
Wer sich von Gott finden lässt, dem steht der Himmel offen. Tolle Zukunftsaussichten, meint Domvikar Bernhard Kirchgessner, Leiter des Exerzitien- und Bildungshauses Spectrum Kirche Passau-Mariahilf. In seiner Predigt zum Hochfest Mariä Himmelfahrt am 15. August 2021 geht er genauer auf "Suchen und Sich-finden-lassen" ein.
Bei jedem Verona-Besuch führt mich mein Weg zum Dom, wo ich vor einem Bild Tizians, welches die Aufnahme Mariens in den Himmel zeigt, stets staunnend stehenbleibe. Das Werk aus dem Jahr 1535 zeigt die in den Himmel erhobene Gottesmutter, die gütig auf die Schar der Apostel schaut. Letztere hat Tizian um das offene Grab Mariens gruppiert. Während die einen mit erhobenen Händen gen Himmel blicken, suchen die anderen im Grab nach sterblichen Überresten, so realis-tisch dargestellt, als stünden die Apostel am Wühltisch eines Kaufhauses. Tizian unterstreicht so eine theologische Aussage, die seit dem Konzil von Ephesus “Common sense” der West‑, wie der Ostkirche ist und lautet: Maria wurde mit Leib und Seele in den Himmel aufgenommen. Zum “Beweis” dafür hält einer der Apostel den Gürtel vom Kleid Mariens in Händen, einziger Rest aus ihrem Grab. Hat die kirchliche Lehre von der Aufnahme Mariens in den Himmel einen Rückhalt in der Heiligen Schrift
M.E. ist das 15. Kapitel des ersten Korintherbriefes mit das stärkste Zeugnis für die Auferstehung Jesu. “Christus ist von den Toten auferweckt worden als der erste der Entschlafenen”. Wenn es einen Ersten gibt, muss es auch Folgende geben. Das betont der Text, wenn er fortfährt: “Es gibt aber eine bestimmte Reihenfolge: Erster ist Christus: dann folgen, wenn Christus kommt, alle, die zu ihm gehören.”
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Wenn überhaupt jemand zu Christus gehört, dann die Frau, die ihn geboren hat, die an der via dolorosa stand, die Mutter, die den Sohn am Kreuz sterben sah. Kein Irdischer war und ist Christus näher als seine Mutter. Diese Nähe gibt er gleichsam an uns weiter, wenn er am Kreuz hängend zu Maria und Johannes spricht: “Frau, siehe dein Sohn, Sohn, siehe deine Mutter.” Mit ihm, dem Lieblingsjünger, hat Christus sterbend als letzten Akt uns allen seine Mutter zur Mutter gegeben. Wenn also Christus der Erste der Entschlafenen ist, dürfen wir nach diesem biblischen Zeugnis sicher sein, dass Maria ihm folgen durfte und in den Himmel, d.h. in den Herrschafts-bereich Gottes erhoben wurde.
Das hat auch Bedeutung für uns. Wenn mit Johannes alle Gläubigen unter dem Kreuz standen, dann hat der Sterbende in der Person des Johannes uns allen Maria zusätzlich zu unserer leiblichen Mutter als Mutter zugewiesen. Wenn wir im Glauben Paulus zustimmen können: Erster ist Christus, Zweite ist Maria, “dann folgen alle, die zu ihm gehören”…, dann steht auch uns die Aufnahme in den Himmel offen. In Jesus hat Gott den Anfang gesetzt, mit Maria die Reihe fortgesetzt und eines Tages wird die Reihe an uns sein – vorausgesetzt, wir suchen wie Maria die Nähe zu Jesus. Die Nähe Jesu suchen hat eine aktive und eine passive Seite, nämlich Gott suchen und sich von ihm finden und in seine Nähe holen lassen.
Manchmal kommt mir der moderne Mensch wie ein Kind vor, das mit anderen Verstecken spielt und sich bewusst so gut versteckt, dass es garantiert nicht gefunden wird. Derjenige, der uns sucht ist Gott. Er sucht uns in und mit seinem Sohn Jesus Christus. An uns liegt es, sich von ihm finden und in seine Nähe rufen zu lassen. Wer sich von ihm finden lässt, dem steht der Weg zur persönlichen Aufnahme in den Himmel offen. Sind das nicht tolle Zukunftsaussichten?
Bernhard Kirchgessner
Leiter Exerzitien- und Bildungshaus Spectrum Kirche Passau-Mariahilf