Wörter dienen der Verständigung und des Verstehens. Worte können nicht alles ausdrücken, aber sie können hindeuten auf das was nicht mehr gesagt, sondern nur noch gefühlt werden kann, so wie es oftmals bei Prosa und Lyrik der Fall ist. Mehr dazu von Dompropst Dr. Michael Bär in seiner Predigt zum 20. Sonntag im Jahreskreis am 20. August 2023.
Urlaubszeit ist Lesezeit. Wir lesen, um uns zu unterhalten, aber auch, um uns zu bilden. Lesen Sie manchmal Gedichte, keine langen Romane, sondern wenige Verse, die uns inner-lich bewegen? Drei lyrische Beispiele erlaube ich mir, Ihnen vorzutragen.
Die Psalmen sind ein Liederbuch der Bibel. Glaubenslyrik. Die Tradition schreibt einige von ihnen König David zu. Ly-rik sind Zeilen, die zur Lyra, zur Leier, zur Musik vorgetragen werden. Der Kantor singt deshalb im Antwortpsalm diese Verse. Sie stammen an diesem Sonntag aus dem Psalm 67.
Ihnen entgeht ein toller Beitrag!
Gott sei uns gnädig und segne uns.
Er lasse sein Angesicht über uns leuchten,
damit man auf Erden deinen Weg erkenne,
deine Rettung unter allen Völkern.
Die Nationen sollen sich freuen und jubeln,
denn du richtest die Völker nach Recht
und leitest die Nationen auf Erden.
Die Völker sollen dir danken, o Gott,
danken sollen dir die Völker alle.
Die Erde gab ihren Ertrag.
Gott, unser Gott, er segne uns!
Es segne uns Gott!
Fürchten sollen ihn alle Enden der Erde.
Ein heilsames Gedicht. Denn es beschreibt Gott als den segnenden, der uns rettet. In allen Lebenslagen brauchen wir den Segen. Ein Segensgedicht stärkt und tröstet uns.
Urlaubszeit ist Reisezeit. Wir freuen uns auf unbekannte Gegenden, schöne Architektur, beeindruckende Kultur. Und natürlich Entspannung und Erholung. Doch sein Jahresglück allein auf den Urlaub zu bauen, wäre zu kurz gedacht. Der Lyriker Gottfried Benn hat sich wertvolle Gedanken zum Reisen gemacht:
Meinen Sie Zürich zum Beispiel
sei eine tiefere Stadt,
wo man Wunder und Weihen
immer als Inhalt hat?
Meinen Sie, aus Habana,
weiß und hibiskusrot,
bräche ein ewiges Manna
für Ihre Wüstennot?
Bahnhofstraßen und Rueen,
Boulevards, Lidos, Laan –
selbst auf den Fifth Avenueen
fällt Sie die Leere an –
ach, vergeblich das Fahren!
Spät erst erfahren Sie sich:
bleiben und stille bewahren
das sich umgrenzende Ich.
Schließlich lassen wir Reiner Kunze zu Wort kommen. In diesen Tagen feierte der bekannte Lyriker seinen 90. Geburtstag. Er bringt Gott ganz behutsam zur Sprache. Ein Regentag gewinnt nach der Lektüre des folgenden Gedichtes eine neue Bedeutung.
Zuflucht noch hinter der zuflucht
Hier tritt ungebeten nur der wind durchs tor
Hier ruft nur gott an
Unzählige leitungen läßt er legen
vom himmel zur erde
Vom dach des leeren kuhstalls
aufs dach des leeren schafstalls
schrillt aus hölzerner rinne
der regenstrahl
Was machst du, fragt gott
Herr, sag ich, es regnet, was soll man tun
Und seine antwort wächst grün durch alle fenster
Was für eine Glaubenshoffnung hinter diesen kurzen Zeilen. Manchmal vergisst jemand sein Handy auszuschalten und es läutet während der Messe. Darauf sage ich gerne: Hier ruft nur Gott an. Amen.
Impuls von Dompropst Dr. Michael Bär