
Im Lukasevangelium heißt es, Jesus suchte sich 72 aus und sandte sie als Botschafter aus. Diese biblische Zahl ist aber nicht auf die genannten "72" beschränkt. Vielmehr bedeutet sie, dass Jesus alle von uns aussendet, die zu ihm gehören. Gedanken hierzu von Domdekan Hans Bauernfeind in seiner Predigt zum 14. Sonntag im Jahreskreis am 3. Juli 2022.
Wenn wir als Schüler Fußball spielten, suchten zwei Mannschaftsführer abwechselnd ihre Spieler aus – bis am Ende die übrig Gebliebenen auch noch verteilt wurden. Hohes sportliches Ansehen genossen die, die aussuchten.
Auch Jesus sucht aus. Es heißt, er sucht zweiundsiebzig andere aus und sandte sie zu zweit vor sich her in alle Städte und Ortschaften, um Botschafter Gottes zu sein. (Lk 10,1) – Die Zahl „72“ besagt jedoch nicht, dass Jesus nur diese 72 aussendet. Es besagt vielmehr, dass Jesus alle, die zu ihm gehören, aussendet. Denn er sendet immer neu weitere andere aus – auch heute.
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Es ist schon etwas Besonderes, dass Jesus Sie und mich aussucht, um an seiner Stelle Botschafter für Gott zu sein. Freilich muss ich wissen, wer ich als Christ, als Christin bin. Entscheidend ist, dass ich mein Christsein lebe: wie ich mit anderen und über andere spreche, wie ich respektvoll gegenüber Menschen bin, wie ich die Würde eines Menschen sensibel achte, wie ich mit der Natur umgehe und sie zu erhalten suche oder wie sehr mir der Friede im Miteinander bedeutsam ist. All das schöpfe ich aus der Gemeinschaft mit Jesus. Der entlastet mich sogar von der Angst, ich könnte das nicht. Vielmehr ruft er mich, ganz normal mit anderen Menschen zu leben und mit ihnen auf Augenhöhe im Gespräch zu sein.
Dabei nehme ich wahr, dass viele, die sich nicht gläubig nennen, vermutlich ebenfalls von Jesus ausgesucht worden sind. Wer zum Beispiel in der Umweltschutzbewegung mit brennendem Herzen engagiert, ist einem Botschafter Gottes vergleichbar – auch wenn er oder sie sich so nie nennen würde. Ich jedenfalls möchte verstehen, was in diesen Menschen vorgeht, wie sie so vertrauensvoll entschieden handeln können. Vielleicht lerne ich daraus für mein christliches Handeln. Möglicherweise kann jemand auch von mir das ein oder andere meines vertrauensvollen Glaubens an Jesus mitnehmen.
Jesus sucht aus und sendet – auch heute.
Hans Bauernfeind
Domdekan