
Beten ist nicht alles - aber ohne Gebet ist alles nichts! So lautet ein bekannter Spruch, den viele von ihnen als Christen kennen - ebenso wie das Gebet schlechthin, das Vaterunser. Was das Gebet für uns und unser Leben bedeutet und was geschieht, wenn wir das Vaterunser beten, erklärt Michael Nirschl, Pfarrer im Pfarrverband Waldkirchen, in seiner Predigt zum 17. Sonntag im Jahreskreis am 24. Juli 2022.
Wo erleben Menschen heutzutage einen Pfarrer, einen Kaplan, eine Gemeinderefentin, einen Religionslehrer, der betet? Wo wird jemand, der im Dienst der Kirche steht, nicht als Funktionär in einer Rolle, sondern als ein geistlicher Mensch erlebt? Freilich – es geht nicht ohne: Wenn Gottesdienst gefeiert wird, dann steht das Andächtigsein im Mittelpunkt. Eine Religionsstunde beginnt bestenfalls mit einem Gebet. Aber: Wann und wo wird unsereins darüber hinaus als ein betender Mensch wahrgenommen?
Natürlich kennen wir alle das Wort Jesu: „Wenn ihr betet, macht es nicht wie die Heuchler. Sie wollen von den Leuten gesehen werden.“ Was nun? Im stillen Kämmerlein beten oder als geistlicher Mensch erkennbar Zeugnis geben?
Die Antwort kommt an diesem Sonntag von Jesus selbst. Die Jünger erleben ihn beim Gebet. Immer wieder. Oft zieht er sich nächtelang zurück. Sie spüren: Gebet ist für ihn kein Plappern, keine Zurschaustellung. Es hat mit der Verbundenheit mit Gott, seinem Vater zu tun! Gebet ist für ihn der Lebensatem. Was sie da an ihm ablesen, das weckt ihr Interesse: „Herr, lehre uns beten!“
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Eine der besten Gebetsschulen ist das Erleben von Vorbildern. Damals wie heute: Kinder z.B. lernen am besten das Beten, wenn daheim miteinander gebetet wird. Jesus ist ein echtes Vorbild. Er reagiert deshalb auf die Frage nach dem Gebet nicht mit einer langweiligen Religionsstunde. Nein: Aus der Tiefe seines Herzens heraus betet er das „Vater unser“! Das lernen sie. Jetzt können sie beten – beten im Geist Jesu! Jetzt bekommt ihre Verbundenheit mit Gott ein Fundament. Jetzt können sie mit allen wichtigen und wesentlichen Bitten zu Gott kommen.
Seitdem ist das „Vater unser“ das Grundgebet der Christen. Freilich: Man kann auch dieses Gebet leiern und plappern. Aber wer sich dessen bewusst ist, dass Jesus Christus immer mitbetet, der ist Gott ganz nah; der lebt die Verbundenheit, für die uns Jesus ein Vorbild ist. Der kann selber ein Vorbild für das Gebet sein – nach außen hin sichtbar oder von innen her spürbar – ähnlich einem Musiker, dem man zwar nicht beim Üben zuschauen kann, aber bei dem man sehr wohl hört, ob er regelmäßig und mit Hingabe übt.
Bei alledem wissen wir: „Das Gebet ist nicht alles, aber ohne Gebet ist alles nichts!“
Michael Nirschl
Pfarrer im Pfarrverband Waldkirchen