
Kaum jemand, der das Gleichnis vom barmherzigen Vater nicht kennt. Anstelle den ausgerissenen und schließlich zurückgekehrten Sohn zu bestrafen, wie es zu erwarten wäre, gibt der Vater voller Freude über dessen Rückkehr ein großes Fest. Diese Barmherzigkeit dürfen wir auch immer wieder von Gott erfahren. Warum, erklärt Generalvikar Josef Ederer in seiner Predigt zum 4. Fastensonntag am 27. März 2022.
Wie tickt Gott? Worauf kommt es ihm an? Wie ist er und wie denkt er? Immer wieder stehen wir Menschen vor dieser Frage.
Im heutigen Evangelium hören wir, wie die Pharisäer und Schriftgelehrten sich darüber aufregen, dass Jesus sich mit Sündern abgibt und sogar mit ihnen isst. Da erzählt er Ihnen das uns allen so bekannte Gleichnis vom barmherzigen Vater. Er erzählt vom Sohn, der sein Erbe einfordert und es durchbringt und der schließlich völlig gescheitert im Dreck liegt und bei den Schweinen landet. Ganz unten, nachdem er Geld, Ansehen und sein Gesicht verloren hatte, erinnert er sich an den Vater. Auch wenn es ihm wohl brutal schwer gefallen ist: Er fasst Mut, kehrt reumütig zu seinem Vater zurück und sagt zu ihm: “Vater, ich habe mich gegen den Himmel und gegen dich versündigt; ich bin nicht mehr wert dein Sohn zu sein.” Und wie reagiert der Vater? Man könnte eine Ermahnung mit Bewährungsauflagen als Bedingung für die Rückkehr erwarten, was verständlich gewesen wäre. Doch es kommt keine Strafpredigt, keine Belehrung, keine Demütigung, sondern er umarmt ihn, nimmt ihn wieder als Sohn auf und feiert seine Rückkehr, sein Leben. “Mein Sohn war tot und lebt wieder!” Auch wenn es der ältere Sohn als ungerecht empfindet: Die Liebe und die Freude des Vaters über die Umkehr und Rückkehr des Sohnes lassen kein “Ja, aber …” zu, das macht der barmherzige Vater, der für Gott selber steht, deutlich.
Ihnen entgeht ein toller Beitrag!
Für Versöhnung und wirklichen Frieden braucht es auf Seiten des Menschen, der Fehler gemacht hat, die Hoffnung, dass er, wenn er dazu steht, und wie der verlorenen Sohn bekennt: “Vater, ich habe mich gegen den Himmel und gegen dich versündigt; ich bin nicht mehr wert dein Sohn zu sein.” — nicht vernichtet oder völlig gedemütigt wird.
Der Sohn im Evangelium hatte aus seiner Beziehung und Erfahrung mit seinem Vater dieses Vertrauen, in anderen Situationen braucht es da oft erst vertrauensbildende Maßnahmen. Vertrauen heißt auch, sich zu trauen, zu Fehlern zu stehen und zurückzukehren, ohne den völligen Gesichtsverlust befürchten zu müssen.
Nehmen wir uns im Kleinen wie im Großen am barmherzigen Vater ein Beispiel. Geben wir der liebenden göttlichen Barmherzigkeit Raum, denn sie allein ermöglicht Neuanfang, neues Leben, Frieden, Freude und umfassendes Heil. Shalom.
Josef Ederer
Generalvikar