
Oftmals sieht man den Wald vor lauter Bäumen nicht, wie der Volksmund so schön sagt, man verliert sozusagen den Überblick oder hatte ihn vielleicht bei bestimmten Themen noch nie. Mit Leben, Tod und Auferstehung ergeht es vielen ähnlich, sie erkennen die untrennbare Einheit und das große Ganze nicht. Mehr dazu von Kaplan Hubertus Kerscher in seiner Predigt zum 32. Sonntag im Jahreskreis am 6. November 2022.
Stellen sie sich einen großen Wandteppich vor. Wenn sie zu nahe dranstehen, erkennen sie oft nur kleine Ausschnitte und einzelne Fäden – niemals das komplette Bild. Erst, wenn Sie das ganze Teppichbild betrachten, können sie seinen Sinn erfassen. Sie können erkennen, was eigentlich im Zentrum und was am Rand ist.
Mit dem Leben verhält es sich häufig genauso: Wie oft habe ich mich als Kind geärgert, weil ich von Eltern oder Lehrern geschimpft wurde. Erst später habe ich verstanden, dass das nicht passiert ist, weil sie mich demütigen oder kleinmachen wollten – es waren oft genug gut gemeinte Anweisungen. Ich musste erst das ganze Bild sehen, um diese einzelnen Ausschnitte richtig einordnen zu können.
Ihnen entgeht ein toller Beitrag!
Im heutigen Evangelium begegnet Jesus einer Gruppe, die auch meint, sie hätten schon alles verstanden: das Gesetz und das ganze Leben. Die Sadduzäer glaubten an ein Leben, das mit dem Tod endet. Es ist ihr Ziel, Jesus mit ihrer Auslegung der Heiligen Schrift zu zeigen, dass sein Auferstehungsglaube unsinnig sei. Er passt nicht zur Logik dieser Welt und zu ihrer Idee vom Gesetz des Mose schon gar nicht. Was tot ist, bleibt tot – basta.
Jesus hält dagegen: Für Jesus steht im Zentrum des Bildes nicht ein Friedhofsgott, der qua Gesetz Milliarden von kalten Gräbern verwaltet. Gott ist ein Gott des Lebens, ein Gott der Lebenden in Ewigkeit. Die Sadduzäer stehen zu nah dran, um den wahren Kern des Bildes zu sehen. Sie erkennen nur ihre eigenen Vorstellungen und Auslegungen.
Deshalb ist für uns Christen die Auferstehung nicht ein loser Faden am fernen Rande unseres Daseins. Die Auferstehung, die Hoffnung auf ein ewiges Leben bei Gott durchzieht alles: Das Gesetz und mein Leben – sie ergeben erst ein großes Ganzes, wenn ich das erkennen darf. In all die toten Punkte, in die Gräber von Ehemännern und ‑frauen, Freunden und Verwandten, vor denen wir Mitte der Woche erst wieder gestanden sind, in unsere Kämpfe, in unser Scheitern, in mein eigenes Sterben ist in Christus die zuversichtliche Hoffnung auf einen Gott des Lebens ebenso hineingewoben.
Hubertus Kerscher
Kaplan im Pfarrverband Pocking