
Laut international anerkannten Studien ist der Geruchssinn der einzige unserer menschlichen Sinne, der direkt mit dem Gehirn verbunden ist. Ein Duft aus der Vergangenheit lässt diese also in Form einer Erinnerung also in Bruchteilen von Sekunden in unserem Gedächtnis wiederauferstehen. Mehr dazu von Dompropst Dr. Michael Bär in seiner Predigt an Heilig Abend, den 24. Dezember 2022
Die Advents- und Weihnachtszeit ist erfüllt von herrlichen Wohlgerüchen. Der Duft nach Plätzchen und Punsch durchzieht die Küchen, der Festtagsbraten lockt mit herrlichem Aroma, der Christbaum duftet nach Tannennadeln und Kerzen. Schnuppern wir miteinander ein wenig in die weihnachtlichen Düfte, die sich uns heuer darbieten.
Bei aller Weihnachtsseligkeit dürfen wir nicht vergessen, dass es im Stall von Bethlehem eher etwas streng roch oder gar stank nach Vieh und Mist. Das Jesuskind ist beileibe nicht in eine süß duftende Welt hineingeboren worden. Schweiß und Tränen erfüllten zunächst den Stall.
Erst als die Heiligen Drei Könige kamen, zogen Weihrauchschwaden mit herber Würze durch die Höhle. Ich erinnere mich zurück in meine Kindheit. Wir räucherten in der Rauhnacht die Ställe aus mit Weihrauch. So vertrieben wir das Unheil, den Gestank, die Krankheit aus dem Stall.
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Heuer stört der Pulverdampf kriegerischer Geschosse unseren empfindlichen Geruchssinn. Der Krieg in der Ukraine, verbrannte Häuser, Blutgeruch, Angstschweiß der Geflüchteten passen so gar nicht in die weihnachtlichen Wohlgerüche. Eine unangenehme Erinnerung an den Gestank, der auch zum Leben gehört und in den hinein das Jesuskind geboren wurde. Doch auch in der Ukraine, im Kriegsgebiet wird Weihnachten gefeiert. Möge es Gewalt und Krieg vertreiben und den Frieden bringen.
Im Chor des Passauer Doms stehen drei große, barocke Zinngefäße gefüllt mit den sogenannten Heiligen Ölen. Diese Heiligen Öle haben je einen eigenen Duft. Der Wohlgeruch des Krankenöles passt in die weihnachtliche Festzeit. Wenn ich bei Domführungen den schweren Deckel des Krankenölgefäßes öffne und daran riechen lasse, dann höre ich manchmal: „Wie Weihnachtsplätzchen“; „das duftet nach Zimt“. Und die feinen Nasen haben Recht. Dem Olivenöl wurde Zimt beigemischt. Wenn ein Kranker vom Priester damit auf Stirn und Hände gesalbt wird, weckt der Duft womöglich Kindheitserinnerungen an Weihnachten, eine Zeit familiärer Geborgenheit und heilsamer Gemeinschaft. Die tröstliche Botschaft der Krankensalbung lautet: Du bist auch in schwerer Krankheit nicht verloren, es wird Dir Gemeinschaft geschenkt von lieben Menschen und in diesem Sakrament auch von Jesus, Deinem Heiland und Erlöser. Er ist für Dich Mensch geworden an Weihnachten. Vor allem um die Kranken und Schwachen hat er sich gekümmert. Auch Du sollst heil werden und eines Tages das ewige Heil erfahren. Der christliche Glaube ist auf wunderbare Weise im Aroma des Krankenöls sinnlich erfahrbar. Im Krankenzimmer überwiegt ansonsten der beißende Geruch von Desinfektionsmittel. Der Wohlgeruch des Krankenöls bringt eine willkommene Heimeligkeit. Für kurze Zeit vertreibt es die Ausdünstungen der Krankheit.
Der sinnliche Duft von Weihnachten, die Botschaft des Engels von der Geburt des Herrn tröste alle, die derzeit im Gestank der Not und des Elends leben müssen. Er ermuntere uns, mit ihnen zu teilen. Er durchdringe die ganze Welt und vertreibe alles Böse, allen Unfrieden, allen Krieg. Wie würziger Weihrauch reinige er uns und heile uns tief in der Seele. Frohe, duftende Weihnachten!
Dompropst Dr. Michael Bär