
Der berühmte österreichische Neurologe und Psychiater Viktor Frankl prägte das Wort „Sonntagsneurose“. In diese würde der Arbeitende fallen, der „nichts als Arbeitsmensch“ sei. Am Sonntag, wenn sich das Tempo des Lebens verlangsamt, werde die Sinnarmut des großstädtischen Alltags offenbar. Ein schmerzhaftes, aber wahres Armutszeugnis, welches Viktor Frankl den im Hamsterrad unserer Leistungsgesellschaft gefangenen Menschen ausstellt. Dompropst Michael Bär beleuchtet in seiner Predigt diesen ganz besonderen Wochentag.
Was hat das preußische Militär mit unserem christlichen Sonntag zu tun? Die körperliche Verfassung der jungen Männer war durch Sonntagsarbeit derart verschlechtert, dass das Militär verlangte, der Sonntag müsse wieder arbeitsfrei gehalten werden. Und so kam es auch gegen Ende des 19. Jahrhunderts. Die Gewerkschaften zusammen mit der Kirche haben dann den Sonntag nachhaltig geschützt. Es heißt im Grundgesetz, das in diesen Tagen 75. Geburtstag feiert: „Der Sonntag und die staatlich anerkannten Feiertage bleiben als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung gesetzlich geschützt.“
Ihnen entgeht ein toller Beitrag!
Die seelische Erhebung wird in erster Linie von der Kirche gefordert. Sie will, dass die Gläubigen den Sonntagsgottesdienst mitfeiern können. Die Wurzel der Sonntagsheiligung liegt im jüdischen Sabbath. Das ist der Samstag. An diesem Tag ruhte auch Gott vom Schöpfungswerk aus. Das jüdische Gesetz verbietet sehr streng, an diesem Tag zu arbeiten. Man darf an ihm nicht weiter gehen als eine Meile, man darf von einem Raum in einen anderen nichts größeres tragen als ein Ei. Man darf kein Feuer entzünden. Und vieles andere mehr.
Der Sabbath als Ruhetag setzte sich auch im Römischen Weltreich durch. Erst ab der Konstantinischen Wende Anfang des 4. Jahrhunderts wurde der Sonntag, der erste Tag der Woche, der Tag der Auferstehung als arbeitsfreier Tag eingeführt. Allerdings dauerte es sehr lange, bis sich die Arbeitsfreiheit allgemein durchsetzte. Oft wurde zu einer sehr frühen Messe eingeladen und danach ging man zur Arbeit.
Der Freitag ist bei den Juden ein Vorbereitungstag, an dem man ein Bad nimmt und sich schön anzieht. Wenn sieben Sterne am Himmel stehen beginnt der Sabbath und die Kerzen werden angezündet. Ein Mahl wird gehalten. Man wünscht sich „Gut Schabbes“. Am Samstag geht man in die Synagoge und hält sich ruhig. Am Samstagabend endet der Sabbath.
Ich weiß es aus der Kindheit ebenfalls noch, dass der Samstag ein Tag der Vorbereitung auf den Sonntag war. Ein Kuchen wurde gebacken. Alles wurde geputzt und gesäubert. Es war der Badetag. Und am Sonntag wurde das schönste Gewand angezogen und man ging gemeinsam zur Kirche. In der Landwirtschaft wurde nur das nötigste gearbeitet. Das Mittagessen wurde sehr früh eingenommen, um einen langen freien Tag danach zu haben.
Bleibt die Frage, wie wir heute den Sonntag heiligen. Wir, die Gläubigen, die Kirche sollten uns mit allen zusammentun, die den Sonntag verteidigen. Denn er ist für uns Menschen da. Am Sonntag ist Jesus Christus auferstanden von den Toten. Das ist ein ganz besonderer Tag. Ein Tag des Gottesdienstes, der Familie, der Freunde. Ein Tag der Ruhe und Erbauung für Leib und Seele. Die Gesellschaft sollte wissen, wem sie dieses wertvolle Geschenk zu verdanken hat.
Dompropst Michael Bär