
Wollt auch ihr mich verlassen? So lautet die Frage von Jesus an die Jünger im Sonntagsevangelium. Eine Frage, die damals wie heute aktuell ist. Schon immer haben Menschen die Kirche verlassen. Dabei ist der Mensch das Herzensanliegen Gottes, so der heilige Augustinus. Mehr dazu von Dompropst em. Hans Striedl in seiner Predigt zum 21. Sonntag im Jahreskreis am 22. August 2021.
Wenn Sie an diesem Sonntag in die Kirche gehen, hören Sie, dass es schon zur Zeit Jesu die gleiche Situation gegeben hat, wie wir sie heute sehr schmerzlich erleben:
Jünger wenden sich von Jesus ab, Christen verlieren ihren Glauben. Viele verlassen die Kirche laut schreiend, mit heftigen Anklagen, schimpfen gegen Gott und die Welt. Die anderen distanzieren sich still und unbemerkt von der Welt des Glaubens. Sie verlassen lautlos die Kirche. Man sieht sie auf einmal nicht mehr im Gottesdienst und auf keiner Veranstaltung der Pfarrgemeinde.
Im Evangelium an diesem Sonntag fragt Jesus seine besten Freunde: Wollt auch Ihr mich verlassen?
Ihnen entgeht ein toller Beitrag!
Ich feiere fast jeden Sonntag in irgendeiner Pfarrei unseres Bistums den Gottesdienst. Ich freue mich über die Vielen, die treu und zuverlässig kommen und mitfeiern. Aber ich bin gerade seit der Corona-Krise oft erschüttert, wie viele nicht mehr kommen – einfach wegbleiben. Ich sage mir: Das sind doch alles Menschen, die der Liebe Gott unendlich gern hat! Der Hl. Augustinus würde sagen: „Der Mensch ist das Herzensanliegen Gottes!“
Als Begründung für das Wegbleiben höre ich: Die Kirche erneuert sich zu wenig. Sie lebt in der Welt von gestern und hat keine Ahnung welche Probleme die Menschen heutzutage haben. Sie kann den Menschen der heutigen Zeit keine über-zeugende Antwort geben. Viele sind der Meinung: Die Priester und die Verantwortlichen der Kirche leben selber nicht glaubwürdig und sind oft genug für andere ein Ärgernis. Ja, wir haben uns selber schon viele peinliche Eigentore geschossen!
Aber viele haben für Gott und die Kirche kein Interesse aus Bequemlichkeit. Vieles andere ist ihnen wichtiger. Ich behaupte: Ich habe für einen Menschen so viel Zeit, wie er es mir wert ist und ich habe für Gott so viel Zeit, wie er es mir wert ist. Der stolze, selbstbewußte Mensch genügt sich selbst. Er braucht niemand anderen: weder einen Mitmenschen – noch einen Herrgott! Er lebt nach der Parole:
„Hilf dir selbst, dann brauchst du keinen Gott!“
Ganz anders der Spruch, den mir ein Freund für die Verkündigung an diesem Sonntag geschickt hat – er steht auf meinem Schreibtisch: Wo Gott diese Welt berührt, da beginnen die Rosen zu blühen!
Vielleicht ein Lichtblick in dieser schwierigen Zeit!
Hans Striedl
Dompropst em.