
Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, heißt es in einem Gedicht von Hermann Hesse, doch jeder göttliche Anfang setzt erst einmal ein irdisches Ende voraus, dass also beides miteinander verbunden ist und wir Christen gerade deshalb vor dem Ende keine Furcht haben müssen, erklärt Domdekan Hans Bauernfeind in seiner Predigt zum ersten Adventssonntag, am 27. November 2022
Wenn die Menschen in der Ukraine heuer in den Himmel blickten, dann sahen sie, wie Raketen, Drohnengeschosse und Bomben aus den Wolken auf sie herabstürzten. Mit den Waffen kamen Tod und Zerstörung. Diese Bilder erschrecken.
Was für ein Segen ist es dagegen, wenn wir am ersten Adventssonntag im Evangelium hören, dass am Ende der Zeit der Menschensohn auf den Wolken des Himmels zu uns kommt. Er zerstört nicht, was in göttlicher Liebe geschaffen worden ist. Er vollendet es. Während die Bombenlast vom Ungeist der Machtgier gesteuert ist, kommt der Menschensohn im Heiligen Geist zuwendender Liebe zu uns. Wer Jesus Christus kennt und auf ihn hört, weiß, Gott ist anders – erfüllt vom Heiligen Geist. Er versetzt die Menschen nicht in Angst und Schrecken. Er rettet vielmehr und führt alle in die ewige Gemeinschaft des Glückes mit ihm, die ihn kennen und ihm vertrauen. Die Christen und Christinnen der Kirche des Anfangs haben aus der Hoffnung gelebt, Jesus Christus am Ende der Zeit voll Freude zu begegnen. Zu ihm wollten sie gehören – auf ewig.
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Diese grundsätzliche Erwartung auf das Ende der Zeit bedenken die Christen und Christinnen auch heute. Sie gehört zu den Gedanken des ersten Adventsonntags. Am heutigen Tag kommt noch eine weitere Erwartung hinzu: die Menschwerdung Gottes unter uns in seinem Sohn Jesus Christus – geboren von der Jungfrau Maria. Jetzt ist die Zeit, dass Gott auf Du und Du zu uns kommt. Jetzt ist die Zeit, Gott als den Liebenden, als den, der Krieg und Gewalt verabscheut und Gerechtigkeit liebt, kennenzulernen. Jetzt ist die Zeit, auf Jesus Christus zu hören, mit ihm gemeinsam Gott und den Nächsten zu lieben wie sich selbst und seine Schöpfung mit der Hingabe zu lieben, wie er es tut.
Diese Erwartung des ersten Advents lässt uns verstehen, wie sehr wir gewollt und angenommen sind bei dem, der unser Schöpfer ist. Der Advent führt uns hin zur bergenden Liebe Gottes, wenn der Gottessohn Mensch wird. So können wir getrost auf den Advent am Ende der Zeit blicken. Dieser bereitet uns keine Angst. Denn uns ist ein Licht aufgegangen. Wer mit Gott verbunden lebt, weiß sich bei ihm gut aufgehoben, versucht dessen Liebe weiterzugeben, mit ihm das Böse – auch bei sich – zu überwinden und ein aufrichtiges Miteinander in Achtung und Respekt zu schaffen. Wie gut wird es sein, wenn all diese Liebe sich einmal am Ende der Zeit vollendet. – Doch heute zünden wir die erste Adventskerze an. Sie leuchtet den Weg zu dem hin, der Mensch wird für uns, weil er uns unendlich liebt. Diese beglückende Erfahrung wünsche ich allen Menschen.
Domdekan Msgr. Dr. Hans Bauernfeind