Weihnachten liegt für viele in ihrer Erinnerung schon wieder relativ lange zurück, das neue Jahr ist schon fast wieder zwei Wochen alt und viele ungeahnte Möglichkeiten und Herausforderungen warten auf uns. Mehr dazu von Dompropst Michael Bär in seinem Impuls zum Sonntag.
Haben Sie Ihren Christbaum schon entsorgt? Heute ist ja der letzte Tag der weihnachtlichen Festzeit, Taufe des Herrn, bis heute könnte der Baum eigentlich stehen. Bei mir ist er allerdings schon seit Tagen seines Schmuckes beraubt und nach draußen verschwunden.
Ihnen entgeht ein toller Beitrag!
Weihnachten hat ja eine lange Vorlaufzeit, mehr als drei Wochen Advent. In manchen Wohnungen, in die ich vor Weihnachten komme, ragt er längst empor, der Christbaum und nach Wochen wird man seiner doch etwas überdrüssig. Nach den Feiertagen beginnt die Schule wieder, der Urlaub geht zu Ende, der Christbaum passt nicht mehr recht in die fortschreitende Zeit.
Freilich im Stephansdom steht nach wie vor die riesige Tanne und stemmt sich gegen das Ende der Weihnachtszeit, die das Konzil vor 60 Jahren erheblich verkürzt hat. Vorher reichten die glückseligen Wochen bis zum 2. Februar, bis Mariä Lichtmess, Darstellung des Herrn. Diese Tradition verfolgt der Dom-Christbaum – allerdings nur halbherzig. Seine über 1000 Lichter werden nicht mehr entzündet. Nur mehr an Mariä Lichtmess. Dann ist endgültig Schluss mit Weihnachten.
Ein Blick in die Heilige Schrift zeigt das vormalige Christkind ja auch schon als 30jährigen Mann, der sich von Johannes im Jordan taufen lässt. Keine Engel mehr, keine Hirten, keine Heiligen Drei Könige. Jesus startet seinen Weg in die Öffentlichkeit, sein missionarisches Wirken in Israel.
Ich bin froh, dass wir uns auch nicht mehr lange aufhalten in der staaden Zeit zwischen den Jahren, so schön, ruhig und goldig sie gewesen sein mag. In schnellen Schritten geht es jetzt wieder los. Die Weihnachtsdeko würde uns nur ablenken vom nüchternen Blick auf die Wirklichkeit. Angefüllt mit guten Vorsätzen geht es hinein ins neue, heilige Jahr.
Der nächste Christbaum kommt bestimmt, aber er lässt uns noch fast ein Jahr Zeit. Die christliche Abfolge von Fest- und Alltagszeiten gefällt mir, sie bringt einen belebenden Rhythmus. Wie langweilig wäre es selbst im Himmel, gäbe es dort nur Weihnachten.
Der Schriftsteller Heinrich Böll hat es kurz nach dem Krieg beschrieben in seiner Satire „Nicht nur zur Weihnachtszeit“. Als nach Lichtmess der Baum abgeschmückt werden soll, reagiert die alte Tante Milla mit unablässigem Geschrei. Also lässt man ihr ihren Weihnachtswillen und feiert mit ihr nun täglich zwei Jahre lang einen Heiligen Abend mit allem, was dazugehört. Sie ahnen es, die Familie wird verrückt bei derlei Skurrilitäten. Nur die greise Milla genießt das Schauspiel.
Wie gut, dass unser Christbaum schon weg ist. Das war vor diesem Hintergrund eine rechtzeitige, heilsame Entscheidung.
Text: Dompropst Dr. Michael Bär