sehenswürdigkeiten anzusehen. Die Jesuitenkirche, ein Werk von dem aus Passau bekannten Barockbaumeister Carlo Lurago, war allerdings wegen Renovierungsarbeiten geschlossen. Ähnlich war es den Pilgern in Plzeň (Pilsen) ergangen. Die Große Synagoge und die St. Bartholomäus Kathedrale waren wegen Bauarbeiten geschlossen und konnten nur von außen besichtigt werden.
Die Wallfahrer waren sich einig: Das sind gute Gründe sich bald wieder auf den Weg nach Böhmen zu machen. „Land der großen Hoffnung, Zukunft die uns winkt, Gott in unsrer Mitte, Sonne die nicht sinkt,“ heißt es in der letzten Strophe des oben schon zitierten Wallfahrerliedes. Damit war im Liedtext allerdings die Vollendung aller Pilgerschaft im Reich Gottes gemeint und nicht nur das böhmische Land.
Fotos und Text: Walter Sendner